Ex-Betriebsrat blickt zurück„Wir hätten Zanders retten können“

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Der letzte Betriebsratsvorsitzende von Zanders: Taner Durdu verarbeitet die Zanders-Pleite.

Der letzte Betriebsratsvorsitzende von Zanders: Taner Durdu verarbeitet die Zanders-Pleite.

Bergisch Gladbach – Am 30. April 2021 endete die Geschichte der Papierfabrik Zanders. Für die Menschen im Werk, die Zandrianer, trat das Unvorstellbare tatsächlich ein. Und kein anderes Unternehmen hat die Stadt mehr geprägt als die Papierfabrik. Bergisch Gladbach entstand um die Fabrik herum. Inzwischen ist die Stadt Eigentümerin der gesamten Immobilie, und der Insolvenzverwalter ist dabei das Inventar – vom Schraubenzieher bis zur riesigen Papiermaschine 3 – zu verkaufen. Die Stadt gibt derzeit pro Jahr sechs Millionen Euro für die Planungen für das Gelände aus. Matthias Niewels sprach mit Taner Durdu, dem letzten Betriebsratsvorsitzenden von Zanders.

Herr Durdu, heute vor einem Jahr endete die Geschichte der Papierfabrik Zanders. Sie haben es der Belegschaft erklären müssen.

Durdu: Ja, was für ein schrecklicher Tag. Für uns Zandrianer, aber auch für die ganze Stadt.

Sie hadern immer noch?

Loslassen fällt mir so unglaublich schwer. Aber ich werde bald einen neuen Job antreten, umziehen. Raus aus Bergisch Gladbach. Zanders aus dem Kopf kriegen. Aber dann ist es wieder da, dieses Gefühl, dass wir es hätten schaffen können.

(Wir haben uns für den Fototermin mit Taner Durdu auf dem neuen Platz, den Gohrsmühlenplatz, verabredet. Im Hintergrund ist die Großveranstaltung für die Regionale 2025 auf dem Zanders-Gelände zu sehen. Planer und Politiker lassen sich über den Stand der Entwicklung informieren. Durdu zeigt auf das Eingangstor.)

Wenn ich sehe, wie viel Geld jetzt für die Planungen ausgegeben wird. Warum nicht für uns? Warum nicht für eine funktionierende Papierfabrik?

Zanders schrieb seit Jahrzehnten tiefrote Zahlen. Es war doch eigentlich ein Wunder, dass es überhaupt so lange weitergeführt wurde.

Es wurden unglaubliche Fehler im Management gemacht. Aber mit unserer Strategie, also der Strategie des Betriebsrates, Chromolux only, hätte das Werk überleben können. Mit einer erheblich geschrumpften Belegschaft hätten wir das Spezialpapier hergestellt, wofür es eine echte Nachfrage gibt. Und Zanders hätte weitergelebt. Was ist denn bis jetzt auf dem Gelände passiert? Nichts.

Es wird an einer neuen „Papierstadt Zanders“ gearbeitet. Mit Wohnungen, Gewerbe und Schulen. Die Computergrafiken sind beeindruckend.

Ich bin als kleiner Junge aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Ich habe hier viel gelernt und bin dem Land sehr dankbar. Wo sind die deutschen Tugenden? Warum wird nicht viel entschlossener um jeden industriellen Arbeitsplatz gekämpft? Stattdessen werden am Computer aus Ruinen blühende Landschaften. Ich glaub das nicht. Ich sehe die nicht.

Ist das nicht auch ungerecht von Ihnen? Ohne die Unterstützung der Stadt wäre es mit Zanders doch schon viel früher vorbei gewesen.

Ach das ist doch eines der Märchen, die wieder und wieder erzählt werden. Ich denke, es ist die Wahrheit, dass die Lokalpolitik der Stadt Bergisch Gladbach inklusive Bürgermeister Frank Stein, Zanders doch schon sehr früh abgeschrieben hat. Die Unterstützung war mehr verbal – ins Risiko wollte keiner wirklich gehen. Ich gehe als letzter Betriebsratsvorsitzender von Zanders in die Geschichtsbücher ein – der Gladbacher Rat und der Bürgermeister aber auch. Wir werden da noch in hundert Jahren stehen. Der Makel wird bleiben.

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Ihr Herz hängt immer noch an Zanders.

Natürlich. Und das wird auch den ganzen Rest meines Lebens so bleiben. Meine Frau hat mich damals gewarnt. Hör auf, Du kämpfst gegen Windmühlen. Aber wenn ich dann an die Belegschaft denke, war es richtig, so lange zu kämpfen. Viele Kollegen haben immer noch keine Arbeit, sind krank geworden, Ehen sind zerbrochen. Wir wollten es verhindern. Es hat nicht geklappt.

Sie sind Fußball-Trainer in der Freizeit.

Ein schöner Ausgleich. Mit meiner Mannschaft stehe ich derzeit in der Kreisliga C auf Platz eins. Und den Jungs sage ich, dass wir bis zur letzten Minute an den Sieg glauben müssen. So war das vor einem Jahr auch bei Zanders. Und weil wir gekämpft haben, gab es sogar eine Verlängerung – erst im Elfmeterschießen war Schluss. Wir hätten gewinnen können. Es war ganz knapp.

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