MobilitätWie schwer Fußgänger es in Bergisch Gladbach haben

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Die Gladbacher Fuß- und Radverkehrsbeauftragte Maren Hesselmann und der Mobilitätsmanager Jonathan Benninghaus zeigen, wie wenig Platz Fußgänger oft haben.

Die Gladbacher Fuß- und Radverkehrsbeauftragte Maren Hesselmann und der Mobilitätsmanager Jonathan Benninghaus zeigen, wie wenig Platz Fußgänger oft haben.

Für alle Verkehrsteilnehmer reicht der Platz in Bergisch Gladbach schon lange nicht mehr - auch nicht für Fußgänger.

Der Gehweg hat seinen Namen eigentlich nicht mehr verdient. Stattdessen gleicht er eher einem Hindernisparcours. Ständig muss der Fußgänger ausweichen: Hier die Mülltonne, dort die Auslagen eines Blumenhändlers, und dann muss er auch noch um Plakate, Baustellen, Schilder herummanövrieren. Wenn im Sommer Gastwirte ihre Tische und Stühle rausstellen, ist es ganz vorbei.

„Hier sieht man das Problem“, sagt Maren Hesselmann, Bergisch Gladbachs Fuß- und Radverkehrsbeauftragte. Sie deutet auf den Gehweg am Kradepohlsmühlenweg in Gronau. Es geht ihr um die Breite: „Eigentlich sollte ein Gehweg 2,50 Meter breit sein.“ So breit, dass ein Kinderwagen und ein Rollstuhl problemlos aneinander vorbeikommen.

Der Platz reicht nicht für alle Verkehrsteilnehmer

Meist steht in der Stadt aber viel weniger als der von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen empfohlene Platz zur Verfügung.

Hier am Kradepohlsmühlenweg sind es gerade einmal 90 Zentimeter, wie das Messergebnis mit dem Zollstock zeigt. Wie zum Beweis, wie eng der Raum ist, steht ein großer Müllcontainer auf dem Gehweg. „Wenn ich alleine unterwegs bin, komme ich da ganz gut durch“, erklärt Mobilitätsmanager Jonathan Benninghaus, „habe ich aber noch ein Kind an der Hand, muss ich auf die Straße ausweichen.“

Die Fußgänger haben leider keine Lobby
Maren Hesselmann, Fußgängerbeauftragte

Deshalb könnten aber natürlich nicht alle Gehwege in der Stadt neu gebaut werden. Abgesehen davon, dass dann von den Straßen nicht viel übrig bliebe. Dazu kommt die zunehmende Verdichtung. Immer Menschen ziehen in die Stadt: „Der Platz bleibt aber derselbe“, sagt Hesselmann.

Mobilitätsmanager Bennighaus sagt, er versuche im Verteilungskampf die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. „Dabei steht das Auto nicht mehr an erster Stelle, wird aber mitgedacht“, stellt er klar. „Die Fußgänger haben leider keine Lobby“, sagt Hesselmann.

Ihre Aufgabe sei es, dies zu ändern. „Fußgängerverkehr ist ganz wichtig für die Stimmung und das Lebensgefühl in der Stadt. Sind die Straßen belebt, fühlt man sich gleich wohler.“ Fußgänger seien zudem alle: „Auch der überzeugte Autofahrer muss zu Fuß zu seinem Auto kommen.“

Eine Mülltonne nimmt viel Platz auf dem Bürgersteig ein.

Eine Mülltonne nimmt viel Platz auf dem Bürgersteig ein.

Trotzdem haben Fußgänger schon lange kein Monopol mehr auf dem Bürgersteig. Da ist es auch schon wieder passiert: Der Radfahrer taucht aus dem Nichts auf und überholt den ahnungslosen Fußgänger schwungvoll in der Gladbacher Fußgängerzone. Wenn er in dem Moment einen Schritt zur Seite macht, ist der Unfall programmiert.

