Bergisch Gladbachs scheidender Bürgermeister Frank Stein blickt zurück – auf anfängliche Freudensprünge und krisenreiche Jahre.
AbschiedWar Frank Stein ein guter Bürgermeister für Bergisch Gladbach?

Der scheidende Bürgermeister Frank Stein (l.) und Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk bei Steins erstem Besuch in der ukrainischen Stadt im Sommer 2022.
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Fünf Jahre war Frank Stein Bürgermeister von Bergisch Gladbach. War er ein guter Bürgermeister?
Stein wurde Bürgermeister, weil es vor sechs Jahren eine außerordentliche Entwicklung gab. Die Spitzen von SPD, Grüne und FDP hatten sich in Gladbach gefunden und Treue geschworen. Lange ist es her, aber dieses Bündnis verbreitete eine ungeheure Euphorie, eine Aufbruchstimmung. Bergisch Gladbach erschien als eine nach Jahrzehnten der CDU-Dominanz verstaubte und eingeschlafene Kommune, die von einem Reformbündnis nach vorne gebracht werden sollte. Und dieses Bündnis wollte Frank Stein, selbst Sozialdemokrat, nicht nur als ihren Bürgermeisterkandidaten, sondern als ihren Anführer. Im Brauhaus am Bock präsentierten Grüne, SPD und FDP ihren Kandidaten. Er selbst sprach damals davon, dass er nur in dieser Parteien-Konstellation bereit gewesen sei, zu kandidieren.
Ampel-Bündnis erhält Mehrheit bei der Kommunalwahl
Bei der Kommunalwahl 2020 erreichte Stein im ersten Wahlgang 52 Prozent und Grüne, SPD und FDP verfügten über die von ihnen so genannte „Gestaltungsmehrheit“. Fünf Jahre später wird Klaus Waldschmidt, der aktuelle und damalige SPD-Fraktionschef, bei Steins letzter Ratssitzung zu Stein sagen „Du warst unser Anker und unser Motor“. Alle Macher des Dreierbündnisses blicken auf den Start der Stein-Ära versonnen, verträumt zurück: „Was war das für eine Euphorie.“
Stein war vor seiner Wahl zum Bürgermeister fünf Jahre lang Bergisch Gladbachs Kämmerer, war Mitglied des Verwaltungsvorstandes - war also bereits eine prägende Figur im Rathaus. Das hinderte ihn aber nicht daran, von einem „Neustart“ zu sprechen, der unbedingt nötig sei. Stein bemühte Superlative, um den Sanierungsstau bei Schulen, Straßen und Infrastruktur zu beschreiben. Verbürgt ist die Geschichte, dass Steins Vorgänger, Lutz Urbach (CDU), eine Klarstellung forderte, als Stein von einer „dysfunktionalen Verwaltung“ sprach, die er übernommen habe. Es gab ein Gespräch und eine Art Entschuldigung. Stein scheute die direkte Auseinandersetzung, die „Schlammschlacht“, die ja zu nichts Gutem führe. Also moderierte er den Streit weg.
Geduldiger Rathauschef
Dieses „Wegmoderieren“ ist eines der Kennzeichen von Steins Amtszeit. Die Streithähne jeglicher Couleur kamen ins Bürgermeisterbüro und Stein schaffte es fast immer, einen Kompromiss zu finden. Mitarbeiter aus dem Rathausbüro berichten, dass sie ihren Chef nicht einmal wirklich wütend oder gar polternd oder schreiend erlebt hätten. Ein Mitglied der Verwaltungskonferenz, der nicht namentlich genannt werden will, sagt es so: „Seine Geduld ist einfach nur bewundernswert.“
Aber nur mit Geduld und guten Worten wäre Stein nicht weitergekommen. Er hatte etwas Wunderbares für einen Bürgermeister gefunden: Geld. Als Kämmerer hatte er eine Buchungsmethode angewandt, die der Stadt zwar keine direkte Liquidität brachte, aber als Buchungstrick Millionen Euro auf dem Papier. Beim „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren“ wird der Gewinn der städtischen Gesellschaften hin- und hergeschoben und - oh Wunder - die Stadt wird auf dem Papier reicher. Alles ganz legal. 110 Millionen Euro wurden so für die Stadt gehoben. Allerdings ist es ein Einmaleffekt. Steins Nachfolger muss ohne dieses Geld auskommen.
Seine Geduld ist einfach nur bewundernswert.
Der neue finanzielle Spielraum und Steins Fähigkeit als Kämmerer ließen Wünsche und Träume wahr werden. Schulen, Kindergärten, aber auch Vereine bekamen zumindest eine Perspektive aufgezeigt.
Wer weiß, wie es weitergegangen wäre. Wenn nicht wegen Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Flüchtlingsansturm Stein und die gesamte Verwaltung in den Krisenmodus umschalten mussten.
