Wie es ist, „Christkind“ zu sein„Kinder lassen uns in ihre Seele gucken“

Lesezeit 3 Minuten
Birgit Müller arbeitet seit 32 Jahren als „Aushilfschristkind“ im Postamt in Engelskirchen. Sie beantwortet Wunsch-Briefe von Kindern aus 50 Ländern.

Birgit Müller arbeitet seit 32 Jahren als „Aushilfschristkind“ im Postamt in Engelskirchen. Sie beantwortet Wunsch-Briefe von Kindern aus 50 Ländern.

Seit 1990 arbeitet Birgit Müller im Christkind-Postamt in Engelskirchen. Sie erzählt, welche Briefe sie besonders berühren und welche Wünsche in diesem Jahr ganz hoch im Kurs sind.

„Als ich meinen eigenen Kindern erzählt habe, dass ich jetzt beim Christkind in der Post arbeite, waren die total aus dem Häuschen  – damals, das war 1990, waren die noch klein und haben noch an das Christkind geglaubt. Seit diesem Jahr helfe ich immer von Mitte November bis Weihnachten im Postamt Engelskirchen. Wir beantworten Briefe aus 50 Ländern, die Kinder ans Christkind geschrieben haben. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 130.000 Briefe mit Wünschen!

Zum Christkind-Job bin ich über meinen Mann gekommen, der arbeitete damals in Engelskirchen im Postamt. Abends kam er heim und erzählte, es sei ein Brief gekommen, der an das Christkind adressiert war. Er hat ihn dann geöffnet und mit den Kollegen geantwortet. Und dann kamen immer mehr Briefe, so viele, dass bei der Post Mitarbeiter eigens dafür abgestellt werden mussten. Anfangs nur für ein paar Stunden, heute sind wir hier in Engelskirchen 17 Leute, die sich darum kümmern, dass Kinder, die dem Christkind ihre Wünsche schicken, auch Antwort bekommen.

Es gibt wunderschön gestaltete Vordrucke, auf denen wichtige, drängende Fragen ans Christkind beantwortet sind, aber wir antworten natürlich auch individuell, wenn es sonst nicht zu den Briefen und Fragen der Kleinen passt. In diesem Jahr haben wir außerdem einen Extra-Christkind-Stempel für den Briefumschlag: Der zeigt ein Engelchen mit Wunschzettel-Briefen.

Über die 32 Jahre merke ich: Natürlich wünschen sich die Kinder Spielzeug, aber die immateriellen Wünsche nehmen ganz klar zu, haben immer mehr Vorrang. Da ist das Kind, das sich mehr Zeit mit Mama und Papa zum Spielen wünscht, ein Mädchen wünschte sich eine beste Freundin, ein anderes Kind, dass Opa wieder gesund wird. Und Frieden wünschen sich auch viele Kinder und dass alle Kinder auf der Welt genug zu essen haben. In diesem Jahr haben sich schon total viele Briefeschreiber Schnee gewünscht – weil sie Schlittenfahren wollen und Eislaufen.

An der Art der Wünsche merke ich, dass die Kinder total weltoffen sind, dass sie mitbekommen, was um sie herum so los ist und dass sie sich viele Gedanken machen: Viele wünschen sich zum Beispiel auch eine Welt ohne Plastik und dass der Klimawandel gestoppt wird. In diesem Jahr, und wir arbeiten ja erst seit wenigen Tagen, kam ein Brief von Antonia mit einer besonderen Frage: Sie hätte gern einen Faktencheck und möchte wissen, wie das mit der Entstehung des Menschen war und wer recht hat: die Bibel oder die Wissenschaft.

Was ich daran so mag: Was die Kinder dem Christkind schreiben, ist immer so echt, denen wird da nichts diktiert - die lassen uns in ihre Seele gucken: Und da gibt es dann schöne Dinge, traurige, aber auch lustige.

Manche Kinder versuchen, ihren Wünschen mit kleinen „Bestechungsversuchen“ mehr Wucht zu geben. Sie legen Tütchen mit Gummibärchen bei oder einen Beutel Tee – aber das Christkind muss ja gar nicht bestochen werden, weil es für alle Kinder da ist.“

Haben Sie auch etwas absolut Außergewöhnliches zu erzählen? Ein Hobby, das sonst keiner hat? Etwas, auf das Sie jeden Tag angesprochen werden oder etwas, das Ihr Leben auf den Kopf gestellt hat? Dann schreiben Sie uns mit dem Betreff „Wie es ist“ eine E-Mail an leserforum@kstamedien.de.

KStA abonnieren