Sarah Prothmann aus Bergisch Gladbach machte ein Praktikum in einem Waisenheim in Burkina Faso. Dort leben 45 Kinder. Viele haben eine traurige Geschichte hinter sich. Der Katharina-Kersting-Verein hilft.
Praktikum in AfrikaBergisch Gladbacherin hilft drei Monate im Waisenhaus von Koudougou

Sarah Prothmann hält einen kleinen Jungen aus der Vorschule in Koudougou auf dem Arm.
Copyright: Susanne Prothmann
Schon als Kind verschickte sie ihre Kleider und selbstgemalte Bilder in ein Waisenhaus in Burkina Faso. Nun, nachdem Sarah Prothmann aus Bergisch Gladbach ihre Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau abgeschlossen hat, entschied sie sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Im März reiste sie für drei Monate nach Burkina Faso, um ein Entwicklungshilfe-Praktikum in einem Waisenhaus zu machen. „Eine Bekannte meiner Mutter betreibt dort einen Verein, der sich für die Waisen einsetzt“, erzählt die 21-Jährige aus dem Ortsteil Hand.
Anfänglich besorgt zeigte sich die Mutter, Susanne Prothmann, die sich umso mehr freute, als ihre Tochter fragte, ob sie sie nicht mitreisen wolle. Die ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts begleitete sie daher ihre Tochter als Reisefotografin und hielt viele Eindrücke aus Koudougou, einer Großstadt in Burkina Faso, in Bildern fest.
Im Internet war wenig über Burkina Faso zu finden
Bald waren die Tickets gebucht, auch der 24-jährige Sohn entschied sich mitzukommen. „Wir hatten zwar keine wirkliche Vorstellung davon, was uns erwartet – im Internet war wenig über Burkina Faso zu finden – wir hatten aber Kontakt zum Verein und den Leuten vor Ort, die uns herzlich empfingen“, so Susanne Prothmann.
„Das Lebensgefühl, das aufkam, war wirklich schön“, erzählt auch ihre Tochter. Für die Einheimischen muss der Anblick von drei weißen Europäern in Burkina Faso wohl ungewöhnlich gewesen sein, kommen dort doch eher selten Touristen zu Besuch. Mit Französisch, was neben der Nationalsprache Mòoré als Amtssprache gilt, klappte die Verständigung aber gut.
Eine Hütte im Waisenhaus von Koudougou
Noch während ihre Mutter und ihr Bruder vor Ort waren, zog Sarah Prothmann in ihr neues Zuhause, eine Hütte im Waisenhaus in Koudougou. Das Haus, das der Katharina-Kersting-Verein aus Bergisch Gladbach, benannt nach der verstorbenen Tochter der Vorsitzenden, gegründet hat, ist Teil eines großen Geländes, das auch eine Vor- und Grundschule beherbergt.

Sarah Prothmann (links) und ihre Mutter Susanne mit Kleinkindern aus dem Waisenhaus.
Copyright: Susanne Prothmann
„Die Hütte, in der ich wohnte, war aus Stein mit einem Wellblechdach. Darin befand sich ein Bett und sogar ein Kühlschrank und ein Ventilator, was bei 40 Grad ganz praktisch war – wenn wir keinen Stromausfall hatten“, erzählt Prothmann. Das sei jedoch häufiger der Fall gewesen. Zwar hätte es eine „normale“ Toilette neben dem Zimmer gegeben und auch einen Duschkopf, fließendes Wasser sei aber nur alle drei bis vier Tage verfügbar gewesen.
Das Wasser musste aus dem Brunnen geholt werden
„Wir haben meistens Wasser aus dem Brunnen geholt oder Regenwasser aufgefangen“, berichtet die 21-Jährige. Anders als die Stromversorgung seien das Mobilfunknetz und die Internetverbindung aber stabil gewesen. Im Gegensatz zu den meisten Einheimischen konnte sich Prothmann mobile Daten leisten, um mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben, auch per Videochat war das möglich.
Schon bald begann für sie auch der eigentliche Zweck ihres Aufenthalts: Die Arbeit im Waisenheim, das 45 Kinder zwischen null und sechs Jahren beherbergt. Außerdem arbeiten dort rund 30 festangestellte Personen, darunter Köche, Wäscherinnen und Wächter.
Als Weiße war es für Sarah Prothmann zu gefährlich, das Areal zu verlassen
„Morgens haben wir die Kinder für die Vorschule vorbereitet: Waschen, Eincremen, Anziehen. Die Babys bekamen neue Windeln und Fläschchen, kleinere Kinder wurden gefüttert, bei den größeren haben wir darauf geachtet, dass sie gut essen. Und natürlich wurde ganz viel gekuschelt und gespielt. Abends dann wieder der gleiche Ablauf, mit Waschen und Zähneputzen.“
Meistens habe Prothmann auch ihre Mittagspause bei den Kindern verbracht. „Wegen der politisch angespannten Situation in Burkina Faso konnte Sarah als Weiße das Gelände auch nicht alleine verlassen“, sagt ihre Mutter. Einsam habe sie sich deshalb nicht gefühlt.

