Nach dem Terroranschlag vom 7.10.2023 durch die Hamas liegt der Kibbuz Nir Oz immer noch in Trümmern. Der Kölner Roland Kaufhold war jetzt vor Ort.
Nach dem Hamas-TerrorGruppe aus Bergisch Gladbach und Köln hilft im Kibbuz Nir Oz

Die Gruppe aus Köln und Bergisch Gladbach hat gerade eine Wand im Kibbuz Nir Oz bemalt, Roland Kaufhold und Anna Sodki (vorne links), Petra Hemming (rechts außen)
Copyright: Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach-Nir Oz
Als die Hamas und der Palästinensisch Islamische Dschihad am Morgen des 7. Oktober 2023 den Kibbuz Nir Oz überfielen, verschanzten sich die Bewohner und Bewohnerinnen notdürftig in den Schutzräumen ihrer Häuser, so auch die Familie Kedem-Siman Tov. Die Eltern, Tamar und Jonathan „Johnny“, versuchten die Tür zuzuhalten. Sie war nicht schusssicher. Die Terroristen töteten sie mit ihren Gewehrsalven. Ihre drei Kinder Schachar, Arbel und Omer starben später durch den eindringenden Rauch. Die Hamas hatte das Haus angezündet. Es ist eine von vielen grausamen Geschichten, die Roland Kaufhold vor Ort erfahren hat. Der Mann aus Weidenpesch war gerade mit einer Gruppe anderer Kölner und Bergisch Gladbacher im Kibbuz, um bei dessen Wiederaufbau zu helfen.
Kibbuz nahe des Gaza-Streifens wurde verwüstet, ein Drittel der Bewohner starb oder wurde entführt
Bis zum 6. Oktober 2023 hatte der Kibbuz 450 Einwohner. Am Nachmittag des 7. Oktober waren es 120 weniger. Die Terroristen töteten an diesem Tag insgesamt 1.200 Menschen, auf dem Tanzfestival Supernova und in zahlreichen Kibbuzim nahe des Gaza-Streifens, ganze Familien wurden ausgelöscht. Andere wurden massakriert und verschleppt, Häuser in Brand gesetzt. „Sie drehten die Gashähne auf, um die Bewohner zu verbrennen“, erzählt Kaufhold. „Der Schock war deshalb so groß, weil keiner in Israel sich das vorstellen konnte. Es gab Unmengen von Warnungen. Die Armee kam Stunden zu spät. Sie hat völlig versagt.“ Der Kibbuz Nir Oz war besonders betroffen.

An den zerstörten Häusern des Kibbuz erinnern Bilder an die Opfer und Entführten.
Copyright: Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach-Nir Oz
Medial bekannt wurde das Schicksal der jungen Deutsch-Israelin Shiri Silberman-Bibas und ihrer beiden Söhne, dem vierjährigen Ariel, und dem neun Monate alten Kfir. Sie wurden aus Nir Oz nach Gaza verschleppt und dort ermordet. Shiris Eltern waren da bereits tot. Ehemann Yarden Bibas wurde im Februar dieses Jahres aus der Geiselhaft der Terroristen freigelassen.
Gruppe aus Köln und Bergisch Gladbach ist regelmäßig im Kibbuz und hilft beim Renovieren und der Gartenarbeit
Die Überlebenden des Massakers von Nir Oz wurden evakuiert. Zurück blieben Trümmer. Die Bergisch Gladbacherin Petra Hemming, die Israel seit ihrer Jugend eng verbunden ist und dort lebte, hat im Januar 2024 den Verein Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz gegründet, um den Kibbuz wieder aufzubauen, mit Spenden aber auch anpackend. Die Mitreisende Anna Sodki beschreibt, was das bedeutet: „Wir streichen, putzen, jäten Unkraut und schrauben, machen einfach alles das, was man uns sagt.“ Zentral sei vor allem die psychische Unterstützung. Bereits drei Mal reiste der Verein an. Im August, Oktober und Dezember werde er seinen Besuch wiederholen. Kontinuität sei wichtig, betonen Hemming und Sodki.

Gadi Moses, hier im Schwimmbad von Nir Oz, ermutigt die Menschen zum Wiederaufbau.
Copyright: Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach-Nir Oz
Die Reisen führen jedes Mal zu einem verstörenden Ort, in einen geisterhaft leeren Kibbuz, wo überall Bilder an die ermordeten und verschleppten ehemaligen Bewohner und Bewohnerinnen erinnern. Die Trümmerlandschaft der Häuser bilden im Frühjahr einen nahezu grotesken Gegensatz zu der prächtig um sie herum erblühenden Vegetation. Vor dem Terroranschlag sei gerade Nir Oz ein Paradies gewesen, erzählen Hemming und Kaufhold. Es war bekannt für den Kakteengarten von Oded Lifshitz.

Roland Kaufhold im Kibbuz Nir Oz, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas angegriffen wurde.
Copyright: Andrea Livnat
Der 83-Jährige hatte den 1955 gegründeten Kibbuz mit aufgebaut, war Journalist sowie Friedensaktivist und half dabei, für die Organisation „Road to Recovery“ palästinensische Kranke in israelische Krankenhäuser zu transportieren. Auch er wurde am 7. Oktober von der Hamas verschleppt und verstarb in der Geiselhaft. Die Geschehnisse sind von einer bösartigen Absurdität: Der Terroranschlag traf die Kibbuzim in der Nähe des Gazastreifens, die in den 50-er- und 60er-Jahren von linken Aktivisten aufgebaut wurden, welche Sympathien für die Palästinenser hegten und einen regen Austausch mit ihnen pflegten. „Nir Oz gehört zu dem linken Kibbuzverband“, erzählt Kaufhold. „Netanjahu hat dort bei Wahlen stets äußerst wenige Stimmen erhalten.“
Einer der Kibbuz-Begründer und Friedensanhänger steht schon wieder in den Startlöchern: Der 80 Jahre alte Gadi Moses wurde selbst erst im Februar aus der Geiselhaft der Hamas freigelassen und ermutigte nun die Gemeinschaft, den Kibbuz wieder aufzubauen. „Moses betont stets, dass man einen palästinensischen Staat braucht, mit dem man verhandeln kann, damit der Terrorismus nicht zunimmt“, sagt Hemming. Anna Sodki findet eines wichtig: „Die Menschen, die ihr Zuhause, ihre Freunde, ihre Familie verloren, haben immer noch die Kraft, zu differenzieren: Sie sind der Meinung, dass man die Terroristen bekämpfen muss, aber trotzdem Freunde im Gaza-Streifen haben kann.“