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Kritik an Plänen für WaldbrölArzt spricht von einer Kampfansage durch Kreis und Klinikum

Lesezeit 4 Minuten
Sorgt sich um seine Zukunft: der Arzt Jörg Riederer. Er hat in Waldbröl vor bald zwei Jahren Räume im Medic-Zentrum am Kreiskrankenhaus bezogen und dort eine Praxis für Allgemeinmedizin eröffnet.

Sorgt sich um seine Zukunft: der Arzt Jörg Riederer. Er hat in Waldbröl vor bald zwei Jahren Räume im Medic-Zentrum am Kreiskrankenhaus bezogen und dort eine Praxis für Allgemeinmedizin eröffnet.

Jörg Riederer führt eine Praxis am Medic-Zentrum neben dem Kreiskrankenhaus. Dort sei noch viel Platz für Kolleginnen und Kollegen, sagt er.

Ein Krankenhaus, darin zudem ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Endoprothetik, Orthopädie und Unfallchirurgie, dazu nebenan auf fünf Etagen ein Medic-Zentrum mit vier Augenärzten, einem Allgemeinmediziner, einer Praxis für die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, einem Ambulanten Therapiezentrum, einer Gynäkologin, einem Facharzt für Anästhesiologie und sogar einer Praxis für die traditionelle chinesische Medizin – und ab dem 1. Oktober wahrscheinlich ein neues Versorgungszentrum, das dann hausärztlich ausgerichtet ist: Die medizinische Perspektive für die Stadt Waldbröl, damit für Oberbergs Süden insgesamt und die Nachbarschaft jenseits der Kreisgrenze könnte kaum besser aussehen.

In einem Anbau des Waldbröler Kreiskrankenhauses soll im kommenden Oktober ein neues Medizinisches Versorgungszentrum untergebracht werden.

In einem Anbau des Waldbröler Kreiskrankenhauses soll im kommenden Oktober ein neues Medizinisches Versorgungszentrum untergebracht werden.

Doch die Ankündigung von Kreisdirektor Klaus Grootens und Sascha Klein, Geschäftsführer des Klinikums Oberberg, im Gesundheitsausschuss des Kreistages, unter dem Dach des Kreiskrankenhauses in der Marktstadt im Oktober ein Kommunales Medizinisches Versorgungszentrum (KMVZ) aufzubauen, stößt seither nicht überall auf Begeisterung. Während Mitglieder des Stadtrats bemängeln, dass weder das Klinikum, noch der Kreis in dieser Sache den Kontakt zur Politik gesucht hätten, spricht der Allgemeinmediziner Jörg Riederer von einem Affront, von einer Kampfansage.

Seit August 2023 betreibt der 61-Jährige betreibt im Medic-Zentrum, dem früheren Schwesternwohnheim des Kreiskrankenhauses, eine Hausarztpraxis. „Und mit mir hat noch niemand über dieses Vorhaben gesprochen, um mich möglicherweise ins Boot zu holen.“ Seine Praxis biete nämlich Platz genug, dort könnten vier Ärztinnen und Ärzte von 7 bis 21 Uhr bequem in einem Schichtsystem arbeiten, schildert Riederer und wundert sich, dass Kreis und Klinikum lieber an anderer Stelle Geld ausgeben, als in einen vorhandenen Ort zu investieren.

Arzt hat in Waldbröl nach eigenen Angaben zwischen 2600 bis 2700 Behandlungsfälle im Monat

„Und das in einer Zeit, in der kaum Kolleginnen und Kollegen zu finden sind, die auf dem Land arbeiten wollen“, ergänzt Riederer – mit Blick auf die eigene, seit zwei Jahren andauernde und bisher erfolglose Suche, Unterstützung für heute und einen Nachfolger für später zu finden. „Ein KMVZ aufzubauen, ist eine Herausforderung.“ Zudem, fügt der Arzt hinzu, könne er mit Arbeit reichlich aufwarten: Während die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein die Zahl der Behandlungsfälle in einer Hausarztpraxis – je nach Ort und Lage – auf etwa 830 pro Quartal beziffert, spricht Jörg Riederer für seine Praxis von 2600 bis 2700 Fällen, die er und seine fünf Angestellten in einem Quartal betreuen.

