Interview mit True-Crime-AutorAnselm Weyer erzählt in Wipperfürth von Köln als „Chicago am Rhein“

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Männer auf der Hohenzollernbrücke 1928

Hohenzollernbrücke 1928: Die Brüder Heitger fanden 1928 in der rheinischen Metropole erst Unterschlupf nach ihren Überfällen und schließlich ihr Ende.

Es ist ein unglaubliche, aber wahre Gangstergeschichte, von der Anselm Weyer in seinem Buch über „die ruchlosen Brüder Heitger“ berichtet. Wie kam er auf das Thema?

Als Gast des Fördervereins der Bibliothek Wipperfürth liest Anselm Weyer am 15. Dezember aus seinen True-Crime-Büchern. Reiner Thies sprach mit dem Journalisten und Autor über Dichtung und Wahrheit.

Ihr Buch „Die Insel der Seligen“ basiert auf der Serie „Babylon Köln“, die in der Kölnischen Rundschau erscheint. Der Serientitel ist eine Anspielung auf die Verfilmung der Berlin-Romane von Volker Kutscher, der aus Wipperfürth stammt und dort als Redakteur gearbeitet hat. Wie kam es zu der Serie?

Anselm Weyer: Ich bin von der Kölner Lokalredaktion 2020 angesprochen worden, ob ich nicht eine Reihe über Kriminalfälle aus der 1920er und 30er Jahren machen möchte. Inzwischen sind mehr als 20 Beiträge erschienen, und es ist noch viel Material übrig. 2021 bot mir der Greven-Verlag an, daraus ein True-Crime-Buch zu machen. So konnte ich die Geschichten ausführlicher erzählen. Der Platz ist der Zeitung ist ja sehr begrenzt. Ich bin aber weiterhin bei den Fakten und eng an den Quellen geblieben. Zugleich sollte die Sprache anschaulich sein, ich wollte nicht die Augen vor dem literarischen Potenzial verschließen.

Kölner Autor bleibt bei der Wahrheit

Wieviel Freiheit nehmen Sie sich als Autor?

Ich schreibe die Geschichte, wie ich sie in den Quellen finde. Diese Überlieferung ist nicht immer einheitlich, vielleicht wurde in manchem alten Zeitungsbericht auch etwas hinzuerfunden. Da wähle ich aus, was der Geschichte dient. Es soll ja ein unterhaltsames Buch werden. Grundsätzlich erlaube ich mir aber nur ein paar stilistische Kleinigkeiten.

Anselm Weyer

Der Autor Anselm Weyer.

Zum Buch „Wie die ruchlosen Brüder Heitger und ihre Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen“: Wie sind sie auf diese irre Story gestoßen?

Mir war zunächst nur eine kleine Zeitungsnotiz aus dem Jahre 1933 aufgefallen, in der von der Schießerei in der Kölner Innenstadt und der Straßenbahnentführung die Rede war. Bei der weiteren Recherche hat die Geschichte ein Eigenleben entwickelt. Schließlich hat sie den Rahmen der „Babylon Köln“-Reihe gesprengt, und es ist ein eigenes Buch geworden. Die Ereignisse waren wirklich spektakulär. Wenn das in Amerika passiert wäre, hätte Hollywood längst mehrere Filme darüber gedreht.

Kölner Zeitungen waren wichtigste Quelle

Wie gehen Sie bei der Recherche von historischen Kriminalfällen vor? Welche Rolle spielen dabei alte Zeitungen und Zeitungsdatenbanken?

Zeitungen sind von zentraler Bedeutung bei der Recherche, sie machen sicher 70 Prozent aus. Unter „zeitpunkt.nrw“ findet man ganze Jahrgänge. Aber auch im Landesarchiv und im Geheimen preußischen Staatsarchiv bin ich fündig geworden. Eine Frau hat mich nach Veröffentlichung des Heitger-Buchs auf neues Material zu einer hier beschriebenen Wirtshausschlägerei aufmerksam gemacht. Das ist einerseits interessant, andererseits natürlich auch ein bisschen ärgerlich. Jetzt hoffe ich, dass die erste Auflage bald vergriffen ist, damit ich nachbessern kann.

Was macht für Sie den besonderen Reiz des Genres aus?

Die Idee ist ja nicht neu, schon Kleist und Capote haben über wahre Kriminalfälle geschrieben. Solch eine Geschichte treibt von selbst zu ihrem Ziel. Bei der Geschichte der Brüder Heitger kommt hinzu, dass sie für unglaubwürdig gehalten würde, wenn sie nicht wirklich passiert wäre. Natürlich ist es manchmal auch frustrierend, wenn man etwas nicht in Erfahrung bringen konnte und nichts hinzudichten warf. Das Archivmaterial ist der Stein, aus dem man die Skulptur herausmeißelt.

Sie kommen auf Einladung des Bücherei-Fördervereins nach Wipperfürth. Sind Sie ein Freund von Bibliotheken?

Meine Bücher gibt es nur gedruckt und nicht als E-Book. Ich habe das Glück, das mein Verlag viel Wert auf die Gestaltung legt. „Die Insel der Seligen“ ist bei der Frankfurter Buchmesse als schönstes Regionalbuch 2023 ausgezeichnet worden. Und solche Bücher in einer Bibliothek versammelt zu sehen, hat eine besondere Atmosphäre. Ich finde es schön, wenn es in einer Stadt eine zentrale Bibliothek gibt und sie ein Ort des geselligen Zusammenseins ist.


Wipperfürther Förderverein lädt zu Lesung ein

Anselm Weyer kommt auf Einladung des Fördervereins der Stadtbibliothek Wipperfürth am Freitag, 15. Dezember, 19 Uhr, nach Wipperfürth und liest im Sitzungssaal des Rathauses, Marktplatz 1, aus seinen Büchern. Der Eintritt kostet sieben Euro, bis 18 Jahre frei. Im Anschluss lädt der Verein zu einem Umtrunk in die Stadtbibliothek ein. Es ist die erste Veranstaltung des im Februar 2023 gegründeten Förderkreises. Zu den rund 30 Mitgliedern gehört auch Volker Kutscher, gebürtiger Wipperfürther und Autor der Krimireihe, die Vorlage war für die „Babylon Berlin“-Serie. Der Jahresbeitrag für Mitglieder beträgt 12 Euro, mehr ist natürlich möglich. Neue Mitglieder und Spenden sind willkommen.

Der neue Förderverein will die Stadtbibliothek in mehrfacher Hinsicht bei ihrer Bildungsarbeit unterstützen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, sagt Vorsitzender Dr. Stefan Corssen: „Wir leisten finanzielle Hilfe, werben Spenden ein und unterstützen die Bibliothek in ihrer Außendarstellung und mit Veranstaltungen wie der Lesung mit Anselm Weyer.“ Anders als beispielsweise in den Engelskirchener Büchereien üblich stellt der Verein kein Aushilfspersonal für die Ausleihe zur Verfügung. Und er nimmt keinen Einfluss auf die Auswahl der Neuanschaffungen. 

www.foerdernwippbibliothek.de

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