Made in OberbergDas Radium-Lampenwerk Wipperfürth steht vor einem Umbruch

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Das Foto zeigt eine Mitarbeiterin der Firma Radium in der Produktion

Bei der Herstellung von Lampen ist Präzision gefordert

Das Radium-Lampenwerk prägt bis heute die Geschichte der Stadt Wipperfürth. Statt Massenware setzt man bei Radium heute vor allem auf Spezialprodukte.

Eine Fabrik mitten in der Stadt – in Deutschland heute eine große Ausnahme. Die Radium Lampenwerk GmbH, gegründet 1904 (siehe Chronik) ist eine solche Ausnahme. „Die Stadt Wipperfürth ist um die Fabrik herum gewachsen“, erklärt Radium-Geschäftsführer Jörn Krieger.

Gebäude wie der hohe Schornstein, der nur noch als Antennenstandort dient, und das Lichthaus prägen das Stadtbild. Der Lampenhersteller — „Lampen“ ist die Bezeichnung für Leuchtmittel — feiert kommendes Jahr seinen 120. Geburtstag. Viele Jahrzehnte lang war Radium Wipperfürths größter Arbeitgeber. Doch die Lampenproduktion verlagert sich immer stärker in Niedriglohnländer, vor allem nach China.

Seit 2020 ist das Wipperfürther Unternehmen wieder eigenständig

2015 gab der Mutterkonzern Osram die Aufspaltung bekannt, 2016 verkauften die Münchner die Lampensparte unter dem Namen „Ledvance“ an ein chinesisches Konsortium. Seit dem 1. Oktober 2020 ist Radium wieder selbstständig. Neuer Eigentümer ist die Investmentfirma ASC mit Sitz in Luxemburg und München. „Entscheidend dafür waren das hohe Know-how und die langjährige Erfahrung von Radium“, sagt Krieger.

Stark verändert hat sich auch die Produktpalette der Wipperfürther. Stromfressende Halogenlampen dürfen aufgrund einer EU-Verordnung nicht mehr hergestellt werden, der Handel damit bleibt erlaubt. Verboten sind auch Leuchtstofflampen, die giftiges Quecksilber enthalten. Für Radium hat das massive Auswirkungen.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden nach Firmenangaben drei Millionen Halogenlampen verkauft, ein Jahr zuvor waren es noch neun Millionen. „Gegenüber dem Vorjahr ist unser Umsatz dennoch gewachsen, auf zuletzt 31 Millionen Euro“, freuen sich die Radium-Geschäftsführer Jörn Krieger und Markus Gosse.

Hohe Energiekosten sind ein Problem

Ein Problem sind die hohen Energiekosten. Die Glaskörper, Ausgangsmaterial für die Lampen, kommen mittlerweile aus China. Von einem russischen Glaslieferanten habe man sich 2022 getrennt, sagen die Radium-Chefs.

Statt aufs Massengeschäft konzentrieren sich die Wipperfürther in der Produktion auf Bereiche, in denen Erfahrung und Spezialwissen gefragt sind. Dazu zählen etwa Entladungslampen, wie sie in Sportstadien, in Häfen oder auf Großparkplätzen zum Einsatz kommen — überall dort, wo sehr große Lichtmengen gebraucht werden. Bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien waren acht der zehn Stadien mit Radium-Lampen ausgerüstet. Sportarenen werden allerdings zunehmend auf LED umgerüstet.

Wir haben richtige Radium-Familien, wo bereits die Eltern und Großeltern bei uns gearbeitet haben
Jörn Krieger, Radium-Geschäftsführer

Neonröhren sind nach wie vor ein wichtiges Geschäftsfeld. Radium stellt außerdem farbbrillante Lampen für Fernsehstudios her, sowie Speziallampen, die besonders hartes UV-Licht erzeugen und zur Entkeimung genutzt werden, außerdem Infrarotlampen, die als Wärmequelle in der Industrie zum Einsatz kommen.

In Hochzeiten beschäftigte Radium rund 1600 Mitarbeiter, aktuell sind es noch rund 180, größtenteils Facharbeiter. Dafür sind diese Beschäftigten im Schnitt seit 29 Jahren bei Radium an Bord. „Wir haben richtige Radium-Familien, wo bereits die Eltern und Großeltern bei uns gearbeitet haben“, erklärt Krieger. Das Verhältnis zum Betriebsrat sei ausgezeichnet, „wir rudern miteinander in die gleiche Richtung“, sagt der Geschäftsführer.

Klar ist aber, dass sich Radium weiter verändern wird. Noch ist das Traditionsunternehmen ein Industriebetrieb mit einer hoch spezialisierten Produktionsstätte. Doch die Firma soll zunehmend zu einem Handelsunternehmen umgebaut werden, das Lampen nicht mehr herstellt, sondern sie vertreibt. Das zeigt sich bereits in der Ausbildung bei Radium. „Wir bilden nur noch im kaufmännischen Bereich aus“, sagt Geschäftsführer Markus Gosse. Außerdem suche man neue kaufmännische Mitarbeiter. Radium biete attraktive Arbeitsplätze und gute Entwicklungsmöglichkeiten, auch international. „Wir beliefern die Welt, in über 80 Länder“, sagt Gosse. Geschäftspartner gebe es unter anderem in den USA, in Singapur, Australien und in Südamerika.


Chronik der Firma Radium

1904: Gründung der Berrenberg Elektricitäts-Werke, die noch im gleichen Jahr in Radium-Elektrizitäts-Gesellschaft umbenannt wird. 1926: Radium stellt die erste Doppelwendellampe her, das Werk wird erweitert. 1966: Nach dem Tod von Radium-Mitinhaberin Antonie Kersting gehen ihre Firmenanteile auf die neu gegründete EWK-Stiftung über. 1972: Bei den Olympischen Spielen in München werden alle Sportstätten mit Radium-Lampen bestückt. 1988: Osram wird alleiniger Gesellschafter von Radium 2015: Osram spaltet die Lampensparte ab, 2016 wird ein chinesisches Konsortium neuer Eigentümer. 2020: Die ASC Lightning wird neuer Radium-Eigentümer.


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