Dass der Kürtener als Täter eines 22 Jahre alten Mords infrage kommt, verdankt die Polizei verfeinerten Auswertung von DNA-Spuren.
„Cold Case“DNA-Spuren am Ärmel belasten Kürtener Angeklagten in Mordprozess

Im Jahr 2003 soll der Angeklagte seinen Nachbar ermordet haben und steht deshalb nun vor Gericht. (Symbolbild)
Copyright: Swen Pförtner/dpa
Seit 22 Jahren sucht ein Kriminalfall nach seiner Lösung. Jetzt gibt es einen mutmaßlichen Täter im Fall Tino W. aus Bad Driburg, und jener Mann aus Kürten sitzt in Paderborn auf der Anklagebank. Wie viel Wissenschaft dahinter steckt, das zeigte der fünfte Verhandlungstag dieses Mordprozesses. Tino W. (29) wurde am 12. November 2003 tot in seiner Wohnung in Bad Driburg gefunden. Er war erdrosselt worden, Wertgegenstände fehlten, jemand hatte sein Auto einen Kilometer weit weg gefahren. Aber bis zum Mai 2025 gab es keinen Anhaltspunkt, wer der Täter sein könnte. Dass ein 57 Jahre alter Mann aus Kürten, der zur Tatzeit W.s Nachbar gewesen war, als Täter in Frage kam, verdankt die Polizei ihrem Ehrgeiz, die bisher ungelösten Mordfälle doch noch zu lösen – und verfeinerten Methoden bei der Auswertung von DNA-Spuren.
Seit 2022 hat Nordrhein-Westfalen die so genannte Cold-Case-Einheit, in der sich pensionierte Ermittler auf die Aufklärung ungeklärter Tötungsdelikte der letzten 50 Jahre konzentrieren. Und in dieser nahm man sich der Spuren im Mordfall Tino W. noch einmal an. Pensioniert ist Dr. Dirk Porstendörfer noch nicht, er ist aber seit Jahrzehnten Sachverständiger für forensische DNA-Analytik beim Landeskriminalamt – und berichtete dem Schwurgericht als solcher von den DNA-Spuren, die nach und nach mit verschiedenen Methoden ausgewertet wurden. Dank des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts habe man auch aus Spuren, die 2003 und in den darauf folgenden Jahren keine Rückschlüsse auf Personen ergeben hätten, jetzt Erkenntnisse gewinnen und diese bewerten können.
Spuren wurden auch auf dem Auto des Opfers gefunden
Es gebe am Lenkrad des Opel Astra, der Tino W. gehörte, eine Spur, die auf drei so genannte Spurenleger hinweisen: eine zwar nicht besonders gute Spur, aber rechnerisch „mit großer Wahrscheinlichkeit“ eine des Angeklagten. Deutlich stärker sei eine Spur am Ärmel des weißen Jogginganzugs, mit dem Tino W. zum Zeitpunkt seines gewaltsamen Todes bekleidet war: Diese lasse keinen Zweifel zu, dass der damalige Nachbar sie hinterlassen habe.
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Die Spurenverteilung am Ärmel sei, so der Gutachter, zu 60 Prozent auf Tino W. und 40 Prozent auf den zweiten Spurenleger zu verteilen. Zur Frage nach der Intensität des Kontaktes, mit dem die Spur übertragen worden sein könnte, sagte der Gutachter: „Der Besitzer eines Kleidungsstückes fasst dieses oft an, da sind 40 Prozent für eine einfache Griffkontaktspur durch eine andere Person definitiv zu viel.“ An dem Stromkabel hingegen, mit dem Tino W. erdrosselt wurde, war jüngst der Angeklagte als Spurenverursacher noch ausgeschlossen worden.
Eine Auswertung des Handys des Kürteners steht noch aus
Von den insgesamt 123 Mikrofolien, die die Spurensicherung damals abgenommen hatte, sind jedoch in dem neuen Anlauf bisher nur 28 molekularbiologisch untersucht worden. Erst unmittelbar vor dem bisher letzten Verhandlungstag sind weitere 95 zum Rechtsmedizinischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München übersandt worden, um weitere Abgleiche vorzunehmen. „Das hätte man etwas früher machen können“, kommentierte Vorsitzender Richter Eric Schülke den Schritt. Wann dazu Ergebnisse vorliegen, ist unklar.
Auch mit einem Beweisantrag der Verteidigung muss sich das Schwurgericht noch befassen. Eine Auswertung des Handys des Angeklagten soll beweisen, dass dieser an seinem Wohnort in Kürten „ein gutes nachbarschaftliches, fast freundschaftliches Verhältnis“ zu einem Homosexuellen pflege – die Staatsanwaltschaft wirft dem 57-Jährigen vor, Tino W. aus Schwulenfeindlichkeit und Habgier getötet zu haben. Der Prozess wird fortgesetzt.


