Gehen oder bleiben?Debatte um Kirchenaustritt in Bergisch Gladbach nimmt wieder Fahrt auf

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Eine Frau sitzt alleine in der Kirche St. Laurentius in Bergisch Gladbach.

Die Debatte um Kirchenaustritte nimmt nach den Vorgängen rund um das Modellprojekt Bergisch Gladbach wieder Fahrt auf.

Bergisch Gladbachs Ex-Bürgermeister Urbach will aus der Kirche austreten. Wir haben Reaktionen gesammelt.

Gladbachs Ex-Bürgermeister Lutz Urbach hat es vor und lautstark verkündet, SV-09-Präsidiumsmitglied Marianne Broichhaus hat es bereits getan – und Klaus-Dieter Becker plädiert dafür, es gerade jetzt nicht zu tun. Die jüngsten Vorgänge um das Erzbistum Köln und das „Modellprojekt Bergisch Gladbach“ lösen wieder eine Debatte um das Thema Kirchenaustritte aus.

Zuletzt hatte Lutz Urbach, Bergisch Gladbachs ehemaliger Bürgermeister, angekündigt, dass er und seine Frau Tanja aus der katholischen Kirche austreten wollen.

Wie die jüngsten Zahlen des Amtsgerichts belegen, ist die Zahl der Austritte im Rheinisch-Bergischen Kreis wie berichtet von 2021 auf 2022 um 43 Prozent gestiegen: 2348 Menschen sind aus der katholischen und 729 aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Laut Zahlen des Erzbistums Köln lebten im Kreis Ende 2021 gerundet 96 900 Katholiken.

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Bergisch Gladbach: Zwei Monate warten auf Termin beim Amtsgericht

Rund 2,4 Prozent davon sind im vergangenen Jahr also aus der katholischen Kirche ausgetreten. In Odenthal, Bergisch Gladbach, Kürten und Rösrath gibt es laut dem Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch 33 513 Protestanten, dazu kommt die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde.

Die FDP-Fraktion im NRW-Landtag hatte zuletzt eine Anfrage zur Ausstattung der Amtsgerichte bei Kirchenaustritten gestellt. Laut den dazu vom NRW-Justizministerium veröffentlichten Zahlen beträgt die Wartezeit beim Amtsgericht Bergisch Gladbach etwa zwei Monate für einen Termin, um aus der Kirche auszutreten.

Damit liegt das Gericht etwa im Schnitt der des Landgerichtsbezirks Köln. Vier Personen seien beim Amtsgericht Bergisch Gladbach mit der Bearbeitung von Kirchenaustritten befasst. Damit liegt man zusammen mit Bergheim und Wipperfürth im Kölner Bezirk vorne.

Die hohe Nachfrage nach Kirchenaustritten ist auch bei den Notaren angekommen.
Michael Uerlings, Notar aus Bonn

Eine andere Möglichkeit, um aus der Kirche auszutreten, ist, zum Notar zu gehen. „Die hohe Nachfrage nach Kirchenaustritten ist auch bei den Notaren angekommen“, teilt dazu Michael Uerlings, Bonner Notar und Pressesprecher der Rheinischen Notarkammer, mit.

Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie seien besonders viele Menschen gekommen, um eine Unterschrift unter einen Kirchenaustritt zu beglaubigen. „Seitdem hat sich die Lage beruhigt“, so Uerlings weiter. Grundsätzlich verzeichneten die Notare aber deutlich mehr Anfragen als früher.

Wer beim Notar austreten wolle, müsse seine Austrittserklärung vorbereiten, seine Unterschrift beglaubigen lassen und an das Amtsgericht weiterleiten, ein Termin ist dort dann nicht mehr notwendig. Für die Beglaubigung der Unterschrift wird laut Uerlings eine Gebühr von mindestens 30 Euro fällig, dazu kommt die Amtsgerichtsgebühr von 30 Euro.


Barbara Offermann, Ordensschwester

„Zur Zeit führe ich dauernd Gespräche und bitte Menschen, nicht auszutreten, das Ehrenamt nicht hinzuschmeißen, weiter zu Versammlungen und in die Gottesdienste zu kommen... Wir sind doch die Kirche, wir leben als Christen, weil wir von dem überzeugt sind, was Jesus uns als neue Botschaft gebracht hat, und weil das unser Leben besser macht. Wenn wir diese Gemeinschaft verlassen, was bleibt uns dann? Wir brauchen doch einander als Stärkung.“

Lutz Urbach, Ex-Bürgermeister von Bergisch Gladbach

„Nach den schon unerträglichen Vorgängen rund um die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum kommen nun noch Personalentscheidungen im Dekanat hinzu, die wir als völlig untragbar ansehen.“

Marianne Brochhaus, Präsidium vom SV Bergisch Gladbach 09 und Ex-KSK-Regionaldirektorin

„Ich konnte es in der Kirche mit vielen ungelösten Themen nicht mehr aushalten. Ich bin Christin geblieben, keine Katholikin mehr. Meine Entscheidung lag nicht an den geschassten Pfarrern . . . im Gegenteil. Es ist einfach unsagbar traurig.“

Basti Wirtz, Radiomoderator aus Bergisch Gladbach

„Ich bin hin- und hergerissen. Deine Beweggründe sind so klar und so sind es meine auch! Die Kirche ist nicht nur das Erzbistum. Hier sind so viele unheimlich tolle Menschen, die ihrer Berufung folgen in katholischen Einrichtungen. Eine so wichtige Stütze für so viele Menschen. Vielleicht wäre es bei einem Austritt sinnvoll, wenn auch darlegen könnte, warum man diesen Schritt geht. Ob es richtig verstanden wird? Ich habe große Bedenken. Und gleichzeitig den Glauben und auch die Hoffnung, dass sich die Kirche nur so von innen heraus heilen kann.“

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