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JugendprozessGladbacher spürt Gegner digital auf und verprügelt ihn analog

Lesezeit 3 Minuten
Eine Person hält ein Smartphone in der Hand, auf der die Snapchat-Funktion „Memories" geöffnet ist.

Die App „Snapchat“ ist bei jungen Leuten sehr beliebt.(Symbolfoto)

Im Streit um eine Frau hat ein Gladbacher (20) seinen Kontrahenten digital in Rösrath aufgespürt und verprügelt. Jetzt stand er vor Gericht.

Das Motiv für die Schlägerei in Rösrath war so alt wie die Menschheit – es ging um ein junges Mädchen. Hochmodern waren dank Digitalisierung, hier „Snapchat“, die äußeren Umstände. Am Freitag stand der Bergisch Gladbacher Sven P. (20) wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht – und kam mit einem blauen Auge davon.

Snapchat, dies als Erklärung für Unwissende, ist ein Sofortnachrichtendienst, den Kinder und Jugendliche gerne dazu nutzen, um Fotos und Videos zu versenden, die sich selbst löschen. Über diese coole App soll Schlägerei-Opfer Jonathan G. (20) im August vergangenen Jahres ein Foto versendet haben, das ihn zusammen mit seiner neuen Flamme Kathrin P. auf der Couch von deren Papa in Rösrath sitzend zeigte.

Fotos von Ratten aufs Handy geschickt

Bei Kathrins Ex-Freund Sven und dessen Kumpels kam das nicht so gut an. Sie revanchierten sich laut Jonathan mit Ratten-Fotos, was ihm nicht so gefiel, und forderten ihn auf, zur Aussprache nach Gladbach zu kommen. Das jedoch wollte Jonathan nicht.

Jedoch gelang es der Gruppe um Sven, über die Ortungsfunktion von Snapchat – der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Big Brother lassen grüßen – den Standort von Jonathan zu orten. Sie fuhren nach Rösrath und forderten ihn erneut auf, herauszukommen. Jonathan: „Da ich eh zum Bus musste, habe ich das getan.“

Zweiter Schläger tritt in den Rücken

Auf der Straße kam es dann schnell zur analogen „Aussprache“ der beiden. Sie packten einander an den Kragen, gingen zu Boden, Sven behielt die Oberhand und schlug zu, und als sie eigentlich schon fertig waren, trat ein gerichtlich gesondert verfolgter zweiter junger Mann, Björn, erst auf den Plan und dann in Jonathans Rücken.

Vor Gericht legte Sven sofort ein Geständnis ab: „Es stimmt alles, außer dass ich noch mal zugeschlagen habe, als Björn trat.“ Das habe er gar nicht mehr gekonnt. Denn bevor die beiden jungen Männer zu Boden gingen, habe dies bereits eine Bierflasche getan und sei zersplittert.

Ich bin Rechtshänder. Mein linker Arm ist irgendwie überflüssig.
Der Angeklagte vor Gericht

Er sei mit seiner rechten Hand darin gelandet, habe Schnittwunden davongetragen und dann gar nicht mehr viel machen können. „Ich bin Rechtshänder. Mein linker Arm ist irgendwie überflüssig.“

Opfer Jonathan bestätigte die Aussage von Sven in wesentlichen Teilen – auch, dass sie sich kurz danach ausgesprochen hätten. Neben Gesichtsverletzungen hatte Jonathan auch den Verlust seiner Brille und seines Handy-Displays zu beklagen. Er habe es Sven und Björn frei gestellt, sich an dem Schaden zusammen zu beteiligen.

Staatsanwalt würdigt Großzügigkeit des Opfers

Da schaltete sich der Staatsanwalt ein: „Sie sind ja schon so großzügig, dass Sie kein Schmerzensgeld fordern. Da sollten Sie nicht auch noch Ihrem Geld hinterherlaufen müssen.“

Am Ende ging es dann flott im Prozess: Richterin Britta Epbinder stellte das Verfahren ohne Strafe ein. Sie gab ihm lediglich auf, in Raten 250 Euro an Jonathan zu überweisen. Zuvor hatten sich Richterin, Staatsanwalt und Jugendgerichtshilfe von dem als Zeugen aufgetretenen Treter Björn versichern lassen, dass er sich an einem solchen Ausgleich beteiligen werde.