Prominenz im Gespräch„Literatur am Dom“ startet mit Jürgen Becker und Frank Schätzing

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Frank Schätzing antwortete redegewandt auf die Fragen von Denis Scheck.

Frank Schätzing antwortete redegewandt auf die Fragen von Denis Scheck.

Odenthal – Von der lokalen Umgebung bis zur globalen Politik reicht das Programm am Eröffnungsabend des Festivals „Literatur am Dom“. Zunächst kann das Publikum auf dem Platz neben dem Altenberger Küchenhof in die Welt von Büchner-Preisträger Jürgen Becker eintauchen, bevor Frank Schätzing in einer zweiten Veranstaltung Maßnahmen gegen den Klimawandel diskutiert.

„Es hat mich überrannt, und es bewegt mich sehr, dass Altenberg in der Gemeinde Odenthal ein Ort der Literatur wird“, sagt Jürgen Becker im Gespräch mit Joachim Sartorius über das Festival. So liegt es nahe, dass er sich bei der Lesung aus seinen Büchern auf Odenthal konzentriert. Es sei neben seinem Kölner Domizil seit 1963 „der Ort meines Schreibens“ sagt Becker, der am 10. Juli seinen 90. Geburtstag feiert. Im Freien vor der Kulisse des Altenberger Doms, an einem hochsommerlichen Abend, wirken Beckers Zeilen aus dem Gedichtband „Odenthals Küste“ noch eindringlicher. Auch den von seiner verstorbenen Frau Rango Bohne gepflegten Garten lässt Becker über seine Romanfigur Lena für das Publikum plastisch werden.

An Odenthal als Schauplatz des Festivals knüpfte Jürgen Becker im Gespräch mit Joachim Sartorius an.

An Odenthal als Schauplatz des Festivals knüpfte Jürgen Becker im Gespräch mit Joachim Sartorius an.

Becker: „Orte schreiben immer mit“

Becker weist auf die Bedeutung des Orts für sein Schreiben hin, sei es die Kölner Bucht oder auch Berlin: „Diese Orte schreiben immer mit.“ Auch die Jahreszeit habe einen Einfluss. Er habe zuletzt auch bewusst auf das „Prinzip Wiederholung“ gesetzt, die Botschaft sei: „Da ist etwas, das gesagt worden ist, noch nicht zu Ende gesagt.“ Als ein Flugzeug über Becker und sein Publikum hinwegbraust, bezieht er auch diesen äußeren Einfluss in seine Gedanken ein: Er erinnert sich an eigene Reisen und Blicke vom Flugzeugfenster auf den Altenberger Dom. Dieses Herangehen setzt sich in Beckers soeben erschienenem Band „Die Rückkehr der Gewohnheiten“ fort, bei dem Sartorius von „tagebuchartigem Schreiben“ spricht.

Literarische Hochkaräter am Dom

Festival-Programm bis Sonntagabend

Hocherfreut über den Start des Festivals zeigte sich Sema Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein über den Start des Literaturfestivals in Altenberg. Sie ist Vorsitzende des „Fördervereins Literatur am Dom“, der es veranstaltet. „Es war wunderbar, in Ihren Sog gezogen zu werden“, sagte sie nach dem Auftritt von Jürgen Becker an die Adresse des Autors, der zum Auftakt des viertägigen Programms zu Gast war.

„Literatur am Dom“ findet erstmals statt. Der Förderverein strebt eine Neuauflage an. Einziger Sponsor ist bislang die Volksbank Berg, der Förderverein hofft aber auf weitere Unterstützer.

Mit hochkarätigen Gästen, darunter Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller, läuft das Festivalprogramm bis Sonntag, 26. Juni. Einzelheiten zum Programm stehen auf der Internetseite des Fördervereins, dort sind auch noch Karten erhältlich. (tr)

Eine völlig andere Atmosphäre herrscht bei der folgenden Veranstaltung mit Bestseller-Autor Frank Schätzing, der im Gespräch mit Literaturkritiker Denis Scheck sein Buch „Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise“ vorstellt. Das Publikum erlebt es als faktenreiches Sachbuch, das auch unterhaltsam daherkommt – etwa wenn Schätzing in der einzigen vorgelesenen Passage von einem Taxifahrer erzählt, der sich als Verschwörungstheoretiker erweist. Dass bei dem Buch von einem Wissenschaftsthriller die Rede ist, wird hingegen nicht nachvollziehbar – anders als Schätzings Aussage zur Klimakrise, dass die Menschheit „in einem Thriller“ lebe.

Schätzing für den Kampf gegen den Klimawandel

Wortgewandt wirbt der Autor für die Handlungsmöglichkeiten jedes Einzelnen: Wer mehr zu Fuß gehe und Rad fahre, weniger Fleisch esse oder weniger Kleidung kaufe, mindere den CO2 -Ausstoß. Anschließend stellt er aber fest, dass die so erzielte Minderung längst nicht ausreiche, sondern eine radikale Wende zu sauberen Technologien nötig sei. Die naheliegende Frage, wozu dann das zuvor empfohlene individuelle Handeln nütze sei, wird nicht gestellt.

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Andere Widersprüche werden bei den Nachfragen deutlicher. So will er mit Blick auf den Ukraine-Krieg wissen, ob die „die Zukunft“ der Panzerhaubitze gehöre: Darauf antwortet Schätzing mit Nein, wenig später erklärt er aber, „Herr Putin darf keinen Fußbreit gewinnen“. Ohne Panzerhaubitze? „Am Ende des Tages“ – das ist eine von Schätzing inflationär gebrauchte Redewendung – bleiben also Fragen offen.

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