Entlastung?Obmann der oberbergischen Kinderärzte übt Kritik an Videosprechstunden im Winter

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Eine Ärztin leuchtet einem kleinen Jungen in den Rachen.

Die Kinderarztpraxen, auch im Oberbergischen Kreis, sind aktuell vollkommen überfüllt.

Auch in diesem Jahr gibt es in der Adventszeit sowie an Heiligabend und Silvester an ausgewählten Tagen Videosprechstunden im Kindernotdienst.

Mit der Winterzeit nimmt nicht nur die Vorfreude auf Weihnachten zu, sondern auch die Infektwellen. Erkältungen, Grippe und der Coronavirus sind auf dem Vormarsch – vor allem in den Kinderarztpraxen sind die Wartezimmer voll. Eine Entlastung, vor allem für Kindernotdienstpraxen, muss her.

Auch in diesem Jahr wird es in der Adventszeit mittwochs, an Wochenenden sowie an Heiligabend und Silvester eine Videosprechstunde im Kindernotdienst geben. Das teilt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) mit und zieht gleichzeitig Bilanz aus dem vergangenen Jahr, in dem die Videosprechstunde im Winter erstmals stattgefunden hat.

Erklärtes Ziel: Für „leichtere“ Erkrankungen wie Atemwegsinfekte ein ergänzendes und für die Praxen entlastendes Angebot schaffen. „Den Eltern der erkrankten Kinder sollte die Möglichkeit gegeben werden, schnell und unkompliziert Hilfe in Anspruch zu nehmen – und sich damit oft auch den Weg zur Praxis bzw. Notdienstpraxis zu ersparen“, teilt die KVNO mit. Gleichzeitig soll dadurch die Kapazität für die schnelle Versorgung relevanter Notfälle sichergestellt werden.

145 Eltern aus Oberberg suchten in Videosprechstunden medizinischen Rat 

In Oberberg nahmen 2022 kreisweit 145 Eltern das digitale Angebot über die Feiertage wahr, davon 56 an Heiligabend, 59 am ersten und 30 am zweiten Weihnachtsfeiertag. Dr. Björn Hoffmann, Kinderarzt in Hückeswagen und Obmann der oberbergischen Kinderärzte, sieht die Videosprechstunde nicht als entlastendes Mittel. „Diesen Optimismus, dass es eine Entlastung für die Praxen ist, kann ich nicht teilen. Die Videosprechstunden finden zu Uhrzeiten statt, in denen unsere Praxen ohnehin geschlossen sind. Ich glaube nicht, dass dadurch weniger Patienten in unsere Praxen kommen.“

Die KVNO zieht über Oberberg hinaus derweil ein positives Fazit. „Bei fast 2400 durchgeführten Videosprechstunden hatten wir ein interessantes Ergebnis. Fast die Hälfte der Eltern musste anschließend mit ihrem Kind nicht mehr in eine Notdienstpraxis fahren“, sagt Sven Ludwig, Pressesprecher der KVNO. Nur 19 Prozent hätten mit ihrem Kind eine Klinik aufsuchen müssen.

Auch diese Sicht teilt Hoffmann nicht: „Auch wenn das Ergebnis der Videosprechstunde ist, dass Eltern mit ihrem Kind nicht in eine Notdienstpraxis fahren müssen, wissen wir nicht, wer es trotzdem getan hat.“ Für eine echte Entlastung der Kinderärzte müsse man laut Hoffmann vielmehr die Kompetenz der Eltern stärken, den Gesundheitszustand ihres Kindes besser einschätzen zu können.

„Die Übervorsicht hat zugenommen, auch seitdem man Symptome im Internet googeln kann. Oft müssen wir nur Nasenspray oder Fiebersenker verschreiben“, berichtet der Arzt, ergänzt aber: „Ich verstehe auch die Eltern. Viele stehen selbst unter Druck. Mit einem kranken Kind zu Hause fallen sie auf der Arbeit länger aus.“ Und zumindest eine gute Nachricht hat er: „Die Kinderarztpraxen im Oberbergischen sind derzeit zwar sehr voll, noch ist es aber machbar.“


Ablauf und Termine der Videosprechstunde

Eltern wählen die zentrale Patientenservice-Nummer 116 117. Am Telefon werden sie nach den wichtigsten Daten gefragt, können einen Termin vereinbaren und erhalten den Link für die Videosprechstunde. Noch einfacher ist der Weg über die Internetseite der KVNO. Auch dort kann ein Termin für eine Videosprechstunde vereinbart werden.

Benötigt wird neben der Krankenversicherungskarte lediglich ein Endgerät wie ein Smartphone, Tablet oder Computer mit Kamera und Mikrofon, eine stabile Internetverbindung sowie einen möglichst ruhigen und gut beleuchteten Ort in der Wohnung. Denn die Ärzte sollten die Kinder möglichst gut sehen können. Bei der Verwendung eines Handys wird empfohlen, dieses aufzustellen, damit das Bild nicht wackelt.

Das Angebot der Videosprechstunde gilt vom 2. Dezember bis zum 31. Januar 2024 mittwochs von 16 bis 22 Uhr, sowie samstags, sonntags und an Feiertagen (auch Heiligabend und Silvester) von 10 bis 22 Uhr. Insgesamt 26 Kinderärztinnen und Kinderärzte stehen bereit. Ein vergleichbares digitales Angebot für Erwachsene gibt es, zumindest diesen Winter, übrigens noch nicht. 

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