Für das Klinikum und zugleich die MVZ Oberberg GmbH als Trägerin des neuen Zentrums betont der gemeinsame Geschäftsführer Sascha Klein: „Unser hausärztliches MVZ wird und soll bestehende Strukturen nicht ersetzen oder schwächen, sondern ergänzen und gezielt dort ansetzen, wo bereits heute absehbar ist, dass Versorgungsengpässe entstehen werden.“ Die Einrichtung ziele auf eine nachhaltige Absicherung der ambulanten Versorgung ab, „insbesondere auch für Patientinnen und Patienten, die bereits Schwierigkeiten haben, einen Hausarzttermin zu erhalten“.

Ebenso versichert Klein, er nehme die Einwände von Jörg Riederer sehr ernst: „Sollte es hier zu Missverständnissen oder Kommunikationsversäumnissen gekommen sein, bedauern wir das und stehen für Gespräche jederzeit zur Verfügung.“

Zwei bis drei Ärztinnen und Ärzte sollen in Waldbröl in das neue Zentrum einziehen

Einziehen sollen zwei bis drei Ärztinnen und Ärzte unter der Leitung eines Allgemeinmediziners in einen Anbau am Kreiskrankenhaus und in Räume, die bisher die Verwaltung nutzt. Diese würden umgebaut und verfügten bereits über einen eigenen Zugang, so dass Patientinnen und Patienten nicht durchs Krankenhaus laufen müssen. Für Menschen mit Einschränkungen sei dieser ebenfalls geeignet. Für das Vorhaben möchten Kreis und Klinikum Fördermittel beantragen bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

Dass dies für den Standort Waldbröl möglich ist, zumal die Stadt in einem Fördergebiet liege, bestätigt in Düsseldorf Sprecher Christopher Schneider auf Anfrage dieser Zeitung und beziffert die Höchstsumme für einen Hausarztsitz auf rund 70.000 Euro. Wie die Vereinigung das Waldbröler Vorhaben bewertet und ob sie diesem positiv gegenüberstehe, lässt Schneider indes offen.

Unterdessen sorgt sich dort Jörg Riederer um die Wirtschaftlichkeit und den Verkaufswert seiner Praxis, sollten ihm „Kreis und Klinikum die Konkurrenz durch ein MVZ vor die Nase setzen“. Bei Ralf Schmallenbach, Gesundheitsdezernent des Kreises, stößt Riederer auf Unverständnis: „In Anbetracht von 9,5 offenen Hausarztsitzen im Kreissüden würde mich dies sehr wundern“, urteilt Schmallenbach. „Ich halte es sogar für ausgeschlossen.“ Vor bald zwei Jahren hat Riederer seinen früheren Standort im Stadtzentrum verlassen, weil dieser – zum Beispiel in Sachen Technik – nicht mehr den Anforderungen genügen konnte.


Arzt aus Waldbröl bietet Ausbildungskooperation an

Auch als Ausbildungsbetrieb sähe Jörg Riederer seine Praxis gern – und das auch gern in Kooperation mit dem Klinikum Oberberg. „Bei uns könnten sich junge Assistenzärztinnen und Assistenzärzte aus dem Krankenhaus zu Allgemeinmedizinern weiterbilden, wenn sie später doch nicht in einem Klinikbetrieb arbeiten wollen“, führt der 61-Jährige aus. Gerade junge Eltern, ergänzt er, könnten sehr gut in eine Gemeinschaftspraxis mit Schichtbetrieb eingebunden werden.

Damit stößt er bei Sascha Klein, Geschäftsführer des Klinikums und der MVZ-Trägergesellschaft durchaus auf offene Ohren: „Seit Jahren existiert ein allgemeinmedizinscher Weiterbildungsverbund zwischen dem Klinikum Oberberg und dem niedergelassenen Bereich“, sagt er und bedauert: „In der Vergangenheit wurden leider wenige Weiterbildungsassistenten für die Region gewonnen.“ Das soll sich insbesondere durch das Engagement der MVZ Oberberg GmbH ändern.