Zwei für die Stadt Bergisch Gladbach wichtige Erinnerungsprojekte wurden am Schloss Bensberg eingeweiht.
EinweihungZwei Gedenktafeln sollen in Bergisch Gladbach an die Nazizeit erinnern

Feierliche Einweihung der Erinnerungsstele an die Napola. Sie befindet sich neben dem Haupttor des Bensberger Schlosses.
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Es ist einer jener Momente, die bewegen und Respekt abverlangen. Am Schloss Bensberg stehen nun zwei längst überfällige Gedenktafeln. Eine erinnert daran, dass auch hier in Bergisch Gladbach Kinder und Jugendliche in einer Kaderschmiede im Sinne der NS-Ideologie gedrillt wurden. Die zweite Stele ist ein Mahnmal für ein schlimmes Verbrechen: die Ermordung von zwei Fremdarbeitern im Schlosspark.
Diese für die Stadt wichtigen erinnerungspolitischen Projekte haben Schülerinnen und Schüler des Oberstufen-Literaturkurses des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) in Gang gesetzt. Die Stadt kann ihnen nicht genug dafür danken, dass die jungen Leute und Theresa Reusch als Leiterin des Kurses sich so dafür eingesetzt haben, dass das Unrecht, das sich in der Nazi-Zeit direkt vor unserer Haustür abspielte, nicht in Vergessenheit gerät.
Heute stehen wir hier und erinnern uns gemeinsam an das Unrecht
Bis jetzt gab es keinen einzigen Hinweis zur früheren Nutzung des Schlosses als Nationalpolitische Erziehungsanstalt, kurz Napola genannt. Seit dem Jahr 2000 ist die Residenz ein Luxushotel, das von der Althoff Hotelgruppe betrieben wird. Jetzt stehen zwei gut sichtbare Erinnerungsstätten auf dem Gelände: Rechts vor dem Haupttor die Tafel mit den Hinweisen, dass sich im Schloss von 1935 bis 1945 ein NS-Elite-Internat und ab Juni 1944 eine Außenstelle des KZs Buchenwald befanden. Im Schlosspark dann das Mahnmal zum Gedenken der beiden Zwangsarbeiter, die im März 1945 von Hitlerjungen erschossen wurden.
Bei der feierlichen Enthüllung am Freitag sagt Lina Ait Hmani (19), Teilnehmerin des Literaturkurses: „Ich bin richtig glücklich und erleichtert, dass wir so weit gekommen sind. Heute stehen wir hier und erinnern uns gemeinsam an das Unrecht.“ Die Schüler des OHG sind 2024, wie berichtet, ganz tief in die Recherchen zu ihrem investigativen Projekt „Das Napola-Erinnern“ eingestiegen.
Gekommen war auch ein ehemaliger Schüler der Napola
Im Stadtarchiv stießen sie auf eine Fülle von Unterlagen und Quellen, die zeigen, wie die Internatskinder hier im Sinne der menschenverachtenden NS-Rassenideologie und des Führerkults indoktriniert, militärisch gedrillt und an der Waffe ausgebildet wurden. „Die Schüler waren genauso wie wir. Wir sind nur Generationen voneinander getrennt“, sagt Lina Ait Hmani. Hass und Wut hätten damals eine ganze Generation zerstört. „Uns muss klar sein: Das darf nicht wieder passieren.“
Zur Feier gekommen ist auch Dr. Gerhard Loescher, 96 Jahre alt, einer der letzten Zeitzeugen. Als Zehnjähriger kam er auf die Napola in Ilfeld im Harz. In einem Gespräch mit dieser Zeitung berichtete er, wie sehr diese Zeit ihn geprägt hat. Seit 1971 lebt Loescher in Bensberg, war bis zu seiner Pensionierung Lehrer am Albertus-Magnus-Gymnasium.

Bürgermeister Frank Stein dankt Lina Ait Hmani (Mitte) und Lehrerin Theresa Reusch für ihr Engagement.
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Er fühlt sich fest in der Stadt verwurzelt: „Ich freue mich, dass es nach so langer Zeit eine Erinnerung an die Napola in Bensberg gibt und dass es junge Menschen waren, die sich damit beschäftigt haben.“ Für ihn sei es ein Hoffnungsschimmer, „wenn die Erinnerung nicht verblasst, wie leicht es war, ein ganzes Volk zu verführen. Ein Thema, was uns heute wieder beschäftigt.“
Das Zusammenspiel zwischen Schülern, Stadtverwaltung und Generali-Versicherung als Eigentümer des Schlosses ist reibungslos gelaufen. Alexander Graf, Mitglied der Geschäftsführung der Generali Deutschland, dankt den Schülern für ihr Engagement: „Auch ich bin stolz, dass wir heute hier ein klares Zeichen setzen. Wir stehen zu einer Erinnerungskultur, die nicht ausgrenzt, sondern aufklärt. Die nicht beschönigt, sondern benennt.“ Beide Stelen hat die Versicherung finanziert und sich an der Erstellung der Website beteiligt.
Nie wieder dürfen jungen Menschen Opfer von ideologischer Verführung werden
Bürgermeister Frank Stein betont: „Wir haben die Verantwortung dafür, dass Bergisch Gladbach eine demokratische, offene, menschenfreundliche und tolerante Stadt bleibt. Nie wieder dürfen junge Menschen, wie in der Napola geschehen, Opfer von ideologischer Verführung werden“, betont Stein.
Lehrerin Theresa Reusch sieht in den beiden Stelen ebenfalls einen Appell: „Hier war eine Napola, hier wurden Menschen getötet. Wir tragen die Verantwortung, uns zu erinnern.“ Das Erinnern sei noch nicht abgeschlossen. Das OHG lade alle Interessierten dazu ein, sich an dem Prozess zu beteiligen, eigene Beiträge auf der Website beizusteuern. Dort berichten die Schüler des Literaturkurses informativ und anschaulich über die dunkle Zeit des Bensberger Schlosses. Über QR-Codes können die Infos vor Ort abgerufen werden.
40 NS-Schulen
1933 wurden die ersten Napolas, Abkürzung für Nationalpolitische Erziehungsanstalt, gegründet. Die Gründung der ersten drei Napolas war ein Geburtstagsgeschenk an Adolf Hitler. Sie wurden vom zukünftigen Reichserziehungsminister Bernhard Rust geplant.
Bis 1945 gab es reichsweit etwa 40 Napolas, drei davon für Mädchen Bensberg. Rund 15.000 Schüler besuchten die NS-Ausleseschulen, in der in einer sechs- bis achtjährigen Ausbildung die kommende Führungsschicht des Nazi-Staates herangezogen werden sollte. Neben Militärischem gehörten auch Brutalität und Psychoterror zum Alltag.
Die Napola im Bensberger Schloss eröffnete am 1. Juli 1935. Nach einem Brand im Nordflügel wurden ab März 1944 KZ-Häftlinge nach Bensberg überstellt für Reparaturarbeiten. Am 2. November 1944 wurde das Außenlager des KZ Buchenwald mit der Napola nach Hardenhausen in Westfalen verlegt. (ub)