Erneuerbare EnergieIn Rhein-Bergs Kommunen wird über Standorte für Windräder diskutiert

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Ein Windrad ragt in den mit Wolken verhangenen Himmel.

In Rhein-Berg wird über mögliche Standorte für Windkraftanlagen diskutiert.

Lange wehrten sich Politik und Bürger gegen Windräder in Rhein-Berg. Doch jetzt wird wieder über mögliche Standorte diskutiert. 

Rückenwind für regenerative Energieformen. Vor dem Hintergrund der Energie-, Klima- und Umweltkrise erleben Solar-, Wind und Wasserkraft einen neuen Aufschwung. In Odenthal wird aktuell wieder über Windräder diskutiert, ein Zukunftsprojekt, dem politisch allerdings durch die SPD starker Gegenwind entgegenbläst. Auch in Kürten tut sich wieder etwas. Für Windräder herrschte in den vergangenen Jahren fast überall Flaute. Das lag nicht etwa am fehlenden Wind.

Nach der Windkraft-Potenzialstudie, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) 2012 vorlegte und einer Folgestudie von 2022, herrschen fast überall in NRW ab einer Höhenlage von 125 Metern Windgeschwindigkeiten, die „wirtschaftlich gute Voraussetzungen für die Windenergienutzung mit modernen Windenergieanlagen“ bieten. Wind ist also da, auch in den Kommunen des Rheinisch-Bergischen Kreises, doch entsprechende Bauflächen fehlen. Das besonders in Bergisch Gladbach. Die Kreisstadt gilt seit jeher als zu dicht besiedelt, um hier Windkraftanlagen zu errichten.

Kaum Windkrafträder in NRW

Seit 2017 in NRW der Mindestabstand einer Windkraftanlage von 1000 auf 1500 Meter zur nächsten Wohnbebauung erhöht worden war, kam kaum noch ein neues Rotorblatt im dicht besiedelten Landstrich in Schwung.

Noch zu Zeiten der 1000-Meter-Abstandsregel, die seit 2021 erneut wieder gilt, hatten nur 0,3 bis 1,7 Prozent der Landesfläche (8700 bis knapp 60 000 Hektar) die Kriterien als Standort für Windräder erfüllen können. Wohnhäuser und heikle Infrastruktur, Natur- und Wasserschutzgebiete, Landschaft- und Artenschutz – viele Aspekte müssen berücksichtigt werden und jeder kann das Aus für eine geplante Anlage bedeuten.

Rhein-Berg diskutiert schon lange über Windkraft

Schon 2003, dann in einer zweiten Welle zehn Jahre später, wurde in etlichen Kommunen des Kreises, darunter auch Overath, Kürten und Rösrath, intensiv über Windräder diskutiert, wurden Standorte gesucht. Doch Gegenwind gab es stets: Entweder fehlten Flächen oder Bürgerinitiativen wehrten sich, verwiesen auf die in ihren Augen drohende Verschandelung der Landschaft, auf störende Betriebsgeräusche und Schlagschatten oder eine Gefährdung von Vögeln durch die Rotorblätter.

In Kürten sträubte sich eine politische Mehrheit mit Händen und Füßen gegen die Anlagen, die weithin in der Landschaft zu sehen sind. Später einigte man sich auf eine Vorrangfläche. In Ortsteil Dicke war ein Investor schon weit mit den Bauplänen fortgeschritten, mit der kommunalen Vorrangfläche wurde er aber auf einmal auf die kleine Parzelle nach Herweg verwiesen.

Die aber war für ihn nicht wirtschaftlich nutzbar, die Vorrangfläche machte als „Verhinderungsfläche“ die Runde. Da auch nur höchstens 100 Meter in die Höhe gebaut werden durfte, war das Thema irgendwann durch - der Investor plante mit 155 Metern, was manchem Planungspolitiker buchstäblich auf die Palme gebracht hatte.

Odenthal sucht Flächen für Windenergie

So wundert es nicht, dass in NRW Ende 2020 nur 3764 Windenergieanlagen in Betrieb waren. Das einzige Windrad im Rheinisch-Bergischen Kreis dreht sich seit 2007 in Witzhelden (siehe „Wo der Wind schon arbeitet“). Alle NRW-Anlagen zusammen hatten einen Anteil von 8,2 Prozent an der Stromerzeugung im Land. Bis 2030 ist in NRW fast eine Verdoppelung der heutigen Leistung angestrebt.

Aber dazu braucht es zusätzliche Anlagen, die wiederum benötigen geeignete Standorte und die sind nur schwer zu finden, wie derzeit auch die Debatte in Odenthal zeigt. Ende Dezember 2022 reagierte das Klimaschutz- und Energieministerium mit einem Erlass: Erlaubt sind nun auch Windräder auf sogenannten „Kalamitätsflächen“, sprich vom Borkenkäfer entwaldete Gebiete.

