Vor 50 JahrenBei der Premierenfahrt der oberbergischen Postkutsche schlugen Räuber zu

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Prominenz von nah und fern kam zur ersten Tour der neuen Touristenattraktion ins Homburger Ländchen.

Prominenz von nah und fern kam zur ersten Tour der neuen Touristenattraktion ins Homburger Ländchen.

Vor 50 Jahren überfiel eine Räuberbande für einen guten Zweck die Premierenfahrt der Postkutsche von Wiehl nach Nümbrecht.

Es war ein buntes Spektakel, geprägt durch einen Mix aus Fröhlichkeit und Nostalgie, der am 17. April 1973 die Premierenfahrt der historischen Postkutsche von Nümbrecht nach Wiehl durch das Homburger Ländchen begleitete. In der damaligen Zeitungsausgabe wurde der Tag gar mit dem Rosenmontag verglichen (siehe unten „Vor 50 Jahren“), Nümbrechts damaliger Bürgermeister Walter Peitgen erklärte: „Dieser Tag ist ein Meilenstein in der Entwicklung des Oberbergischen Landes.“

Die neue alte Kutsche entstand in einer Ründerother Firma

So ganz historisch war die Postkutsche dann allerdings nicht. Sie war ein Nachbau einer kaiserlichen Postkutsche, wie sie 1871 über die Straßen rumpelten, hatte neun Sitze und entstand in Ründeroth bei der Firma Wagenbau Müller. Die preußische Uniform ließ Postillon Friedhelm Stöcker sich in Dortmund anfertigen. Stöcker war von Anfang an in das Projekt eingebunden gewesen. 1973 war er Gastwirt des Sonnenhofs in Nümbrecht und begeistert von der Idee, den Tourismus auf ungewöhnliche Art anzuschieben.

Es glückte. Die Premierenfahrt wird in den Zeitungsberichten als großes Fest geschildert, zu dem Massen an Zuschauerinnen und Zuschauern strömten. Der strahlend gelbe Wagen, die zwei imposanten Pferde und auf dem Kutschbock der Postillion mit Federhut und Posthorn – das war schon ein beeindruckender Anblick. Darum war neben den Schaulustigen auch viel Prominenz aus der Kommunalpolitik, von der Oberpostdirektion und aus den Vereinen vor Ort.

Dieser Tag ist ein Meilenstein in der Entwicklung des Oberbergischen Landes.
Bürgermeister Walter Peitgen

Auch das Radio berichtete. Am Morgen des Premierentages hatte der WDR in seiner Morgensendung vom „Meilenstein“ berichtet und Stöcker interviewt. Nach dem offiziellen Teil stieß der Postillion dann ins Horn und zockelte mit einigen Ehrengäste gemütlich los in Richtung Schloss Homburg. Am Schloss ertönten laute Klänge: Die Bläser des Hegerings Nümbrecht stießen ebenfalls ins Horn.

Und dann gab’s doch tatsächlich noch eine Schrecksekunde. Kurz vor der Holsteinsmühle suchten finstere Räuber die Gäste der Kutsche heim. 14 schwer bewaffnete und maskierte Gesellen stürzten aus dem Wald, um die Fahrgäste auszurauben. Denen verging zunächst Hören und Sehen, denn die Bösewichte schwangen Säbel und Vorderlader und brachten die Gäste als Gefangene in die Holsteinsmühle.

Kinder inszenierten einen Raubzug auf die Kutsche

Dort forderten sie Tribut, sammelten 400 Mark ein – und entpuppten sich als übermütige Kegelbrüder, die ihren Streich vorab mit Friedhelm Stöcker abgesprochen hatten. Die Kegler rundeten die Summe, die sie den Bürgermeistern Walter Peitgen und Ernst Hardt übergaben, auf 500 Mark auf, damit diese sie für soziale Zwecke verwenden. Und es sollte nicht der einzige Überfall bleiben. Bei Stockheim hatte sich eine Kindergruppe postiert und inszenierte ebenfalls einen kleinen Raubzug. Viel Gesprächsstoff hatten die Fahrgäste so allemal.

Den letzten Teil der Strecke begleiteten dann Mitglieder des Reitvereins Oberberg Süd bis zum Wiehler Rathaus, dort hießen ebenfalls zahlreiche Menschen die Kutsche willkommen. Landrat Hans Wichelhaus zeigte sich angetan von der guten Federung der Kutsche und erinnerte, bezugnehmend auf das „Zockeltempo der Pferde“ an „Zeiten, als man noch Zeit hatte.“ Er empfand die Postkutschenlinie als eine „Einrichtung von bleibendem Wert“, die sie ja auch war. Denn bis 2018 rollte die Kutsche durch das Homburger Land. Friedhelm Stöcker hatte den Kutschbock da allerdings schon verlassen, Postillonin Sabine Pabusch-Utke hatte übernommen. Seit 2020 ist die Kutsche im Berzbacher Technik- und Bauernmuseum als Teil der Exponate in Much zu sehen.

Postillion Friedhelm Stöcker bekam übrigens zwei Tage nach der Premierenfahrt der Kutsche noch ein ganz spezielles Geschenk. Josef Teklote, damaliger Geschäftsführer der oberbergischen Kreisgruppe des Deutschen Jagdschutzverbandes, überreichte ihm ein Jagdhorn, nachdem das Horn des Premierentages nicht die gewünschten klaren Signaltöne von sich gegeben hatte.


Vor 50 Jahren

...war die Postkutsche Thema in der Zeitung: „Es war so ein bißchen Rosenmontag in Nümbrecht und Wiehl: Viel Volk auf den Straßen, Musik, Fahnen Prominenz und gute Laune. Und der Beifall, der da mit dem kalten Wind rauschte, galt einem ehrwürdigen Ereignis: die Eröffnung der historischen Postkutschenlinie Nümbrecht – Wiehl. Als Postillion Friedhelm Stöcker aus Geringhausen die ersten Signaltöne aus seinem Horn quetschte, war neben dem Gelächter manch sehnsuchtsvoller Seufzer nach alten Tagen zu vernehmen.“

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