29-Jähriger erstochenHauptverdächtiger in Türkei gefasst – und wieder freigelassen

Der Tatverdächtige Ali T. wurde im zentraltürkischen Konya, wo Verwandte von ihm leben, von der Polizei festgenommen.
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- Im September 2012 wird ein 29-jähriger Mann in der Gladbacher Stationsstraße so schwer mit Messerstichen verletzt, dass er stirbt.
- Der Hauptverdächtige taucht in der Türkei unter, wird vor Kurzem festgenommen – und wieder freigelassen. Wie kann das sein?
Bergisch Gladbach/Konya – Im Fall des vor über sechs Jahren am S-Bahnhof Bergisch Gladbach erstochenen Manns gibt es eine überraschende Entwicklung: Wie türkische Medien berichteten, hat die Polizei im zentraltürkischen Konya den Hauptverdächtigen festgenommen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Köln ist er inzwischen aber wieder auf freiem Fuß.
Bei dem Verdächtigen handelt es sich um den 35-jährigen Ali T., geboren in Köln und türkischer Staatsangehöriger. An der Tat im September 2012 in der Stationsstraße sollen drei Männer beteiligt gewesen sein, das 29 Jahre alte Opfer Peter Maurer war ein Russlanddeutscher. Die Tat geschah zwischen vier Uhr und fünf Uhr nachts auf dem Bürgersteig vor einer Gaststätte. Der 29-Jährige wurde durch mehrere Messerstiche schwer verletzt. Er starb am Tag darauf im Krankenhaus.

Lange erinnerten Blumen und ein Foto des Opfers gegenüber der Bergisch Gladbacher S-Bahn an die Bluttat.
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Nach den Ermittlungen soll Ali T. die tödliche Messerattacke begangen haben, nach der Tat tauchte er unter und setzte sich offenbar in die Türkei ab. Seine beiden Mittäter, denen gefährliche Körperverletzung, aber keine Beteiligung an dem Tötungsdelikt vorgeworfen wurde, mussten sich im Februar 2014 vor dem Amtsgericht in Bensberg verantworten. Sie wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Ali T. dagegen wurde weiterhin über Interpol gesucht. Die Festnahme in Konya ging auf die internationale Fahndung zurück, wie die türkischen Medien berichteten. In Deutschland wurde die neue Entwicklung in dem Fall zunächst nur in der türkischsprachigen Gemeinschaft bekannt.
Flucht in die Türkei
In den vergangenen Jahren ist es in der Türkei immer wieder zu Prozessen um Straftaten in Deutschland gekommen. Das ist die direkte Folge des Abkommens zwischen Deutschland und der Türkei: Beide Staaten liefern ihre Staatsangehörigen nicht aus. Zwar fliehen Türken in ihre Heimat. Allerdings ist das nicht die Regel. In den meisten Fällen, so ein Bergisch Gladbacher Rechtsanwalt, würden die türkischen Straftäter eine Verurteilung in Deutschland vorziehen. Abschreckend wirken dabei insbesondere die schlechten Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen. Wie viele gesuchte Straftäter sich derzeit in der Türkei verstecken, ist nicht bekannt. Eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung an das Berliner Bundesinnenministerium blieb gestern unbeantwortet. (nie)
Nachdem deutsche Medien nichts über die Festnahme berichteten, meldete sich bei dieser Zeitung ein Anrufer, der die türkische Presse gelesen hatte. Über den Fall haben zahlreiche türkische Medien berichtet, von der auflagenstarken und konservativen Zeitung Hürriyet bis zu dem regierungskritischen Blatt Cumhuriyet, das eine deutlich kleinere Leserschaft anspricht. Die Inhalte der bereits Mitte Februar veröffentlichten Berichte stimmen weitgehend überein. Sie nennen den Tatverdächtigen mit vollem Namen, berichten knapp und sachlich über Tatvorwurf und Festnahme.
Verdächtiger war festgenommen worden
Die Nachfrage dieser Zeitung bei der Staatsanwaltschaft in Köln ergab weitere Informationen. Sie bestätigte zunächst die Festnahme des Verdächtigen. Darüber hinaus teilte sie mit, dass die türkischen Behörden entschieden hätten, ihn nicht auszuliefern – was durchaus Praxis sei, wenn es sich um einen türkischen Staatsbürger handele. Allerdings hätten die Behörden auch entschieden, Ali T. nicht zu verfolgen, und ihn wieder auf freien Fuß gesetzt. Warum die türkischen Behörden kein Verfahren gegen den Mann einleiteten, konnte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer nicht beantworten: „Das ist Sache der türkischen Justiz“, stellte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft fest.
Im theoretischen Fall eines Deutschen, der sich nach einem in der Türkei begangenen Totschlag nach Deutschland abgesetzt hätte, würden die deutschen Behörden ebenfalls die Auslieferung in die Türkei verweigern, so Bremer. Allerdings würde die deutsche Justiz gegen den Verdächtigen ein Verfahren einleiten.
In Bergisch Gladbach war der Tatort am S-Bahnhof lange Zeit eine Art Wallfahrtsstätte. Über Monate wurden dort immer wieder frische Blumen und Kerzen aufgestellt. Und bei einer Gedenkveranstaltung kamen über 100 Menschen zusammen, die sich fassungslos zeigten. Inzwischen erinnert nichts mehr an das Verbrechen.