Gefährliche Schönheit am WegesrandJacobskreuzkraut verbreitet sich in Oberberg

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Bis zu zwei Tonnen Pflanzenmaterial kommen bei der Beseitigung des giftigen Krauts zusammen.

Bis zu zwei Tonnen Pflanzenmaterial kommen bei der Beseitigung des giftigen Krauts zusammen.

  • Die Blütezeit des Jacobskreuzkrauts beginnt im Juni und endet im Oktober.
  • Für Pferde und Rinder ist die Pflanze besonders gefährlich – auch Schafe und Ziegen sollten das Kraut nicht fressen.
  • Ein 74-jähriger Wiedenester hat eine Mission: die Verbreitung des Jacobskreuzkrauts im Oberbergischen so gut wie möglich eindämmen.

Oberberg – Die Kreuzung in Reichshof-Sinspert ist von Fachwerkhäusern umgeben. Ein Auto fährt vorbei. Der Fahrer wirft einen Blick auf Karl-Heinz Opitz, der sich mit seiner gelben Warnweste zumindest farblich in seine Umgebung einfügt. Er steht in einem großen Busch voller Pflanzen mit gelben Blüten. „Ich habe dem Jacobskreuzkraut vor Jahren den Krieg erklärt“, sagt er.

Opitz ist 1,79 Meter groß, die Pflanzen reichen ihm bis zum Kinn. Der 74-jährige Wiedenester braucht etwas Kraft, dann reißt er einen großen Büschel aus und steckt ihn in den Müllbeutel. „Der kommt jetzt in die graue Tonne“, sagt Opitz.

Karl-Heinz Opitz klärt über die Pflanze auf.

Karl-Heinz Opitz klärt über die Pflanze auf.

Seine Mission: Die Verbreitung des Jacobskreuzkrauts im Oberbergischen so gut wie möglich eindämmen. Denn die Pflanze ist giftig und kann vor allem bei Pferden und Rindern zum Tod führen. Die darin enthaltenen Pyrrolizidin-Alkoloide werden im Körper zu Schadstoffen umgewandelt und sorgen für akute oder chronische Vergiftungen.

Jacobskreuzkraut (Senecio jacobaea)

Das Jacobskreuzkraut gehört zur Familie der Korbblüter. Die Blüten sind gelb und haben einen Durchmesser von 15 bis 25 Millimeter. Es ist eine zweijährige Pflanze, die erst im zweiten Jahr zu blühen beginnt. Davor bildet sie eine sogenannte Blattrosette am Boden. Diese Blätter werden zwischen 20 und 30 Zentimeter lang. Die Blütezeit beginnt im Juni und endet im Oktober.

Eine Pflanze kann mehr als 100 000 flugfähige Samen produzieren, die, ähnlich wie beim Löwenzahn, mit dem Wind verbreitet werden. Dabei können sie bis zu 50 Meter weit fliegen. Nachdem die Pflanze Samen gebildet hat, stirbt die Mutterpflanze üblicherweise ab. Zum keimen benötigen die Samen einen offenen Boden wie er oft in wenig gepflegtem Grünland zu finden ist. 25 Jahre bleiben die Samen im Boden keimfähig.

Für Pferde und Rinder ist die Pflanze besonders gefährlich – auch Schafe und Ziegen sollten das Kraut nicht fressen. Ein 350 Kilogramm schweres Islandpferd hat eine tödliche Dosis zu sich genommen, wenn es 14 bis 20 Kilogramm der Pflanze gefressen hat. 15 Triebe entsprechen bereits 1000 Gramm Frischmasse. Im Heu reichen 2,4 Kilogramm, um ein Pferd tödlich zu vergiften. (ebu)

So steht es im Infoheft der Landwirtschaftskammer des Landes Nordrhein-Westfalen, das Opitz an Bürger und Bauern verteilt, um sie auf die Gefahr durch die Pflanze hinzuweisen.

Nichtstun ist gefährlich

„Viele Bauern wissen schon vom Jacobskreuzkraut und entfernen es selbst“, sagt er. Anderen habe er davon erst erzählen müssen. „Die bedanken sich für die Info. Manche reagieren und entsorgen die Pflanze von ihren Feldern. Andere tun nichts.“ Doch Nichtstun sei das Problem sagt der Experte für Hydrokulturen. „Das Kraut vermehrt sich rasend schnell“, weiß Opitz.

An diesem Nachmittag fährt er mehrere Stellen an, an denen sich das Jacobskreuzkraut verbreitet. An einer Landstraße in Eckenhagen stehen Kühe auf einer Weide. Auf dem Feld daneben setzen die gelben Blüten der giftigen Pflanze einen deutlichen Kontrast zum matten Grün der trockenen Sommerwiese.

„Hier sieht man das Problem sehr gut: Die Samen fliegen hinüber bis auf die Weide zu den Tieren und bilden dort dann neue Pflanzen. Wenn die gegessen werden, wird es für die Rinder und Kühe gefährlich.“ Solche Wiesen würden zudem zur Produktion von Heu genutzt, sagt Opitz. „Wenn die Pflanzen da mithineingeraten, verteilen sich auch die Giftstoffe darin – und die fressen die Tiere dann.“

Haben dem Jacobskreuzkraut den Kampf angesagt: Martin Steffens und Helferinnen.

Haben dem Jacobskreuzkraut den Kampf angesagt: Martin Steffens und Helferinnen.

Das will auch Martins Steffens von der Reitsportanlage Steffens in Bergneustadt-Pernze vermeiden. Er reißt an diesem Nachmittag mit drei freiwilligen Helferinnen büschelweise Jacobskreuzkraut vom Überwuchs eines Wasserbehälters heraus. Die anliegende Wiese will er nämlich zur Heuverarbeitung nutzen.

 Im ersten Jahr trägt die Pflanze noch keine Blüten.

 Im ersten Jahr trägt die Pflanze noch keine Blüten.

„Allein auf dem Hügel hier kommen etwa zwei Tonnen Pflanzenmaterial zusammen“, sagt er. Bis alles weg ist, dauere es mehrere Wochen. Opitz steht in engem Kontakt mit Martin Steffens und anderen: „Ich helfe den Bauern, wo ich kann. Sei es mit der Entsorgung des Krauts oder indem ich die Leute über die giftige Pflanze informiere.“ Am Südring in Bergneustadt deutet Karl-Heinz Opitz zufrieden auf eine Wiese am Straßenrand: „Hier war vor ein paar Wochen noch alles voll mit dem Kraut. Das wurde zum Glück entfernt.“

Kein neues Phänomen

Dass sich die giftige Pflanze ausbreitet, sei kein neues Phänomen, betont der Rentner. Das sei ja nicht die einzige Giftpflanze, die im Oberbergischen ihr Unwesen treibe: Auf der Autofahrt deutet er auf ein Exemplar der Herkulesstaude. „Diese ist äußerlich eine beeindruckende Pflanze, aber sie ist eben auch giftig.“

Nach anderthalb Stunden ist Opitz’ Kriegszug gegen das Kraut für diesen Tag beendet. Doch bald wird er wieder losziehen. Mit gelber Warnweste.

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