Räume und Personal fehlenGesamtschule wehrt sich gegen angeordnete Inklusion

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Die Bezirksregierung Köln hat die Aufnahme von neuen Kindern mit Förderbedarf im neuen Schuljahr angeordnet.

Bergisch Gladbach – Die Schulleiterin der Integrierten Gesamtschule Paffrath (IGP) wehrt sich gegen die Einschulung von Kindern mit Lernschwierigkeiten oder Behinderung – aus Sorge, die Anforderungsniveaus nicht erfüllen zu können.

Die Bezirksregierung Köln hat die Aufnahme von neuen Kindern mit Förderbedarf im neuen Schuljahr nun angeordnet, obwohl auch die Stadtverwaltung erhebliche Vorbehalte vorgetragen hat. Dieses Vorgehen zeigt eine neue Dimension im Streit über die Inklusion auf.

Inklusion an Gesamtschule nicht umsetzbar

Das Prinzip der Inklusion sei an ihrer Schule nicht umsetzbar, erklärt Angelika Wollny in der Sitzung des Schulausschusses: aufgrund der personellen Situation, der Qualifikation der Lehrer, aber auch wegen der räumlichen Ausstattung. „Mit meinem Gewissen kann ich das nicht vereinbaren“, begründet Wollny ihre Entscheidung, sich gegen die Aufnahme von Kindern mit Förderbedarf im kommenden Schuljahr zu widersetzen – trotz ihres Beamtenstatus, der ihr einen solchen Protest eigentlich nicht erlaube: „Ich stehe dazu und werde es ihm nächsten Jahr wieder tun.“

Die Verantwortung für die Kinder mit Förderbedarf an ihrer Schule liege jetzt nicht mehr bei ihr, sondern bei der Bezirksregierung. Wollny schildert den Fall eines gehbehinderten Schülers, der regelmäßig Schulkameraden bitten muss, ihn die Treppe hochzutragen, weil der Fahrstuhl ausgefallen ist. „Für den Schüler ist das sehr demütigend.“

Schulen können weder geeignete Räume noch Sonderpädagogen vorweisen

„Von oben nach unten wird der Erlass der Landesregierung durchgedrückt und unten entsteht das Chaos“, macht Co-Dezernet Bernd Martmann seinen Unmut Luft gegen die Neuausrichtung der Inklusion durch Schwarz-Gelb in NRW. Sie besagt, dass vom Schuljahr 2019/20 an von der fünften Klasse an nur noch Schwerpunktschulen inklusiven Unterricht anbieten dürfen.

Ausgewählt haben die Bezirksregierung und das Schulamt für den Rheinisch-Bergischen Kreis dafür sieben Schulen im Stadtgebiet: Die beiden Gesamtschulen, die vier Realschulen sowie die einzige Hauptschule. Pro Eingangsklasse können bis zu drei Kinder mit Inklusionsbedarf aufgenommen werden.

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In der IGP sind das also 18 Kinder, die dort pro Jahrgang eingeschult werden können. „Aber die Schulen können weder geeignete Räume noch Sonderpädagogen vorweisen, um den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap auch qualitativ erfolgreich aufzubauen“, sagt Martmann.

So würde die Inklusion allen Beteiligten schaden

Drei Mal hat die Stadtverwaltung – mit dabei waren auch Bürgermeister Lutz Urbach und Fachbereichsleiter Dettlef Rockenberg – ihre Bedenken vorgebracht. Die Stadtverwaltung kritisiert zudem, dass die vom Land NRW gezahlten Pauschalen bei weitem nicht ausreichten zu Deckung der Kosten der Inklusion. An Haupt- und Realschulen sei die Situation ebenfalls sehr schwierig, sagt Felix Bertenrath, Leiter der Otto-Hahn-Realschule: „Die Bezirksregierung zwängt bis zu 34 Kinder in eine Klasse, davon zwei Inklusionsschüler.“

Die betroffenen Schulen in der Stadt bitten deshalb die Stadtverwaltung, die Klassenstärke auf 28 zu begrenzen. Uschi Resch, Schulamtsdirektorin beim Kreis, fragt jedoch nach der Alternative: „Diese Kinder haben ein Recht auf einen gemeinsamen Unterricht mit Nichtbehinderten.“

„Ich würde gerne jeden nehmen“, sagt Wollny. Aber so würde die Inklusion allen Beteiligten nur schaden. Es fehle nicht nur an notwendigen Räumen, auch für Schüler, die nicht hören oder sehen können. Es sei geradezu unmöglich Personal zu finden, das den Kindern durch den Tag helfe: „Auf dem Markt gibt es keine Sonderpädagogen. Ich habe eine Stelle sieben Mal ausgeschrieben und keine Bewerbung erhalten“, berichtet Wollny. Von der Bezirksregierung war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.  

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