Reformbündnis bröckelt
Die Stimmung im Reformbündnis wurde immer schlechter. Der 2023 verstorbene FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg Krell, einer der Architekten des Bündnisses, konnte und wollte weder den Umgang mit Finanzen noch die Arbeitsweise der Verwaltung mittragen. Krell war ein Mann aus der Privatwirtschaft - Stein kam aus der Verwaltung und dachte immer in den Kategorien und Regeln der Verwaltung. Stein verglich seine Rolle in diesem Bündnis nun als eine Art Mischung aus Feuerwehrmann und Löwendompteur. In unzähligen Nachtsitzungen suchte er nach Kompromissen, versuchte immer wieder Brücken zu bauen - die andere vor seinen Augen wieder einrissen. Er verlor nicht die Geduld, aber schließlich die FDP. Wegen der „starren ideologisch geprägten Haltung“ des Bündnispartners schmiss die FDP das Handtuch. Das Reformbündnis war gescheitert. Das konnte Stein nicht wegmoderieren. SPD und Grüne wollten mit Stein weitermachen. In der Verwaltung hatte das Bündnis Pflöcke eingeschlagen. Mit Kämmerer Thore Eggert (FDP) und dem ersten Beigeordneten Ragnar Migenda (Grüne) sollte an den Zielen festgehalten werden. Es begann die Phase der ständigen Suche nach politischen Mehrheiten.
Steins Verhältnis zur stärksten Fraktion im Rat, der CDU, war von Anfang an belastet. Sicher durch das Narrativ des „Neuanfangs“ - das ja impliziert, dass früher alles schlecht war. Aber noch tiefer war der Graben zwischen den Parteien des Reformbündnisses und der CDU. Die CDU sollte spüren, wie es ist, wenn eine Mehrheit ohne Rücksicht auf Verluste durchregiert. Die CDU hat das nie vergessen, das Tischtuch zwischen dem Rest-Reformbündnis aus Grünen/SPD und CDU war zerschnitten. Stabile Mehrheiten waren ein Ding der Unmöglichkeit, auch wenn es zwischen Stein und Michael Metten, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden, regelmäßige Treffen gab.
Rückzug aus der Kommunalpolitik
Im März 2024 erklärte Stein, dass er bei der Kommunalwahl 2025 nicht kandidieren werde. Seine Begründung war eine sehr persönliche: „Nachdem meine Frau über fast vier Jahrzehnte meine beruflichen und politischen Ambitionen vorbehaltlos unterstützt hat, ist es nun an mir, ihr zukünftig stärker als bisher zur Seite zu stehen – mehr als mir das im Amt des Bürgermeisters möglich wäre.“
Jeder im Rat und in der Verwaltung wusste, dass das nicht vorgeschoben war. Und doch war auch Stein persönlich am Ende seiner Kräfte - und seiner Möglichkeiten. Zum Ende seiner Amtszeit hat Stein einen „Verwaltungsbericht 2020 - 2025“ anfertigen lassen. Auf 48 Seiten wird fleißig zusammengestellt, wie die Stadt - aus der Sicht Steins - nach vorne gebracht worden war. Gründung der Schulbau GmbH, Schulsanierungen, Grundsteinlegungen, Stadthaus-Umzug, Klimakonzept, Digitalisierung, Zanders - alles wirklich große Brocken, die angepackt und bewegt wurden. Abgeschlossen wurde keines der Großprojekte. Stein ist ein Weichensteller, kein Finisher.
Da habe ich erst gemerkt, wie sehr mir diese direkten Kontakte gefehlt haben
Und Stein ist ein Gemütsmensch. Einer der gerne mit Menschen zusammen ist, der gerne feiert und der gerne hilft. Das konnte er zu Beginn seiner Amtszeit wenig bis gar nicht unter Beweis stellen. Stein war Corona-Bürgermeister. Abstand und Masken hielten Stein von den Bürgern fern. Das änderte sich mit der Zeit. Stein: „Da habe ich erst gemerkt, wie sehr mir diese direkten Kontakte gefehlt haben.“ Es gibt auf kommunaler Ebene keine Popularitätsumfragen. Aber der „Frank“ war von Feuerwehr bis Karnevalisten unterwegs. Besonders engagiert war er bei der Partnerschaft mit Butscha in der Ukraine. Und da hat er einen besonderen Wunsch: „Ich möchte es noch erleben, dass ich mit einer Passagiermaschine nach Kiew fliegen kann.“
Stein muss jetzt, wie er sagt, lernen, Privatmensch zu werden. Aus der Tagespolitik werde er sich konsequent heraushalten. Ein Termin ist allerdings schon in seinem Kalender markiert. Die Prinzenproklamation 2026. „Da werde ich mit meiner Frau im Hotel Malerwinkel ein Zimmer nehmen und wir werden mitfeiern.“
Ist Stein ein guter Bürgermeister gewesen? Der Blick auf die harten Fakten lässt viel Interpretationsspielraum. Weil eben so vieles nicht abgeschlossen wurde und ungewiss ist, was daraus wird. Steins Nachfolger und Freund Marcel Kreutz (SPD) wird sich wohl mit einem Haushaltssicherungskonzept herumplagen müssen und was aus Zanders wird, ist die große Frage. Stein hat im Laufe seiner Amtszeit viele Weichen gestellt. Bei vielen ist nicht klar, wohin sie führen - bei manchen ist fraglich, ob über diese Gleise jemals ein Zug einfährt. Stein, heißt es selbst beim politischen Gegner, sei ein „Guter“ – das Wort „Bürgermeister“ braucht es da gar nicht.

