Vor 100 Jahren feierte man in Wipperfürth die "Jahrtausendfeier der Rheinlande". Einer der Höhepunkte war ein großer Festzug.
Vor 100 JahrenAls Wipperfürth tausend Jahre Geschichte feierte

Eine Turnvorführung war nur einer der vielen Programmpunkte bei der Jahrtausendfeier der Rheinlande in Wipperfürth im September 1925.
Copyright: Emil Hardt; Stadtarchiv Wipperfürth (Sammlung Wiegardt)
Es war das Ereignis des Jahres: Am 20. September 1925, also vor 100 Jahren, feierte die Hansestadt „die Jahrtausendfeier des Kreises Wipperfürth“ mit einem großen Festzug und zwei Theateraufführungen. Die Feierlichkeiten sind gut dokumentiert, dank der Forschungen von Erich Kahl, dem Vorsitzenden des Wipperfürther Heimat- und Geschichtsvereins (HGV). Die Vereinszeitschrift, die „Wipperfürther Vierteljahresblätter“, widmet sich mit der Nummer 178 in einem ganzen Heft diesem Ereignis.
Der Wipperfürther Fotograf Emil Hardt (1877 bis 1945), dessen umfangreicher fotografischer Nachlass vom HGV digitalisiert wird, hat den Festzug dokumentiert. Zudem gibt es davon sogar einige Filmaufnahmen – dabei handelt sich um das älteste bislang bekannte Filmdokument aus Wipperfürth. Das erhaltene Programmheft erlaubt, den Ablauf der Feierlichkeiten nachzuvollziehen und die Absichten, die damit verbunden waren, zu hinterfragen.
Fotos und ein Film dokumentieren den Festzug
Das Fest begann mit getrennten Gottesdiensten in der katholischen und der evangelischen Kirche, gefolgt von gleich elf Promenadenkonzerten, verteilt über die ganze Stadt. Neben einheimischen Blasorchestern aus Hämmern, Thier, Kreuzberg, Egen und Dohrgaul waren auch Gastorchester vertreten, unter anderem aus Kürten und Rommersberg. Mittags formierten sich dann zwei Festzüge, die sich zum Zug durch die Innenstadt vereinten.
Ein historischer Zug umfasste unter anderem die Germanen, die Kreuzritter sowie eine Engelbertusgruppe, andere Teilnehmer stellten eine Bauernhochzeit und den großen Stadtbrand von 1795 dar, verschiedene Musikvereine und Reiter begleiteten den Zug. Im Zug der Vereine waren unter anderem sämtliche Gesangsvereine und viele Kapellen vertreten, aber auch die Turner und verschiedene Vereine aus der Umgebung – etwa aus Lindlar, Engelskirchen und Kürten. Wie die Fotos zeigen, waren zudem Wagen der unterschiedlichen Berufsgruppen dabei.

Verschiedene Berufsgruppen beteiligten sich beim Umzug durch die Wipperfürther Innenstadt.
Copyright: Emil Hardt; Stadtarchiv Wipperfürth (Sammlung Wiegardt)
Auf den Festzug, der von vielen Zuschauern gesäumt wurde, folgte noch ein Festakt. Der Turnverein stellte auf der Freilichtbühne auf dem Hohenstein – oberhalb der Gaulstraße – eine Turnvorführung dar. Im Anschluss wurde das patriotische Theaterstück „Herrn Engelberts Tod“ aufgeführt, verfasst von Agatha Vossebrecker aus Kreuzberg. Es erinnerte an die Ermordung des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg im Jahr 1225, also damals vor genau 700 Jahren. Wenig später fand eine zweite Aufführung in Engelskirchen statt.
Gerade dieses Theaterstück macht die Intentionen, die hinter der 1000-Jahr-Feier stehen, deutlich. Die Autorin beschwört eine glorreiche Vergangenheit, Engelbert wird als Identifikationsfigur zu einem „vaterländischen Helden“ glorifiziert, der sich gegen den „Erbfeind Frankreich“ stellt. Auch die Aufführung eines zweiten Theaterstücks, „Engelberts Tod“ von Wilhelm Rees, verfolgte eine ähnliche Absicht.

Das Deckblatt des Programmhefts mit einer Grafik von Karl Raffelsieper.
Copyright: Sammlung Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth
Erich Kahl hat die Intentionen der Feierlichkeiten kritisch hinterfragt. „Eine Jahrtausendfeier des Kreises Wipperfürth erscheint absurd, wenn man weiß, dass der Kreis gerade einmal 110 Jahre alt war“, schreibt er in den Vierteljahresblättern. Ähnliche Veranstaltungen fanden seinerzeit in Düsseldorf, Köln und Elberfeld statt. Das 1000-jährige Jubiläum bezog sich auf ein eher unbekanntes Ereignis. Im Jahr 925 hatten sich Adlige unter Führung der Bischöfe von Mainz, Trier und Köln dem ostfränkischen König Heinrich I. unterstellt und damit die bisherigen Verbindungen zu den Westfranken – dem späteren Frankreich – gelockert.
Die Stoßrichtung der Jahrtausendfeier 1925 war damit klar. Man stellte sich gegen Frankreich, auch, weil französische Truppen das Ruhrgebiet und Teile des Rheinlandes besetzt hielten. „Das nationale Pathos, mit dem das Jubiläum begangen wurde, war geeignet, das durch die Niederlage im Weltkrieg, die Friedensbedingungen, die Geldentwertung, das materielle Elend und die Demütigung der Besatzung erschütterte Selbstbewusstsein der Deutschen zu stärken und die Kränkung des Nationalstolzes und das Ressentiment gegenüber der Siegermacht Frankreich für die Entwicklung neuer Kräfte zu nutzen“, schreibt Kahl.
Dieser gekränkte Stolz und die nationale Überheblichkeit sollten sich wenige Jahre später rächen. Sie waren einer der Stränge, die Deutschland auf direktem Weg in die Katastrophe des Nationalsozialismus führen sollten. Einige Erinnerungsstückean die Feier sind noch bis zum 31. September im Foyer der Wipperfürther Geschäftsstelle der Kreissparkasse Köln am Marktplatz zu sehen. Der HGV Wipperfürth veranstaltet am Dienstag, 7. Oktober, 18 Uhr, in der Alten Drahtzieherei seine Jahreshauptversammlung. Ab circa 18.30 Uhr wird der Film aus dem Jahr 1925 gezeigt.