ResozialisierungProzess nach Schlägerei vor Gladbacher Billard-Saloon endet mit mildem Urteil

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Auf einem Schild steht die Aufschrift „Jugendgericht“.

Drei Angeklagte mussten sich vor dem Jugendgericht verantworten. (Symbolbild)

Trotzdem müssten die Leute auf der Straße vor dem Angeklagten geschützt werden, so das Gericht.

„Dass das so eskaliert, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Zeuge Kaya D. (alle Namen geändert) vor dem Bensberger Amtsgericht aus. Und damit meint der 25-Jährige nicht die schweren Verletzungen, die zwei Männer bei einem Gewaltexzess vor einem Bergisch Gladbacher Billard-Saloon davongetragen haben (wir berichteten). Oder wie schwer sich diese traumatische Erfahrung auch noch heute auf das Leben der Opfer auswirkt.

Nein, D. und seine Freunde hätten nicht damit gerechnet, dass der Vorfall vor Gericht landet. „Ich bin schockiert, wie alltäglich dieser Vorfall war. Es muss klar sein, dass solche Taten vor Gericht landen“, sagt Richterin Milena Zippelius-Rönz.

Heranwachsende schlagen Männer krankenhausreif

Bei der Tat, die nun doch vor dem Jugendschöffengericht verhandelt wird, handelt es sich um eine Schlägerei vom 11. Dezember 2021. Vor einem Billard-Saloon krachte es zwischen einer Clique junger Männer aus Bergisch Gladbach und dem Kürtener Ali G. (38) und sein Freund Mehmet K. (40).

Die beiden sollen den mittlerweile 21-jährigen Peter K. beleidigt haben, weil er betrunken war. Peter K. fackelte nicht lange und schlug zu. Einige seiner Freunde kamen ihm zur Hilfe und die Situation eskalierte. Peter K. war bereits im November verurteilt worden (wir berichteten).

Nun geht der Prozess, in dem seine Freunde Freunde , Önur E., Ibrahim P. und Klaus P. wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt sind, in die letzte Runde. Es soll herausgefunden werden, wie der heute 21-jährige Ibrahim P. an der Tat beteiligt war. Er ist der einzige, der eine Tatbeteiligung zugibt. Dazu setzt Opferzeuge Ali G. seine Aussage fort.

Die Gruppe habe geschlagen, getreten und den Opfern solche Angst gemacht, dass sie sich nicht getraut hätten, ins Krankenhaus zu fahren. Auch die Polizei hätten sie nicht rufen sollen– was G. dann aber doch tat. Während er von der wohl schlimmsten Nacht seines Lebens erzählt, ist ihm anzumerken, wie sehr ihn der Vorfall noch heute belastet. „Die Bilder sind immer da“, erklärt er.

Opfer sei zu traumatisiert, um glaubhafte Aussage zu machen

P.s Verteidiger nutzt dies, um die Belastbarkeit von G.s Aussage anzuzweifeln und ein Aussagepsychologische Gutachten einzufordern. Da er noch traumatisiert von der Tat sei, würde G. Schlussfolgerungen als Tatsachen aussagen. Während sich das Gericht dazu zur Beratung zurückzieht, nutzen die Verteidiger die Zeit, um Witze zu reißen. Die Richterin verzichtet auf das Gutachten, stellt aber fest, dass G.s Aussage teilweise widersprüchlich ist.

Kaya D. sagt aus, dass eines der Opfer bereits früher am Abend auf ihn zugekommen sei und gefragt habe, ob er etwas zum „Ballern“, also Kokain, dabei habe. Wie genau P. in die Schlägerei verwickelt war, wisse er nicht.

Verteidiger setzt auf Jugendstrafrecht

In seinem Plädoyer räumt Ibrahim P.s Verteidiger zwar ein, dass sein vielfach vorbestrafter Mandant bestraft werden müsse, setzt aber darauf, dass P. nach Jugendstrafrecht verurteilt wird: Er bedient sich der Täter-Opfer-Umkehr und behauptet, die Männer hätten damit rechnen müssen, dass sie geschlagen werden, wenn sie junge Männer wie die Angeklagten beleidigen.

Auch P.s Mutter sei verantwortlich. Da sie eine „absolute Power-Frau ist, die die Hosen anhat“, konnte der Vater seinem Sohn kein Vorbild sein. Trotz der Vorstrafen verurteilt das Gericht P. nach Jugendstrafrecht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Seine feste Arbeitsstelle mit einem Chef, der ihn fördert, sei dafür ausschlaggebend.

„Aber die Leute auf der Straße müssen vor Ihnen beschützt werden“, sagt sie. Deswegen sehen die Auflagen eine Therapie und Anti-Gewalt-Training vor. Die anderen beiden Angeklagten spricht sie frei.

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