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Neue Wohnblöcke statt AltbautenRefrather sind besorgt über Veränderungen im Stadtteil

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Umstritten bei Anwohnern: Der Neubau an der Ecke Simonswiese/Stachelsgut ersetzt einen viel kleineren Altbau.

Umstritten bei Anwohnern: Der Neubau an der Ecke Simonswiese/Stachelsgut ersetzt einen viel kleineren Altbau.

Bergisch Gladbach – Alt-Refrath geht verloren, Haus für Haus – so sieht es der Bürger- und Heimatverein und blickt kritisch in die Zukunft. Die Sorge ist groß, dass der Stadtteil seinen Charakter vom Leben im Grünen verliert: durch immer mehr massive Quadratbauten, die Einfamilienhäuser ersetzen. Der Bürgerverein fordert die Stadt auf, der Innenstadtverdichtung Grenzen zu setzen – nicht nur in Refrath.

Am Stachelsgut 38, im direkten Blickfeld zur Alten Kirche, steht eins der letzten Fachwerkhäuser Alt-Refraths – im 19. Jahrhundert Bestandteil eines ganzen Fachwerkdorfs. Für Heimatforscher Hans-Peter Müller ist die historische Bauhöhe des denkmalgeschützten Hauses ein Maßstab, an dem man sich orientieren sollte.

Stattdessen stehen inzwischen auf vielen Grundstücken früherer Altbauten klotzige Gebäude in Würfeloptik, die die benachbarten Giebelhäuser deutlich überragen. Typische Beispiele dafür findet man an den Straßen Stachelsgut, Simonswiese, Sandbüchel und Kirchfeld, meint Müller beim Rundgang durch das Viertel.

Alle Neubauten haben eins gemeinsam: Die Bauherren haben jeden Zentimeter Fläche ausgeschöpft: Gebaut wird bis an die Kante der Grundstücksgrenze heran. Oben auf den Dächern sitzen Sattelgeschosse, um bei der Vermarktung das Maximum an Profit herauszuholen. Die Gärten der Vorgänger-Häuser sind dafür verschwunden. „Der Name Alt-Refrath ist hinfällig“, bedauert Heimatforscher Hans-Peter Müller. Das ehemalige Fachwerkdorf verwandele sich in ein Viertel großer Wohnblöcke.

Bergisch Gladbach baut, um dem großen Wohnungsbaubedarf nachzukommen – und je weniger grüne Wiese dafür in Anspruch genommen werden soll, desto mehr Innenverdichtung muss es geben. Aber wie dicht ist zu dicht? „Nach Art und Maß der baulichen Nutzung“ muss sich ein neues Bauwerk „in die Eigenart der näheren Umgebung anpassen“, heißt es im Paragraf 34 Baugesetzbuch.

„Ein Gummiparagraf“, sagt dazu Manfred Büscher, stellvertretender Vorsitzender des Bürgervereins, auf dessen Grundlage man niemanden zwingen könne, ortstypisch Rotziegel zu verwenden und spitzgiebelig zu bauen. Deshalb fordert der Heimatverein die Stadt auf, der Regellosigkeit Einhalt zu gebieten, etwa mithilfe von Bebauungsplänen.

Das Gefühl, dass immer mehr Grünflächen und Gärten verschwinden, kann Elisabeth Sprenger, Leiterin des Fachbereichs Grundstücksnutzung, gut nachvollziehen: „Das vertraute Umfeld verändert sich in einigen Bereichen Refraths sehr schnell.“ Aber die Erwartung, die der Heimatverein in einen Bebauungsplan setze, könne nicht erfüllt werden.

Es sei zwar richtig, dass Baugrenzen definiert werden könnten. Auch gestalterische Festsetzungen wie die Dachform seien möglich. „Jede Festsetzung muss jedoch einer rechtlichen Überprüfung standhalten können“, erklärt Sprenger.

Schwierig werde das vor allem dann, wenn man für bereits großzügig bebaute Grundstücke mit einem B-Plan das Planungsrecht einschränke, so dass die Stadt hier unter Umständen in die Entschädigungspflicht komme. Insgesamt gebe es in Refrath 58 rechtsverbindliche B-Pläne.

In Vierteln mit einer heterogenen Bebauung wie in Alt-Refrath eröffne dagegen Paragraf 34 Baugesetzbuch der Baugenehmigungsbehörde einen Verhandlungsspielraum. „Die wenigsten Bauvorhaben in Refrath werden genehmigt wie beantragt“, betont Sprenger. Oft liege ein Prozess harter Auseinandersetzungen dazwischen.

Geradezu ein Paradebeispiel für den Verlust von Stadtidentität ist für Müller der Neubau, der an der Ecke Simonswiese/Stachelsgut entsteht. „Absolut ohne Rücksicht auf die Umgebung“, kritisiert Müller. Elisabeth Sprenger ist anderer Auffassung: „Von der Baumasse her orientiert sich das Gebäude an Baukörpern, die in unmittelbarer Nachbarschaft stehen.

„Die Gier der Investoren“

Der Architekturwissenschaftler Michael Werling sieht in der Flut der Mehrfamilien-Kisten ein „furchtbares Übel“. „Hauptursache ist die Gier der Investoren“, glaubt Werling. Allein in den Straßen Sandbüchel, Alt-Refrath und Simonswiese seien bei den Erhebungen für den Denkmalpflegeplan der Stadt acht Einfamilienhäuser als „erhaltenswert“ eingestuft worden. Aber das bedeute keinen Schutz vor Abbruch, erklärt Werling. Die Entscheidung liege allein beim Eigentümer.

„Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie ich im Erbfall reagieren würde“, sagt Bernhard Scholz, Anwohner der Simonswiese. Zwar beobachte er auch mit Entsetzen, wie die Altbauten nach und nach aus dem Ortsbild verschwinden. „Es ist eine Frage von Verzicht oder Gewinn.“ Denn Bauinvestoren würden viel höhere Grundstückspreise als Privatleute zahlen. Insofern entscheide am Ende jeder Grundstücksbesitzer selbst über das Gesicht seines Ortes.

„Wir haben nichts dagegen, dass junge Familien hierhin ziehen“, betont Manfred Büscher. Aber die Umwandlung des Viertels müsse behutsam stattfinden. Er wünscht sich, dass die Bürger eingebunden werden. Dabei ginge es nicht nur um Bauflächen, sondern auch um die Frage, wie viel Verkehr verträgt der Stadtteil?

Ob die Verkehrswege dem Zuwachs entsprechend ausgelegt seien, könne so pauschal nicht gesagt werden, meint Elisabeth Sprenger. Eventuell sei ein Ausbau nötig. Zudem solle auch das Mobilitätskonzept zu einer Reduzierung des individuellen Verkehrs beitragen.

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