Charme von WipperfürthMit Leitfaden, Satzung und Bebauungsplan das Ortsbild retten

Die „Donnerkuhle“ um das Jahr 1900.
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Wipperfürth – Früher hieß es „Hotel Ritter“, heute „Augenoptik Kleinhans“. Das imposante Haus an der Ecke Untere Straße/Marktplatz sieht noch fast genauso aus wie vor gut 100 Jahren: Die charakteristische Außentreppe, die Fenster und das Krüppelwalmdach sind nahezu unverändert geblieben.

... und so sieht das Gebäude heute aus.
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Ganz anders sieht es rund 30 Meter weiter aus, im heutigen Domizil der Deutschen Bank. In dem 1795 errichteten Haus war einst die legendäre Kneipe „Donnerkuhle“ zu Hause. Doch wer alte und neue Fotos vergleicht, erkennt das Gebäude kaum wieder.
Verfahren in drei Schritten
Die „Donnerkuhle“ ist kein Einzelschicksal. Rund 65 Prozent der alten Häuser in der Wipperfürther Innenstadt wurden immer wieder umgebaut, so dass das Original oft nur noch zu erahnen ist. Dagegen sind nur 15 Prozent des Altbaubestandes weitgehend original erhalten. Dazu kommen einzelne Gebäude aus der Gründerzeit – etwa das ehemalige Café Schulte –, Häuser aus den 1920er- und 30er-Jahren, sowie verschiedene Nachkriegsbauten wie das Wipperfürther Rathaus.
Wie lässt sich das Wipperfürther Ortsbild als gewachsenes Erscheinungsbild für die Zukunft bewahren? Wie kann man verhindern, dass noch mehr Altbauten dem Bagger zum Opfer fallen? Stadtverwaltung und Politik streben dazu ein Verfahren in drei Schritten an. Aus einem Gestaltungsleitfaden, der einen empfehlenden Charakter hat, soll eine verbindliche Gestaltungssatzung entwickelt werden, die dann schließlich in einen rechtskräftigen Bebauungsplan mündet. Im Stadtentwicklungsausschuss stellten Mehmet Celik und Bernd Niedermeier vom Planungsbüro MWM aus Aachen jetzt die ersten Schritte vor.
Hilfe vom Heimat- und Geschichtsverein
Zunächst wurden 203 Häuser im Stadtkern – also der Hochstraße, der Unteren Straße, dem Marktplatz, der Marktstraße, der Klosterstraße sowie einige angrenzenden Straßen – erfasst und analysiert: Welche Dachformen haben die Häuser, wie ist die Fassade gestaltet, aus welchem Material bestehen die Fenster? Das Fazit: Es gibt zwar keine einheitliche, schützenswerte, weitflächig erhaltene Bausubstanz und kein einheitliches Bild, aber viele gemeinsame, ortstypische Gestaltungselemente. Das Planungsbüro MWM konnte auf die Hilfe von Erich Kahl, dem Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins, zurückgreifen.
2017 führte die Stadt mit rund 20 Teilnehmern eine Bürgerwerkstatt zum Gestaltungsleitfaden durch, dabei wurden verschiedene Wünsche gesammelt etwa zur Außengastronomie und zu den Werbeflächen. Sie sollen mit in die künftige Gestaltungssatzung einfließen. Diese Satzung macht unter anderem Vorgaben zu Fassadenmaterialien und Farbgebung, so dass sich diese möglichst gut in die Umgebung einfügt. Glänzende Oberflächen sollen ausgeschlossen werden.
Ein wichtiges Thema sind die Werbeanlagen. Der Leitfaden wirbt für Zurückhaltung, empfiehlt nur einen Schriftzug pro Gewerbeeinheit, der entweder auf transparenten Schildern angebracht wird oder aus Einzelbuchstaben besteht. In der Gestaltungssatzung können strengere konkrete Vorgaben gemacht werden – allerdings gilt für bestehende Anlagen ein Bestandsschutz. Für Diskussionen dürfte noch die Frage sorgen, ob und in welcher Form Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Altstadt erlaubt sein sollen.
Das Fazit des Planungsbüros: Wipperfürth erfülle alle Voraussetzungen für ein schützenswertes Ortsbild, das bisherige Instrumentarium reiche dafür aber nicht aus. In der Vergangenheit seien dadurch bereit einige Fehler passiert.
Bürger sollen umfassend informiert werden
In der nächsten Ausschusssitzung, am 25. September sollen die vollständigen Entwürfe für Gestaltungsleitfaden und -satzung vorgestellt werden, sowie ein Vorentwurf des Bebauungsplans. Im nächsten Schritt sollen die Bürger der Stadt umfassend informiert werden, beim B-Plan sind eine formelle, frühzeitige Beteiligung und und eine Offenlage gesetzlich vorgeschrieben. Ende Mai 2020, so der Zeitplan, könnte das Vorhaben dann in kraft treten.
Stephan Hammer, Leiter Bauen, Planen und Umwelt bei der Stadt Wipperfürth, wies darauf hin, dass Hausbesitzer für die Umgestaltung im Sinn der Satzung Fördermittel beantragen können.
„Wir haben uns fast 800 Jahre Zeit genommen für ein Instrument“, sagte Frank Mederlet (SPD). Für die neuen Maßnahmen brauche man eine breite öffentliche Akzeptanz. Christoph Goller (Grüne) riet dazu, die Eigentümer der Häuser in der Innenstadt persönlich anzusprechen.