Es wurde über die Bezahlkarte abgestimmt – aber falsch gezählt und trotzdem entschieden. Ist die Entscheidung trotzdem gültig?
RatssitzungBergischer Gladbacher Streit um Bezahlkarte für Geflüchtete landet bei Kommunalaufsicht

Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete ist in Bergisch Gladbach umstritten.
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Die Kommunalaufsicht beim Kreis wird demnächst Post von der Stadt Bergisch Gladbach bekommen und einen außergewöhnlichen Fall beurteilen müssen. Bei einem äußerst umstrittenen Thema, der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete, ging es im Bergisch Gladbacher Rat drunter und drüber. Zur Abstimmung stand die Vorlage der Verwaltung, die sich gegen die Einführung der Karte ausspricht. Es gab 27 Ja-Stimmen, 27-Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Bei Stimmengleichheit war die Vorlage der Verwaltung abgelehnt – die Bezahlkarte wird also eingeführt.
Etliche Tagesordnungspunkte später aber trat Corvin Kochan (SPD) an den Tisch der Verwaltung, kurz darauf verkündete Christian Ruhe, der Büroleiter des Bürgermeisters, das neue Ergebnis: danach gab es 27-Ja-Stimmen, 26-Nein-Stimmen und eine Enthaltung – die Bezahlkarte wird also nicht eingeführt.
Wir werden den Vorgang an die Kommunalaufsicht geben
In dieser Situation trat Michael Metten (CDU) an den Tisch der Verwaltung und protestierte. Schließlich sei der Beschluss zuvor ja verkündet worden. Bürgermeister Frank Stein (SPD) zeigte sich ratlos: „Wir werden den Vorgang an die Kommunalaufsicht geben.“
Und so wird die Entscheidung über die Bezahlkarte für Flüchtlinge hin- und hergeschoben. Was zu der ganzen Diskussion passt.
Denn der Bergisch Gladbacher Rat zeigte sich bei diesem Thema zerstritten und aufgebracht wie selten. Theresia Meinhardt von den Grünen eröffnete den Reigen der Wortbeiträge. Mit der Einführung der Karte werde ein „Bürokratiemonster“ für 200 bis 250 Fälle in Gladbach geschaffen (so auch die Position der Verwaltung) zusätzlich würden deren Benutzer beim Einkaufen stigmatisiert, also als Flüchtlinge erkenntlich gemacht.
Die ruhigen Stimmen im Rat hatten keine Chance
Kastriot Krasniqi von der SPD ergänzte diese Argumentation und appellierte an das „Gewissen“ der Ratsmitglieder. „Denken Sie daran, dass kein Flüchtling seine Heimat freiwillig verlässt, nur um bei uns Sozialleistungen zu beziehen.“
Und es gab auch einen Wortbeitrag von den Grünen, in dem Verständnis dafür gezeigt wurde, dass Flüchtlinge Teile ihrer Förderungen in die Heimat überweisen: „Das würde doch jeder von uns auch tun, wenn er Flüchtling in einem fremden Land wäre und die Familie in der Heimat Not leidet.“ Die Emotionalität war nicht mehr aus der Debatte herauszubekommen. Robert-Martin Kraus (CDU) schimpfte: „Die Grünen sind nicht das Gewissen dieses Rates.“
Die ruhigen, nachdenklicheren Stimmen hatten keine Chance mehr. Brigitta Opiela (CDU) – besonders engagiert in der Betreuung von Flüchtlingen – sagte: „Für die Flüchtlinge gibt es wirklich ganz andere wichtige Themen, als die technische Frage, wie sie ihr Geld bekommen.“ Auf Bundesebene gesehen sei die Bezahlkarte ohnehin gesetzt, sie werde so oder so kommen.
Die Entscheidung der Düsseldorfer schwarz-grünen Landesregierung, dass Kommunen die Entscheidung über die Einführung der Karte treffen sollen, wurde – da gab es dann doch große Einigkeit – als Fehler eingestuft. Klaus Waldschmidt (SPD): „Wir führen hier eine Debatte, die in den Landtag gehört.“
Der Vertreter der AfD (der andere AfD-Ratsherr fehlte) beteiligte sich nicht an der Debatte. Sollte die Bezahlkarte tatsächlich abgelehnt werden, dann ist das bei der Patt-Situation im Gladbacher Rat nur mit der AfD-Stimme möglich gewesen.
Nach einer denkwürdigen Ratssitzung schaut die Gladbacher Politik nun gespannt auf die Entscheidung der Kommunalaufsicht.