Gemeinsame Mahlzeit: Vorschulkinder teilen sich die große Schüssel mit dem Mittagessen.
Copyright: Susanne Prothmann
Einige Kinder seien anfangs etwas unsicher gewesen, weil die Weiße so anders aussah. „Umso schöner war es, als diese Kinder schon nach kurzer Zeit morgens auf mich zu rannten und sich freuten.“ Besonders beglückend sei es gewesen, einem kleinen Waisen das Laufen beizubringen, berichtet sie.
Und auch das Rhythmusgefühl der Kinder wird Prothmann nicht vergessen. „Ich hatte eine Bluetooth-Box dabei und wir haben eine Art Mini-Disco gehabt. Sie sind total aufgeblüht, wann immer etwas Akustisches lief“, erzählt sie und strahlt.
Viele Familien haben kein Geld, um die Kinder zu ernähren
Dabei hätten viele Kinder eine eher traurige Vorgeschichte, bevor sie ihren Weg ins Waisenhaus fanden. „Viele Mütter versterben bei der Geburt und die Familien haben kein Geld, um das Kind zu ernähren“, berichtet Susanne Prothmann. Dann kämen sie ins Waisenheim, unter der Auflage, dass die Großfamilie sich ab dem sechsten Lebensjahr wieder um sie kümmere. Der Verein übernehme aber weiterhin die Kosten für Nahrung und Schulbildung.
Viele Mütter sterben bei der Geburt.
„Als ich vor Ort war, wurden zwei neue Kinder bei uns abgegeben. Ein Baby war gerade einmal zwei, drei Tage alt und hatte noch die Nabelschnur dran“, berichtet Sarah Prothmann. Unter den Kindern seien auch viele, die aus Inzest stammten.
Diashow in Bergisch Gladbach zeigt Hilfe des Katharina-Kersting-Vereins
Im Mai ging es für Prothmann zurück nach Deutschland. Vor allem auf das Haarewaschen, das sie in Koudougou manchmal nur alle drei Wochen machen konnte, freute sie sich. Aber der deutsche Alltag holte sie schnell wieder ein: „Die Negativität und dass alle immer mehr, immer schneller und immer weiter wollen, das hat mir nicht gefehlt“, fasst die 21-Jährige den Kontrast zu Burkina Faso zusammen.
Man denke immer an „die armen Kinder in Afrika“, sagt ihre Mutter. Aber so sei es in dem Heim nicht. Dank des Engagements des Katharina-Kersting-Vereins und den Spendern gehe es den Kindern gut. Aber auf diese Unterstützung seien sie auch weiterhin dringend angewiesen, um zu überleben. Auch Prothmanns haben daher die Patenschaft für Kinder übernommen.
Die Eindrücke der Reise nach Burkina Faso hat die Familie in einer Diashow zusammengefasst und lädt Interessierte am 17. November ab 19 Uhr ins Forum des Evangelischen Krankenhauses ein, um die Geschichten hinter den Bildern zu erfahren.