„Das wird ein Meilenstein“Waldbröler Sternen-Fans arbeiten seit Jahren an Teleskop

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Im Kuppelturm der Sternwarte verbirgt sich das große Teleskop

Waldbröl – Für einige Männer ist die Waldbröler Ortschaft Schnörringen das Zentrum ihres Universums. Jede freie Minute verbringen die Mitglieder des Initiativkreises „Schnörringen Telescope Science Institute“ im Observatorium, das sich seit gut sechs Jahren im Aufbau befindet. Auch am Samstag wurde dort wieder gearbeitet. Eigentlich sollte die Schüler- und Ausbildungssternwarte schon längst in Betrieb gegangen sein. Für Verzögerungen sorgten neben der Pandemie auch allerlei technische Herausforderungen.

Dass Weltraumforschung vor allem Ingenieurskunst ist, wissen der Atmosphärenphysiker Dr. Klaus Vollmann und der Astrophysiker Dr. Thomas Eversberg mittlerweile allzu gut. Um das Hauptteleskop im großen Kuppelturm einsatzbereit zu machen, müssen sie mit ihren Kollegen Präzisionsarbeit leisten. Doch nun ist der besondere Moment zum Greifen nah: Noch in diesem Herbst soll der große, 1,3 Tonnen schwere Ritchey-Chretien-Reflektor erstmals Bilder aus den Tiefen des Universums einfangen, kündigt Eversberg an: „Das wird ein Meilenstein.“

Gas und Staub in 2400 Lichtjahren Entfernung sichtbar machen

Bereits ein Jahr ist es her, dass die Schnörringer Hobby-Astronomen erste Aufnahmen präsentierten. In Farbenpracht waren da unter anderem der 2400 Lichtjahre entfernte „Elefantenrüsselnebel“ zu sehen und das Sternentstehungsgebiet „Säulen der Schöpfung“ in 7000 Lichtjahren Entfernung. Aufgenommen wurden sie mit den kleineren Teleskopen auf dem Vorplatz des Observatoriums. Das dortige Freiluft-Schülerlabor besteht aus drei Spiegelteleskopen. Jedes ist in einem auf Schienen gesetzten Metallkubus untergebracht, der sich für den Blick in den Sternenhimmel zur Seite schieben und dann als Station zur Steuerung nutzen lässt. Für ein viertes Teleskop bauen die Oberberger derzeit ein kleines Schutzhaus, auch mit einem zu öffnenden Kuppeldach.

Die Schülersternwarte ist längst einsatzbereit, doch wegen des von Corona verursachten Unterrichtschaos in den vergangenen eineinhalb Jahren sind bislang nur sehr wenige Kinder und Jugendliche nach Schnörringen gekommen. Eine für April vergangenen Jahres geplante Auftaktveranstaltung mit 17 Schulgruppen hatte ausfallen müssen, und sie konnte bislang nicht neu terminiert werden. Eversberg ist nun dabei, in den Schulen nachzuhorchen, wann sie sich startbereit sehen. „Wir möchten mit der Ausbildungsarbeit schnellstmöglich beginnen“, sagt der Astrophysiker: „Es wäre ärgerlich, wenn unser Angebot an noch mehr Jahrgängen vorbeigeht.“

Weil die Schülersternwarte noch nicht regelmäßig genutzt wurde, konnten sich die Hobby-Astronomen ganz auf das Herzstück ihres Observatoriums konzentrieren: Das große astronomische Teleskop kauften Vollmann und Eversberg bereits im Jahr 2008, davor war es von der Universität München eingesetzt worden. Per Kran wurde das Gerät vor zwei Jahren in den neugebauten Kuppelturm gehievt, und seitdem laufen dort die komplizierten Arbeiten, um es einsatzbereit zu machen. Seit Jahresbeginn sind die Schnörringer entscheidende Schritte weitergekommen. Im Februar installierten sie die Ventilatoren für den Hauptspiegel des Instruments und machten die vier Schutzklappen und die Telekopsteuerung bereit. Seitdem kann sich das Teleskop in alle Richtungen drehen. „In 15 Sekunden können wir es um 90 Grad schwenken“, sagt Vollmann.

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Vom Hauptspiegel wird beim Blick ins Weltall später alles abhängen. Ist er nicht millimetergenau positioniert, werden die Bilder verfälscht. Der 80 Kilogramm schwere Spiegel mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern ist nur gut sieben Zentimeter dick, die Spiegelfläche besteht aus einer Aluminiumschicht auf einem Glaskeramikträger – das Konstrukt ist sehr anfällig für Verformungen. Im Teleskop liegt es deswegen auf einem speziellen Luftkissen, das die Hobby-Astronomen für 600 Euro neu aus den USA einfliegen lassen mussten. Damit der Spiegel während der Teleskopfahrten exakt auf der optischen Achse bleibt und sich nicht verbiegt, ist er rundherum an 36 Stellen mit Gegengewichten befestigt. „Das ist höchste Ingenieurskunst“, sagt Eversberg.

Je mehr sie sich in die Technik des Großteleskops einarbeiteten, desto öfter haben Eversberg und Vollmann mit Experten telefoniert und Doktor-Arbeiten zum Thema gewälzt. Sie nahmen sogar Kontakt zum Fraunhofer-Institut auf, um ja nichts falsch zu machen.

Technik aus Sydney

Eine Wissenschaft war allein die Reinigung des Spiegels. Zuerst wurde er über Nacht in Wasser gelegt, um den Schmutzfilm an der Oberfläche einzuweichen, dann mit destilliertem Wasser ganz sanft abgespült. Dann musste der Spiegel zurück in seine Vorrichtung und das insgesamt 300 Kilogramm schwere Konstrukt per Hubtisch wieder mit dem Teleskop verbunden werden. „Das war alles sehr aufregend“, sagt Vollmann: „Nicht auszudenken, wenn dabei etwas schiefgelaufen wäre.“

Jetzt fehlt nur noch die elektronische Steuerung für das Teleskop, sie soll schon bald geliefert werden. Dann können mit dem Reflektor die ersten Bilder aufgenommen werden. In wenigen Wochen soll es soweit sein. Vorbestellt ist auch schon ein Spektrograf, mit dem später die Zusammensetzung des eingefangenen Lichts analysiert werden kann. Eine Förderzusage der Leader-Region dafür haben die Schnörringer bereits. Wenn die Zuwendung da ist, soll das Gerät von einer Universität in Sydney geliefert werden.

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