„Schwierig zu akzeptieren“Wipperfürther Anwältin über Flüchtlinge und ihre Rechte

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Regina Billstein ist Fachanwältin für Familienrecht und Mitbegründerin der Initiative „Wipp Asyl“.

Regina Billstein ist Fachanwältin für Familienrecht und Mitbegründerin der Initiative „Wipp Asyl“.

Flucht, ihre Ursachen und ihre Folgen beschäftigen nicht nur beim Blick in die Weihnachtsgeschichte. 2021 sorgte die Abschiebung einer Familie aus Nümbrecht nach Bangladesch für Aufsehen. Aber was ist Flüchtlingsrecht? Für Regina Billstein, eigentlich Fachanwältin für Familienrecht und Mitbegründerin der Initiative „Wipp Asyl“, ist es Teil des Jobs. In der Reihe „Alles was Recht ist“ sprach Frank Klemmer mit der Wipperfürtherin, die 2017 für den Landtag kandidierte und heute Vorsitzende des SPD-Ortsvereins ist, über Flucht, Recht und den Umfang damit.

Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Flüchtlingsrecht, Frau Billstein? Seit 2015?

Billstein: Nein, ich hatte tatsächlich schon viel früher damit zu tun. Das war in den 1990er und 2000er Jahren. Als der Jugoslawien-Krieg zu Ende ging, kam die Frage auf, ob die Menschen, die oft sehr gut integriert waren, wirklich zurückkehren müssen. In den Verfahren, mit denen ich damals befasst war, ging es um das Bleiberecht. Am Ende hat der Gesetzgeber mit der Härtefall-Regelung eine pragmatische, aber auch sehr gute Lösung gefunden.

Und danach?

Da haben für mich solche Fälle keine große Rolle mehr gespielt. Es gab einfach nicht mehr so viele, deshalb bin ich damit auch nicht mehr in Berührung gekommen. Und mein Schwerpunkt ist ja ohnehin das Familienrecht, wo ich auch Fachanwältin bin.

Und dann kam 2015 . . .

Das stimmt. Zunächst einmal war das gar keine rechtliche Frage. Das Schicksal der Flüchtlinge und ihre Beweggründe, hierher zu kommen, haben mich einfach beschäftigt. Ich wusste: Du kannst von Wipperfürth aus nicht die Welt retten. Aber Du kannst hier etwas initiieren, was den Flüchtlingen hilft, die nach Wipperfürth kommen. Deshalb habe ich gemeinsam mit anderen damals Wipp Asyl gegründet. Unsere Hauptaufgabe war dann tatsächlich nicht rechtliche Beratung, sondern Orientierung im Alltag, Hilfe bei Behördengängen oder ganz einfach Kleidung oder eine Wohnung zu besorgen. Wir haben viele Patenschaften vermittelt.

Wann kamen die rechtlichen Fragen?

Als die ersten Flüchtlinge doch nicht als solche anerkannt wurden. Mit den ersten Ablehnungsbescheiden also. Ich habe mich erstmal peu a peu in die Materie reinfuchsen müssen. Die Gesetze haben sich da ja damals dann auch immer wieder verändert. Das hat dann zunehmend immer mehr meine Aufmerksamkeit verlangt.

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Wie haben Sie die Atmosphäre in Ihrer Umgebung damals wahrgenommen? War da nur Unterstützung? Oder gab es auch Kritik?

Anfangs war da vor allem große Hilfsbereitschaft und eine breite positive Resonanz. Das hat sich mit der Silvesternacht 2015 durchaus verändert. Auch in Wipperfürth hatten wir damals viele alleinstehende junge Männer. Das wurde kritisch beäugt. Ich habe das immer relativ sachlich und klar erklärt. Ich habe deutlich gemacht, dass wir das gut geregelt haben – in enger Kooperation mit dem Sozialamt der Stadt und dem Ausländeramt des Kreises. Die Leute haben verstanden, dass wir nicht einfach Gutmenschen sein wollen, sondern da Ordnung schaffen.

