Nach schweren UnfällenSo gehen Ärzte und Sanitäter mit belastenden Einsätzen um

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Schwere Unfälle wie dieser auf der A4 bei Gummersbach, bei dem eine Mutter und ihre vierjährige Tochter verunglückten, können Rettungssanitäter und Notärzte belasten. 

Oberberg – Wenn sich Menschen in lebensbedrohlichen Situationen wie bei Unfällen befinden, sind sie auf die medizinische Hilfe von Notärzten und Notfallsanitätern angewiesen. Auch in extremen Situationen müssen sie innerhalb kürzester Zeit erkennen, wie dem Verunglückten geholfen werden muss, wie Dr. Ralf Mühlenhaus sagt. Der 62-Jährige ist Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes beim Oberbergischen Kreis und seit 42 Jahren in diesem Beruf tätig, sei es als Notfallsanitäter oder als Notarzt. Er hat mehrere zehntausend Einsätze erlebt.

Diese können bisweilen sehr fordernd sein, wie auch Mühlenhaus sagt. So wie jüngst der schwere Verkehrsunfall auf der A4, bei dem eine Mutter und deren vierjährige Tochter verunglückten. Eine Woche nach dem schweren Unfall starb das kleine Kind an seinen Verletzungen.

Psychosoziale Unterstützung für Helfer in Notfällen

Wie gehen die Helfer mit solchen Extremsituationen um? Muss ihnen am Ende auch geholfen werden, wenn ihnen die Menschen unter den Händen wegsterben? „Wir haben Teams zur psychosozialen Unterstützung (PSU) rund um die Uhr im Einsatz. Wenn unsere Leute vor Ort den Eindruck haben, dass sie im Nachgang deren Unterstützung benötigen und reden wollen, können sie diese anfordern“, sagt Mühlenhaus.

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Doch es geht auch umgekehrt: Hat die Leitstelle den Eindruck, dass die Retter vor Ort einer extremen Situation ausgesetzt sind, fragen sie, ob die Kollegen ein PSU-Team haben wollen. „Falls das gewünscht wird, nehmen wir die Kolleginnen und Kollegen kurzfristig aus dem Dienst und ersetzen sie erst einmal“, erläutert der Mediziner. „Die Zeiten des harten Hundes sind vorbei und wenn jemand nach PSU-Unterstützung fragt, ist das kein Makel“, betont der Ärztliche Leiter.

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Ralf Mühlenhaus ist ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes in Oberberg. 

Bereits in der Ausbildung würden angehende Notfallsanitäter auf den Umgang mit solchen Situationen vorbereitet. Denn sowohl Sanitäter als auch Notärzte seien nicht davor gefeit, eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung zu bekommen. Diese könne sogar dazu führen, dass selbst langjährig erfahrene Kolleginnen und Kollegen am Ende ihren Beruf wechseln würden. „Wobei man sagen muss, dass deren Zahl bei uns verschwindend gering ist“, wie Mühlenhaus sagt. Jeder, der sich für diesen Beruf entscheide, wisse, worauf er sich einlasse.

Diese Erfahrung macht auch der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes bei sich selbst. Die extremen Einsätze, die er gefahren habe, seien ihm noch immer präsent, allerdings lasse er keinen an sich ran, sagt Mühlenhaus.

Notärzte in Oberberg

Vor rund zehn Jahren hat der Oberbergische Kreis den Rettungsdienst auf hauptamtliche Notärzte umgestellt. Heute sind 80 Prozent von ihnen Mitarbeiter des Kreises, weitere 20 Prozent sind freiberufliche Notärzte. An den sechs Rettungswachen kommen pro Monat 180 Notarztdienste mit je 24 Stunden zusammen. Wenn die beiden geplanten Wachen hinzukommen, erhöht sich die Zahl der Dienste auf 240. Alle Notärzte sind erfahrene Fachärzte wie Anästhesisten, Chirurgen oder Internisten.

Dr. Ralf Mühlenhaus sagt, dass alle Notärzte Rettungsdienst-affin sind und jeder rund 600 Einsätze pro Jahr fährt. (ar)  

Und wie gehen die PSU-Teams vor, wenn sie angefordert werden? In einem ersten Gespräch komme es darauf an, dass man den Einsatzkräften aufmerksam zuhöre, damit diese ihre Eindrücke loswerden, wie der Mediziner erläutert. „In dieser Phase findet noch kein sogenanntes Debriefing statt, sondern eine Rekapitulation ohne jedwede Wertung.“

Nach dieser ersten Runde würden die Kolleginnen und Kollegen nach Hause gehen. Wenn danach weiterer Nachbereitungsbedarf bestehe, steige man in ein detailliertes Debriefing, also eine Nachbesprechung, ein. „Dort geht es dann um mögliche Schuldgefühle und Fragen wie, ob man präsent war und der richtige Mann am richtigen Ort gewesen ist.“

Mühlenhaus ist es wichtig, deutlich zu machen, dass nicht nur die Eindrücke vor Ort das sind, was Notärzte und Notfallsanitäter belasten können. Es gebe weitaus mehr negative Erlebnisse. So etwa den Bereitschaftsdienst auf der Wache.

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„Hier kommen dann Dinge wie das Arbeitsklima, der Ärger über fehlerhaftes Equipment oder persönliche Befindlichkeiten zum tragen“, sagt der Leiter des Amtes für Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz. Nicht zu unterschätzen seien Dinge wie eine schlechte Ernährung und angepasste Schlafgewohnheiten. „Wenn die Leute wissen, dass sie gleich den nächsten Einsatz haben können, schlingen sie ihr Essen auch mal runter und wenn sie in der Nacht drei Mal raus müssen, kommen sie dazwischen nicht wirklich in den Schlaf“, sagt Ralf Mühlenhaus, der nach wie vor als Notarzt im Einsatz ist.

Und wie lange kann man diesen herausfordernden Job machen? Bei den Notärzten habe sich ein Alter von 60 Jahren als Zeitpunkt herauskristallisiert, an dem viele aussteigen würden. Auch mit Hinblick auf die Fitness. „Bei den nichtärztlichen Kollegen ist die körperliche Belastung aber ungleich höher, so dass wir hier schon früher einen Wechsel erleben.“ 

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