Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Gutachten angefordertProzess gegen Bergisch Gladbacher wegen sexueller Nötigung einer 16-Jährigen platzt

3 min
Eine Mauer mit Wachtürmen der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf.

Auf gewaltsame sexuelle Nötigung steht eine Mindeststrafe von einem Jahr im Gefängnis. (Symbolbild)

Eine Auszubildende (18) bezichtigt einen 28-jährigen Handwerker aus Bergisch Gladbach der sexuellen Nötigung. 

Dreieinhalb statt der geplanten zweieinhalb Stunden hat das Jugendschöffengericht über die mutmaßliche sexuelle Nötigung einer 16-jährigen Auszubildenden durch einen gut zehn Jahre älteren Mann verhandelt – um dann dennoch zu dem Ergebnis zu kommen, noch kein Urteil fällen zu können, sondern zunächst ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen.

Das Risiko, entweder den Falschen ins Gefängnis zu schicken oder ein Opfer sexueller Gewalt als unglaubwürdig zu brandmarken, erschien dem dreiköpfigen Gericht offenbar zu hoch. Da renommierte Gutachterinnen und Gutachter aber rar sind, wird der Prozess in einigen Monaten noch einmal ganz neu aufgerollt werden müssen.

Tatort ist ein kleines Dorf im Rheinisch-Bergischen Kreis

Angeklagt wegen einer gewaltsamen sexuellen Nötigung, einem Verbrechen mit einem Jahr Mindeststrafe, ist der inzwischen aus seinem rheinisch-bergischen Dorf in die Kreisstadt Bergisch Gladbach umgezogene 28-jährige Handwerker Dominik P. (Namen geändert).

Angezeigt hat ihn die zur Tatzeit 16-jährige Auszubildende Jasmin G. Die beiden kannten sich über seine Partnerin Carola, die zugleich Jasmins Chefin war. Die drei freundeten sich an, zogen zusammen los, hatten Spaß miteinander, ohne dass sich jemand etwas Weitergehendes dabei gedacht hätte.

Sie albern über ihre Dessous

Bis zu jenem Tag, als Jasmin aus einer Ferienfreizeit zurückkam und fragte, ob die beiden Zeit hätten. Carola hatte gerade Corona, aber Dominik konnte, und so gingen sie zu zweit in Bergisch Gladbach Pizza essen und wollten danach noch schwimmen gehen. Vorher ging es in ihre Wohnung. Sie alberten herum, wie sie laut Dominik oft alberten, sie sprachen albern über ihre Dessous und danach – was danach war, darüber gingen ihre Darstellungen diametral auseinander.

Während Dominik im Prozess angibt, Jasmin habe ihm zweierlei Dessous vorgeführt und dann habe es tatsächlich einen Kuss zwischen den beiden gegeben, einen „Schmatzer“, aber nicht mehr, sagt Jasmin aus, dass der auch im Gerichtssaal so freundlich-jovial wirkende Dominik plötzlich ein ganz anderes Gesicht gezeigt habe. Er habe ihr die Hände auf dem Rücken festgehalten, ihre Brust entblößt und angefasst und auch erfolglos versucht, ihre Hand an sein erigiertes Glied zu führen. Sie habe sich dann losreißen können.

Auszubildende wird über eine Stunde im Prozess befragt

Die Zeugenaussage im Prozess ist das dritte Mal, dass Jasmin das Geschehen aus ihrer Sicht beschreibt. Zuvor hat es eine kurze schriftliche Darstellung direkt nach dem Geschehen gegeben und dann noch einmal sehr ausführliche Vernehmung durch eine Kriminalbeamtin.

Und dennoch oder gerade deswegen sitzt die inzwischen volljährig gewordene junge Frau mehr als eine Stunde lang auf dem Zeugenstuhl und wird von sämtlichen Prozessbeteiligten befragt, vom Vorsitzenden Richter Ertan Güven, von der Staatsanwältin, dem Verteidiger, der Schöffin und dem Schöffen.

Beide Zeuginnen erwähnen traumatisierende Kindheitserlebnisse

Auch die anschließende Aussage zunächst von Carola, die sich zwischenzeitlich von Dominik getrennt hat, jetzt aber wieder mit ihm zusammen ist, und dann auch die von Jasmins damaligem Freund Peter, der kein gutes Haar an seiner Ex lässt, bringt dem Gericht nicht die nötige Sicherheit für ein Urteil. Stattdessen kommen sehr schlimme Kindheitserlebnisse gleich beider Zeuginnen zur Sprache. „Halleluja“, entfährt es dem berufsbedingt eigentlich einiges gewöhnten Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode.

In der Sache bleibt es aber auch nach gleich zwei Rechtsgesprächen dabei: Das Gericht beauftragt zunächst eine Glaubwürdigkeitsgutachterin, die Sache zu untersuchen. Voraussichtlich im Sommer oder Herbst wird der Prozess dann komplett neu aufgerollt.