Durch seine schwere und nicht steuerbare Erkrankung seien weitere schwere Straftaten zu erwarten, gab die Kammervorsitzende zu bedenken.
Urteil gefallenEinbrecher missbrauchte Zwölfjährige in Wiehl – Unterbringung in Psychiatrie

Der Angeklagte neben Rechtsanwalt René Gülpen.
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Am Ende des sechstägigen Prozesses am Bonner Landgericht blieb den Richtern der 8. Großen Strafkammer nur ein Urteil: Der 21-jährige Angeklagte muss in eine psychiatrische Klinik untergebracht werden. Zu gefährlich, zu verrückt, zu zerstörerisch waren die Verbrechen, die der psychisch und drogenkranke Einbrecher in der Nacht zum 20. August 2024 in Wiehl begangen hat. Für die „immense Zerstörungskraft“ könne der junge Mann auf der Anklagebank allerdings nichts, wie die Kammervorsitzende Anja Johansson während der Urteilsbegründung wiederholt betonte.
Seine Mutter war Alkoholikerin, als sie ihn auf die Welt brachte: als neun Monate alter Säugling wurde der Angeklagte zur Adoption freigegeben und kam in eine Pflegefamilie. Die Folgen der alkoholischen Vergiftung im Mutterleib waren jedoch folgenschwer, sodass er schon früh in die Jugendpsychiatrie kam.
Gutachter: „Psychosoziale Störung“ des Angeklagten ist immens
Die „psychosoziale Störung“ sei immens, so der Gutachter im Prozess. Der Angeklagte könne weder seine Handlungen noch seine Emotionen und bedrohlichen Gewaltausbrüche kontrollieren. Ärzte nennen dies „Impuls-Kontroll-Störung“. Auch seine Steuerungsfähigkeit sei wesentlich vermindert bis aufgehoben. Für all das, was in der Wiehler Tatnacht geschehen ist, kann der 21-Jährige wegen seiner Erkrankung nicht zur Verantwortung gezogen werden. An die Serie von Einbruchsdiebstahl, Diebstahl mit Waffen sowie den sexuellen Missbrauch eines Kindes kann er sich nicht erinnern. So hat es die Jugendkammer im Urteil festgestellt.
Auf den Weg gemacht hatte sich der 21-Jährige, der damals bei einer Friedhofsgärtnerei arbeitete, in den frühen Morgenstunden des 20. August, weil er Geld für seinen Drogenkonsum brauchte. Unter Drogen- und Alkoholeinfluss stieg er gegen 3.30 Uhr maskiert in die Wohnung einer vierköpfigen Familie in Wiehl ein, die tief schlief. Er fand Bargeld in Höhe von 840 Euro, sammelte ungestört Dessous und ein Handy ein – bis eine der beiden Töchter wach wurde, weil sie Schritte gehört hatte. Als die Zwölfjährige nachschaute, sah sie den Fremden mit einem Butterflymesser in der Hand, stürmte zurück ins Kinderzimmer und suchte Schutz unter der Bettdecke der älteren Schwester (14).
Beide Mädchen versuchten, die schlafenden Eltern per Handy zu warnen. Aber das Telefon hatte der Dieb bereits kassiert. Dieser näherte sich im Dunkeln dem Bett der Kinder und missbrauchte die Jüngste. Erst als die Mutter die Verwüstungen im Flur bemerkte, den Täter im Kinderzimmer entdeckte und schrie, flüchtete dieser. Die Tasche mit der Beute ließ er, bis auf das Bargeld, stehen.
Wiehl: Keine 150 Meter weiter folgte der nächste Einbruch
Keine fünf Minuten später und keine 150 Meter weiter setzte der Angeklagte seine Diebestour ungerührt fort: Er stieg in das nächste Objekt ein, durchsuchte zwei Geschosse und lud große Elektronikgeräte in ein Auto. Eine Achtjährige, die auf der Couch schlief, entdeckte er nicht. Anschließend verließ er die Wohnung mit zahlreichen Schlüsseln, ließ das vollgeladene Auto stehen, da er gar kein Auto fahren kann, knackte eine Garage in der Nachbarschaft, aus der er einen Motorroller stahl und fuhr mit diesem davon. Der längst alarmierten Polizei, die den Einbrecher vom ersten Tatort suchte, fuhr er in die Arme und ließ sich widerstandslos festnehmen.
Im Bonner Prozess wurden die beiden Schwestern aus Wiehl unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeuginnen gehört. Seit der Tatnacht seien die Gefühle der Geborgenheit und des Schutzes zerstört. Die Zwölfjährige hatte unter anderem von ihren Ängsten, Schlafstörungen und Alpträumen berichtet sowie von der Unmöglichkeit, allein zur Schule zu gehen. An der Glaubwürdigkeit der Kinder gebe es laut der Kammervorsitzenden Anja Johansson keinerlei Zweifel. Der junge Angeklagte sei für seine Mitmenschen zu gefährlich.
Durch seine schwere und nicht steuerbare Erkrankung seien weitere schwere Straftaten zu erwarten. Es sei nicht auszudenken, was in der Nacht noch hätte passieren können, wenn der Einbrecher mit dem Butterflymesser in der Hand komplett die Kontrolle verloren hätte, gab die Kammervorsitzende zu bedenken.
So wurde der Angeklagte – direkt nach dem Urteil – einstweilig in eine psychiatrische Klinik untergebracht. Die acht Monate Untersuchungshaft seit Ende August hatte er in der JVA Heinsberg abgesessen.