Solche Szenen erlebt man auch an Zebrastreifen, den Radfahrer illegal für sich reklamieren. Auf manchen Gehwegen sind sie auch unterwegs. Sie weichen dem Autoverkehr aus, weil sie sich dort sicherer fühlen. Dabei haben sie dort nichts zu suchen.

Radfahrer gehören auf die Straße
Bernhard Werheid, Vorsitzender des ADFC Rhein-Berg

„Ich kann das Unsicherheitsgefühl verstehen, rate aber jedem, sich an die Regeln zu halten“, sagt Bernhard Werheid, Vorsitzender des ADFC Rhein-Berg, „Radfahrer gehören auf die Straße.“ Außer das Schild „Radfahrer frei“ genehmigt dies ausdrücklich.

Eine Ausnahme sind Kinder: Bis acht Jahren sind sie sogar verpflichtet, auf Fußgängerwegen zu radeln. Und bis zum zehnten Lebensjahr dürfen sie ihn benutzen, wenn sie wollen. Ein Erwachsener darf sie begleiten. „Mit Skateboards und Roller-Blades ist das Fahren auf dem Gehsteig übrigens erlaubt“, erläutert Hesselmann.

ADFC setzt sich für mehr Stellplätze für Räder ein

Weil die Parkplatzsituation für Radfahrer inzwischen an vielen Stellen genauso prekär ist wie für Autofahrer, setzt sich der ADFC für mehr Stellplätze ein. Denn seit Fahrräder als Pkw-Ersatz dienen, können sich Modelle mit Transportboxen und Anhängern mit jedem Kleinwagen messen.

Solche Gefährte lassen sich nicht einfach in den Keller tragen. Dann blockieren auch sie die Gehwege - neben kurzparkenden Paketzustellern, Essenslieferdiensten und halbseitig parkenden Autos. Vor allem im Sommer stehen Tische und Stühle vor den Lokalen. Die Bedürfnisse der Leute sind alle nachvollziehbar.

„Es geht nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme“, betont Werheid. Für jeden, dem Fußgänger, dem Radfahrer und dem Autofahrer, eine eigene Spur einzurichten, das gebe der Verkehrsraum nicht her. „Die Ausgangslage ist nicht gut“, gibt Hesselmann zu.

Aber sie verweist auf kleine Erfolge: Fahrradbügel, die bei Neuplanungen wie in der Laurentiusstraße oder der Schloßstraße von vornherein mitgedacht werden. Unabhängige Fußwege, die beim Ausbau des Radwegenetzes gleichzeitig mit berücksichtigt werden. Sicherere Schulwege durch Aktionen wie den Schulexpress, die Schulwege sicherer machen. Der Fußverkehrs-Check, bei dem Konflikte identifiziert und verbessert werden sollen. Der Gehweg heißt ja nicht umsonst Gehweg: Er ist ein Schutzraum, vor allem für ältere und behinderte Menschen. Für sie ist es besonders mühsam, jedem Hindernis auszuweichen.


Gladbacher Fußverkehrs-Check

Beim ersten öffentlichen Fußverkehrs-Check in Bergisch Gladbach haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Anliegen und Vorschläge zur Verbesserung vor Ort einzubringen. Es finden zwei Vor-Ort-Begehungen statt.

Dienstag, 5. September, 17 bis 19 Uhr, Treffpunkt Schluchter Heide/Leibnizstraße. Die Route verläuft entlang des Gehwegs südlich der Lebensmittelläden, über den Kradepohlmühlenweg/Gierather Straße, Dhünnhofsweg.

Mittwoch, 6. September, 10-11.30 Uhr, Treffpunkt Hermann-Löns-Forum. Die Route verbindet das Hermann-Löns-Forum mit den Lebensmittelläden an der Mülheimer Straße und dem südlich gelegenen Thielenbrucher Wald. Für die Teilnahme an den Begehungen ist eine Anmeldung erforderlich. (ub)

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