Ist es auf der anderen Seite nicht manchmal sogar schwerer, denjenigen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, deutlich zu machen, dass es trotz allem zu Abschiebungen kommen kann – und dass auch das alles nach Recht und Gesetz vorgehen kann?

Es ist natürlich mein Job, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Abschiebung zu verhindern. Wenn das nicht klappt, dann erlebe ich selbstverständlich auch viele Menschen im Umfeld der Flüchtlinge, für die das absolut unverständlich ist. Häufig zum Beispiel auch Unternehmer, wenn jemand hier seine Ausbildung gemacht hat oder hier schon lange arbeitet und gut integriert ist, aber trotzdem die anderen rechtlichen Voraussetzungen für ein Bleiben nicht erfüllt. Es ist dann schwierig zu akzeptieren, dass alle Mühe vergebens war.

Mancher könnte sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass das Gesetz, das dazu führt, vielleicht nicht das richtige ist.

Die Bundesregierung hat sich schon bemüht, trotzdem Möglichkeiten für ein Bleiberecht zu schaffen, wenn jemand so gut integriert ist. Aber die Hürden sind immer noch zu hoch. Seit 2019 zum Beispiel wird mehr als früher größten Wert daraufgelegt, dass der geduldete Ausländer einen gültigen Heimatpass vorlegen kann, um unter Umständen doch noch eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Man kann das verstehen: Gerade auch nach einigen Attentaten will man wissen, wer hier ist. Aber es ist eben für den einzelnen nicht so einfach, wie es scheint. Und wenn sie dann deshalb nicht mehr arbeiten dürfen und plötzlich wieder von Zuwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leben müssen, dann verstehen die Menschen das nicht.

Oder trauen die dem Braten nicht? Schließlich ist der Heimatpass ja auch eine Voraussetzung für eine Abschiebung.

Genauso ist es. Eigentlich soll das eine Leistung Zug um Zug sein: Gib Du mir Deinen Pass, dann gebe ich Dir ein Bleiberecht. Aber viele Flüchtlinge glauben das einfach nicht. Sie halten es für eine Falle.

Zu Recht?

Ja, es gibt diese Fälle. Auch ich hatte einen Mandanten, bei dem es so gelaufen ist. Da hätte ich nie gedacht, dass er dann abgeschoben wird. Aber dass es so war, habe ich erst erfahren als er im Flieger saß.

Was sagen Sie: Sind Ausländerbehörden so?

Nein, im Großen und Ganzen erlebe ich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, gerade auch im Oberbergischen Kreis. Da gibt es viele sehr engagierte Mitarbeiter. Aber sie sind eben an gesetzliche Vorgaben gebunden. Das gilt auch für die Justiz. Am Kölner Verwaltungsgericht, mit dem ich fast immer zu tun habe, erlebe ich durchweg engagierte Richterinnen und Richter, die sich in der mündlichen Verhandlungen Zeit nehmen, um sich ein Bild von den Menschen und von ihrem Flüchtlingsstatus zu machen. Sie wollen ihnen gerecht werden und sich am Ende die Frage beantworten können: Glaube ich das Verfolgungsschicksal – oder nicht? Da macht keiner kurzen Prozess.

Und die Anwälte?

(lächelt) Die müssen auf jeden Fall schon von Berufs wegen engagiert sein. Denn eines steht fest: Reich werden kann man mit diesem Rechtsgebiet nicht.

Wie nehmen Sie bei alledem die Menschen wahr, die den Flüchtlingen um jeden Preis helfen wollen. Sind die manchmal sogar für den Ausgang des juristischen Verfahrens mehr Fluch als Segen?

Das würde ich nicht sagen. In erster Linie sind auch sie vor allem engagiert – und das hilft mir. Es gibt da ja viel zu beschaffen zum Beispiel an Bescheinigungen, was die Flüchtlinge selbst so alleine gar nicht können. Und diese Menschen stehen ihnen natürlich näher als ich, die Anwältin. Deshalb sind sie wichtige Gesprächspartner – sowohl für mich als auch für die Flüchtlinge. Für mich sind sie also vor allem eine Hilfe.

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