Großer ZulaufBergisch Gladbachs Stadtarchiv öffnet Tür zu längst vergangenen Zeiten

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Auch früher wusste man fein zu speisen: Archivar Michael Krischak-Wareeyan mit einer historischen Speisekarte.

Auch früher wusste man fein zu speisen: Archivar Michael Krischak-Wareeyan mit einer historischen Speisekarte.

Schildkrötensuppe und Schinkenröllchen: Das Stadtarchiv präsentierte Kulinarisches der Vergangenheit.

„Am liebsten würde ich das Rezept gleich mal nachkochen“, strahlte eine junge Besucherin und fragte mit Blick auf ein vergilbtes Blatt Papier aus den späten 1890er Jahren: „Kann ich davon eine Kopie bekommen?“

Anlässlich des bundesweiten Tages der Archive am 2. März, in diesem Jahr unter dem Motto „Essen und Trinken“, öffnete auch das Bergisch Gladbacher Stadtarchiv am vergangenen Samstag seine Türen zu einer entsprechenden Ausstellung. Sie kann ab sofort zu den normalen Öffnungszeiten des Archivs besucht werden.

Blick in längst vergangene Zeiten

Verschiedene Fotos zeugen von „Tante Emma Läden“, Werbeanzeigen von diversen Gaststätten, die ihre Pforten schon lange wieder für immer geschlossen haben. Das „Rheinische Kaufhaus“ in der Wilhelmstraße bietet ein Käsesortiment „feinster Qualität“, bestehend aus Edamer, Schweizer oder Holländer und verspricht neben „Ausnahmepreisen“ für Puddingpulver und Vanilinzucker, gebrannten Kaffee, rein und kräftig schmeckend, sowie „Preißelbeeren“, das Pfund für 40 Pfennig.

Digitalisierung soll die Quellen im Stadtarchiv leichter zugänglich machen.

Digitalisierung soll die Quellen im Stadtarchiv leichter zugänglich machen.

Fotos aus den 1920er Jahren bis 1963 zeigen Verkaufswagen der Familie Sahler, die damit ihre Kunden auf dem Marktplatz versorgte. Auch zu diesen Zeiten war mobiler Verkauf von Eis, Kuchen, Kaffee, kalten oder warmen Speisen, Bier, Spirituosen und Kaltgetränken wohl schon gefragt. Ob das Angebot über den dokumentierten Zeitraum hinaus weiter bestand, würde das Stadtarchiv gerne noch in Erfahrung bringen.

Fünfmilliarden-Mark-Gutscheine im Bergisch Gladbacher Archiv

Unzählige Fünfmilliarden-Mark-Gutscheine der Stadt, ausgestellt am 5. September 1923, stapeln sich neben Tabellen, die akribisch dokumentieren, mit welcher Rasanz die Preise für Lebensmittel, Brennstoffe, Gas und Wasser 1922 in schwindelnde Höhen klettern.

„Ach ja, da bin ich oft gewesen“ schwärmte ein älterer Herr und hielt die Speisekarte des Ratskellers von 1970 in der Hand, als wolle er sich im nächsten Moment zwischen 3/2 Russeneiern auf Kartoffelsalat, Schinkenröllchen, gefüllt mit Spargel, Schildkrötensuppe „Lady Curson“ oder Froschschenkeln in Kräuterrahm entscheiden. Alle Gerichte wären deutlich unter fünf und zehn Mark zu haben. Auf deutlich älteren Speisekarten fehlen weder „Königinnenpastetchen“ für 70 Pfennig noch ein „Deutsches Beefsteak“ mit Bratkartoffeln und Salat für 1,40 Mark.

Viele Gladbacher hatten Interesse an der Ausstellung im Archiv

Das Interesse an der Ausstellung war groß. Viele nutzten zusätzlich die Gelegenheit, einen Blick in das normalerweise nicht öffentlich zugängliche klimatisierte Archivmagazin zu werfen. Hier lagert auf über 1000 Laufmetern Archivgut. Beginnend mit dem ausgehenden 16. Jahrhundert, wobei der 30-jährige Krieg viel Raum einnimmt, bis in die Neuzeit, als „die Archive mit der Büroreform in den 1920er Jahren noch mal richtig Futter bekamen,“ wie Michael Krischak-Wareeyan erklärte.

„Der Großteil aller Dokumente ist noch ganz klassisch auf Papier gesammelt“, so der Diplom- Archivar, „wie Register, Ratsprotokolle, viele private Nachlässe oder die, sauber in ein Buch geklebten Zeitungsausschnitte, die Heimatdichter Anton Jux zeitlebens gesammelt hat. Die Bände Bergisch Gladbacher Tageszeitungen sind auf Filmen, die erst kürzliche erhaltene Sammlung historischer Ansichtskarten schon digital vorhanden.“

„Hier hilft unser moderner Hochleistungs-Scanner sehr,“ erklärte Dr. Thomas Schwabach, seit 2020 Leiter des Stadtarchivs in Bergisch Gladbach. „Das Gerät erfasst in kürzester Zeit enorm große Mengen von Fotos oder Schriftstücken und ist ein wichtiger Baustein, um das ,Stadtgedächtnis' in ein digitales Archiv zu wandeln, das allen Nutzern mehr Komfort und Möglichkeiten bieten kann.“

Ob er denn auch noch Sütterlinschrift lesen könne, möchte ein älterer Besucher vom Stadtarchiv-Leiter wissen, digitales Zeitalter und Geschichte liegen hier eben doch dicht beieinander. „Ja klar“, lautet dessen Antwort, „das habe ich schon ganz zu Beginn meines Studiums gelernt.“

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