Interview mit dem Bürgermeister„Grün-rot in Bergisch Gladbach wird zusammenbleiben“

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Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein sitzt an einem Tisch und gestikuliert.

Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein im großen Jahresinterview

Wir haben Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein zum großen Jahresinterview getroffen.

Bevor wir auf das Jahr 2023 schauen. Bitte antworten Sie möglichst schnell: Was war das Wichtigste für Sie persönlich in 2022?

Stein: (überlegt sehr lange) Dass ich so lange überlege, ist sicher ein Zeichen dafür, dass so viel passiert ist. Persönlich hat mich die Hilfe für Butscha am meisten bewegt. Und dann geht mir durch den Kopf, dass ich in meinem ganzen Berufsleben sicher noch nie so viel gearbeitet habe. Und als Drittes habe ich 2022 zum ersten Mal den wirklich engen persönlichen Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern erleben dürfen. Ich habe gespürt, was ich während Corona vermisst habe: Die Menschen. Erst in diesem Jahr bin ich zum kompletten Bürgermeister geworden. Das hat mir gutgetan.

Was hat Sie besonders geärgert?

Das falsche Narrativ, dass es in unserer Stadt angeblich zu langsam vorangehe. Das ärgert mich, weil es so falsch ist. 2022 wurde bereits eine Menge umgesetzt und in 2023 werden sehr viele weitere Projekte Fahrt aufnehmen. Wir haben eineinhalb Jahre Grundlagen geschaffen und Strukturen verbessert. Das gilt für die Digitalisierung, den Klimaschutz. Wir haben unglaublich viel geschafft! In meiner Haushaltsrede habe ich vieles aufgelistet. Die Rede war deshalb sehr lang. Aber ich picke jetzt mal die Schulbaugesellschaft als Beispiel heraus.

Weil es so lange gedauert, bis sie am Start war?

(lacht) Ganz genau. Solche Dinge brauchen eben Zeit. Aber jetzt ist alles gut aufgestellt, wir haben einen fähigen Geschäftsführer und hoch motivierte Mitarbeiter. Wie richtig diese Entscheidung war, wird sicher auch dadurch belegt, dass die Stadt Köln jetzt den gleichen Weg geht – da sehe ich uns als Vorreiter. Aber auch beim neuen Hallenbad Mohnweg oder der Feuerwache 2 brauchte es seine Zeit. Aber nun stehen im nächsten Jahr die entscheidenden Beschlüsse an und dann kommt die Realisierung. Übrigens auch beim Thema Stadthaus.

Ein sehr persönlicher Erfolg für Sie …

Ich bin wirklich froh, dass wir das ehemalige AOK-Gebäude nutzen können.

Da hatten Sie aber auch Glück.

Die Wahrheit ist, dass es eine ungeplante Möglichkeit war, aus einer zugegeben vertrackten Situation herauszukommen. Aber wir haben dann auch beherzt zugegriffen. Und auch in der Nachschau sage ich: Es war die richtige Entscheidung, den Neubau am Bahnhof aufzugeben.

Und das Thema Verkehr?

Die Liste der bereits in 2022 umgesetzten Straßenbaumaßnahmen ist lang. Und wir werden wieder vorankommen. Wir haben nach zwei Jahren endlich die klare Perspektive, dass es an der Paffrather Straße losgeht. Genau wie bei der Neuregelung des Verkehrs in Schildgen. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Dinge einen langen Vorlauf haben. Das ist anstrengend und dafür braucht man Geduld. Aber ich gehe davon aus, dass 2023 auch beim Verkehr ein Jahr wird, in dem wir vieles sichtbar umsetzen.

Reden wir über die Laurentiusstraße.

Die Laurentiusstraße ist ein hochemotionales Thema. Ob die Intensität der politischen Diskussion der Bedeutung dieses Stückchens Straße für die Gesamtstadt gerecht wird, bezweifle ich. Die Politik hat beschlossen, dass dort ein neuer Versuch der Umleitung gestartet wird. Ich persönlich – das habe ich schon im Rat gesagt – bin skeptisch, ob das funktioniert. Wenn sich meine Zweifel bestätigen, dann wird es dauerhaft keine Umleitung über den Buchmühlenplatz geben. Aber wir probieren es aus und geben es ehrlich zu, wenn etwas nicht klappt. Genau wie wir das bei der Buddestraße gemacht haben.

Haben Sie keine Angst, dass Sie bei diesem Trial-and-Error, also Versuch und Irrtum, die Menschen verlieren?

Vermutungen durch Wissen zu ersetzen, ist der richtige Weg. Meine Prognose ist, dass wir 2023 die Themen Laurentiusstraße und Altenberger-Domstraße abschließend klären. Und dann ist es auch vorbei mit Trial-and-Error beim Verkehr. Ich gehe davon aus, dass die Faktenlage dann klar ist und es klare Mehrheiten geben wird.

Eine wunderbare Überleitung. Klare Mehrheiten wird es nach dem Platzen der Ampel nicht mehr geben. Die Zusammenarbeit von Grünen, SPD und FDP hat Sie ins Rathaus gebracht.

Ja klar, ich bedaure das Ende der Ampel. Wir haben mit viel Herzblut begonnen und ich finde es schade und bin auch traurig. Aber wichtig ist mir an dieser Stelle festzuhalten, dass wir uns menschlich unverändert mit Wertschätzung begegnen.

Herr Stein, Sie haben keine stabile Mehrheit im Rat …

Moment. Ich war auf der persönlichen Seite. Auf der anderen Seite muss ich professionell als Bürgermeister mit der Situation umgehen. Grün-rot wird zusammenbleiben, davon bin ich überzeugt. Es ist doch nichts Schlimmes, wenn Grün-Rot und ich nach Mehrheiten suchen müssen. Wenn wir gute Argumente haben, dann werden wir die Mehrheiten auch bekommen.

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