So eine Fläche ist der ehemals bewaldete Klauberg in Odenthal, der nun wieder als Standort für ein bis drei Windräder im Gespräch ist. Das war er schon einmal im Jahr 2013. Damals scheiterten die Pläne am großen Widerstand aus Bevölkerung und Politik (siehe „Chronologie eines Windrads“).


Chronik eines Windrads

  • Das Beispiel Odenthal zeigt, wie sich der Umgang mit Windenergie entwickelt hat:
  • 2012: Veröffentlichung der Windkraft-Potenzialstudie NRW. Für Rhein-Berg nennen Studien fünf mögliche Standorte für maximal zwölf Windräder, darunter auch der Klauberg in Odenthal.
  • Juni 2013: Die CDU lehnt einen Windpark am Klauberg wegen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ab. Keine Mehrheit findet auch die Finanzierung eines Gutachtens zur Suche anderer Standorte.
  • Dezember 2021: NRW-Erlass zur Freigabe von Kalamitätsflächen (tote Waldflächen) zum Bau von Windrädern.
  • Oktober 2022: Vor dem Hintergrund der Energie- und Klimakrise stellt der Windanlagenbetreiber WPD Möglichkeiten für maximal drei Windräder auf dem Klauberg vor. Im Gemeinderat äußern SPD und FDP erhebliche Bedenken gegen den Bau von Windrädern auf dem Klauberg.
  • Januar 2023: Die SPD Odenthal fordert ein Votum der Bürger zu Windrädern auf dem Klauberg. (spe)
„Wir müssen alles versuchen, um bis 2025 CO2-neutral zu werden
Willi Heider, Kürtens Bürgermeister

2012 hatten drei verschiedene Studien für den Rheinisch-Bergischen Kreis fünf Flächen ausgemacht, auf denen insgesamt neun bis zwölf Windräder denkbar seien. Während damals die Agger-Energie für Overath und Wermelskirchen kein Potenzial ermittelt hatte, nannte die Belkaw-Studie für ihren Bereich drei mögliche Flächen: Neben dem Klauberg in Odenthal mit vier bis fünf Windrädern auf 40 Hektar.

Auch in Kürten weht heute ein anderer Wind: „Wir müssen alles versuchen, um bis 2025 CO2-neutral zu werden“, gibt Bürgermeister Willi Heider die Marschrichtung vor. Und dazu gehöre auch der Einsatz von Windrädern. Eventuell lasse sich eine Windkraftfläche im Bereich am Pferdskopf umsetzen. Außerdem sei eine 850 Quadratmeter große Fläche für eine Windkraftanlage geeignet, am Ortsrand von Herweg. Auch im Grenzgebiet zwischen Burscheid und Wermelskirchen ermittelte man damals ein Areal für ein Windrad.

Alle Flächen klassifizierte die Belkaw mit „geringer oder mittlerer Eignung“. Schließlich nannte eine Studie der Stadt Rösrath zwei potenzielle Flächen für Windräder: Auf dem Berg Lüderich wären theoretisch ein bis zwei Windräder möglich, in Boddert, an der Grenze zur Stadt Overath eine weitere Anlage. Theoretisch, weil viele Fragen unberücksichtigt blieben, etwa die des Artenschutzes oder der Wegeanbindung.


Wo der Wind schon arbeitet

  • 1050 und damit landesweit die meisten Windräder drehen sich im Regierungsbezirk Münster, gefolgt von Detmold (1013), Köln (668), Arnsberg (627) und Schlusslicht Düsseldorf (406).
  • 1 einziges Windrad steht derzeit im Rheinisch-Bergischen Kreis: in Witzhelden. Es wurde 2007 gebaut. Im benachbarten Langenfeld, das zum Kreis Mettmann gehört, erzeugen seit 2018 zwei Windräder Energie, in Remscheid Dörpmühle stehen ebenfalls zwei Anlagen, die bereits seit 2004 in Betrieb sind.
  • 24 Windkraftanlagen stehen laut Mitteilung der Landesstatistiker von IT NRW im benachbarten Oberbergischen Kreis. Bereits 2001 gingen zwei Windräder in Reichshof an den Start, ein Jahr später gingen zwei Anlagen in Radevormwald ans Netz. 2002 wurde auch der Windpark Wönkhausen im Oberbergischen mit acht Anlagen errichtet. Seit dem Jahr 2005 stehen nahe der Autobahn 45 in Gummersbach-Lieberhausen zwei Windkraftanlagen.
  • 5 652 Gigawattstunden (GWh) Strom aus Windkraft wurden im ersten Halbjahr 2022 ins nordrhein-westfälische Stromnetz eingespeist. Damit machte die Windkraft an der gesamten Stromeinspeisung 9,6 Prozent aus. Insgesamt werden in NRW 11 045 GWh aus erneuerbaren Energien in das Stromnetz eingespeist. Mehr als die Hälfte davon kommt also von der Windenergie. (spe, abr, wg)
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