Neues Stadthaus Bergisch GladbachBauprojekt ist völlig entgleist

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Der viel gelobte Entwurf des Architekturbüros von Auer und Weber in Scherben: Verwaltung und Politik sucht nach Wegen, um das Projekt des neuen Stadthauses noch zu retten.

Bergisch Gladbach – Die erste Sitzung des Ausschusses für das neue Stadthaus wird in vielfacher Hinsicht in die Geschichte der Stadt eingehen. Denn was dort vorgetragen wurde, war nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern die Dokumentation eines entgleisten Projekts.

Nach den vorgelegten Zahlen würde es jetzt 81,9 Millionen Euro kosten. Und auch das nur eine Schätzung – es könne auch noch 30 Prozent teurer werden. Die 100-Millionen-Euro-Marke rückt immer näher.

Aus heutiger Sicht, so der Tenor in der nicht-öffentlichen Sitzung nach übereinstimmenden Aussagen von Teilnehmern, müsste die gesamte Planung neu aufgesetzt werden. Aber das geht so einfach nicht. Es gab einen Wettbewerb und es gibt einen Siegerentwurf des Büros Auer Weber für das neue Stadthaus am S-Bahnhof.

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Und das besonders Schlimme aus Sicht der Stadt: Juristen warnen nach Informationen dieser Zeitung die Stadt ausdrücklich vor den Risiken einer weiteren Zusammenarbeit mit Auer Weber. Schließlich seien die geforderten Veränderungen nicht mit der ursprünglichen Wettbewerbsausschreibung in Einklang zu bringen. Im Wettbewerb unterlegene Büros könnten sich einklagen – mit unabsehbaren Folgen.

Teilnehmer der Sitzung: „Befinden uns in furchtbarer Situation“

Mehrfach wurde in der Sitzung auf die Vertraulichkeit der Informationen hingewiesen. Denn klar ist, dass die Stadt in fast jedem denkbaren Szenario vor juristischen Auseinandersetzungen steht. Ein Teilnehmer, der nicht genannt werden will: „ Es ist einfach furchtbar, in welcher Situation wir uns befinden.“

Nicht mehr verfolgt werden sollen Überlegungen, auf dem Zanders-Gelände zu bauen. Dort sei alles viel zu ungewiss. Nicht realisierbar sei die Sanierung der alten Stadthäuser. Was also bleibt, ist der Neubau am S-Bahnhof.

Start des Projektes war vor sieben Jahren

Das Stadthaus-Projekt startete 2013 mit einer Raumbedarfsermittlung. 2016 gab es im Rat einen Grundsatzbeschluss für den Bau eines neuen Stadthauses auf dem Kopfgrundstück der S-Bahn. 33 Millionen Euro sollte das Gebäude kosten. Es wurde ein Architektenwettbewerb beschlossen.

Im August 2017 wurde ein Büro mit der Betreuung des Wettbewerbs beauftragt. Inzwischen wurden die Kosten mit 52 Millionen Euro angegeben. Im Juli 2018 wurden die Grundlagen des Wettbewerbs formuliert und eine EU-Ausschreibung gestartet.

Im Dezember traf sich die Jury – Mitglieder waren Vertreter aller Fraktionen, der Verwaltung und eine Gruppe von ausgesuchten Fachleuten. Im Mai 2019 wurde der Gewinnerentwurf des Stuttgarter Architektenbüros Auer Weber präsentiert. Er wurde von der Jury einstimmig gewählt. Dabei wurde, wie das Rechnungsprüfungsamt später feststellte, ohne Kostenobergrenzen gearbeitet.

Im November 2019 neue Kostenzahlen: 62,6 Millionen Euro. Und ein Ende der Steigerung nicht in Sicht. Im Juni 2020 dann die Notbremse. Alle Planungen wurden gestoppt und es wurden Prüfaufträge vergeben. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag präsentiert. (nie)

Klar sei, dass der vorliegende Entwurf nicht den Erfordernissen der digitalen Zukunft entspricht. Homeoffice würde die Präsenz von Mitarbeitern herunterfahren, eigene Büros würden Ausnahme und offene, multifunktionale Räume die Regel sein. Der Entwurf von Auer Weber stammt aus der Zeit vor Corona.

Da wurde zwar auch schon über Digitalisierung gesprochen, aber eben nicht in diesen Dimensionen. Die Rede ist von einem gesunkenem Raumbedarf von 20 Prozent.

Bürgermeister will von vorne anfangen

Bürgermeister Frank Stein (SPD) zeigte sich in der Sitzung als Befürworter eines grundsätzlichen Neuanfangs. In einer Pressemitteilung erklärte er: „Eine ernsthaft zu erwägende Option ist, das bisherige Vergabeverfahren aufzuheben, die Grundlagen für das Projekt anhand der veränderten Bedürfnisse der Stadt neu zu definieren und auf auf dieser Basis neu zu starten.“ Entschieden ist noch nichts. Die Fraktionen müssen beraten und dann im Hauptausschuss sagen, wie es weitergeht.

Architekturbüro für Änderungen offen

Seit Monaten hat das Stuttgarter Architektenbüro Auer und Weber nichts mehr von der Stadt Bergisch Gladbach gehört. Auer Weber zählt in Deutschland zu den renommiertesten Büros. Die Liste der Referenzprojekt ist lang. Etwa die Planung für den Neubau des Münchener Hauptbahnhofs.

Der Leiter für das Gladbacher Projekt, Jörn Scholz, erklärte am Freitag auf Anfrage: „Wir haben keine Informationen und warten ab. Mehr können wir ja leider nicht tun.“ Er könne nicht auf die genauen juristischen Bedenken eingehen, da er sie nicht kenne.

Aber grundsätzlich sei es so, dass auch ein Siegerentwurf eines Wettbewerbs im Nachhinein verändert werden könne. „Wenn das Bauvolumen um 20 Prozent verkleinert werden soll, ist das jedenfalls kein Grund, unseren Entwurf für tot zu erklären.“ Auch die Baumaterialien könnten verändert werden. Das müsse alle besprochen werden.

Anders würden die Dinge liegen, wenn an der Stelle statt eines Verwaltungsgebäude ein Schwimmbad gebaut wird. „Wir haben 2019 einen Wettbewerb gewonnen und ich breche hier eine Lanze für die gesamte Architektenszene: Es ist jedem klar, dass nach einer so langen Zeit der Entwurf angepasst werden muss.“

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