Raketen beenden TraumurlaubFamilie Geperle aus Odenthal saß sechs Tage in Israel fest

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Ein Mädchen steht in einer Herzskulptur, hinter ihr geht die Sonne im Meer unter.

Der Israel-Urlaub der Geperles startete wie erhofft: Mit Sonnenuntergängen am Strand.

Die Familie musste 5.000 Euro für ihre Rückreise aufbringen und fühlt sich wegen wenigen Informationen vom Auswärtigen Amt alleine gelassen.

Mit Israel verbindet Familie Geperle ein familienfreundliches Land mit tollen Spielplätzen. „Die sind viel schöner als hier“, sagt Sergej Geperle. Er und seine Familie wollten sich das Land anschauen, Urlaub machen, die Kultur und Menschen kennenlernen.

Dafür hat sie sich ein kleines Ferienhaus in Netanya gemietet, eine knappe dreiviertel Stunde von Tel Aviv entfernt. Dort waren die vier viel am Strand oder haben Ausflüge gemacht, zum Beispiel nach Jerusalem. „Es war super interessant dort“, erzählt Irene Geperle.

Aus Urlaub wird Krieg

Die Familie hatte noch viel vor, doch aus den Plänen wird nichts mehr: Am siebten Tag ihres Urlaubs schoss die Hamas Raketen ab, der Terrorangriff auf Israel begann und die Geperles waren plötzlich in einem Land, das sich im Krieg befindet.

„Damit konnten wir nicht rechnen“, sagt Sergej Geperle. Die Familie habe sich vor ihrer Reise genau informiert, ob ein Urlaub in Israel sicher ist. Sowohl Bekannte, die von dort kommen, als auch das Auswärtige Amt hätten bestätigt, dass die Lage dort sicher und nicht angespannt sei. „Auch im Land hatten wir nicht den Eindruck, dass die Menschen mit einem Angriff rechnen“, sagt Geperle.

Zivilisten in israelischer Stadt tragen Maschinengewehre 

Schlagartig hätte sich die Stimmung im Ort verändert. Die Menschen hätten erschrocken und wachsamer gewirkt. Das Militär sei durch die Straßen gelaufen und überall hingen Schilder, wie man sich verhalten solle, wenn eine Bombe einschlägt. „Es sind auch Zivilisten mit Maschinengewehren rumgelaufen. Uns hat das erst beunruhigt, aber später haben wir erfahren, dass das in Israel ganz normal ist“, erinnert sich Sergej Geperle.

Aus der Ferne hätte die Familie es immer wieder knallen gehört. Sie hätten sich am Verhalten der Einheimischen orientiert und da diese nicht in Panik verfallen seien, hätten sie auch versucht, ruhig zu bleiben. Das sei gar nicht so leicht gewesen. „Die Israelis schienen das gewöhnt zu sein. Aber wir, die noch nie eine Bombe gehört haben, hatten schon Angst“, erzählt Irene Geperle.

Aber ich konnte meiner Tochter doch nicht erzählen, dass ein Krieg ausgebrochen ist
Sergej Geperle, Versicherungsvertreter

Damit ihre Kinder so wenig von der Situation mitbekommen, wie möglich, hätten sie versucht, sich normal zu verhalten. Sie seien in ein anderes Zimmer gegangen, wenn die Angst doch überwog oder es schlechte Neuigkeiten gab. „Aber die Kinder haben natürlich trotzdem mitbekommen, dass etwas nicht stimmt“, sagt Irene Geperle.

Angst vor dem lauten Knallen

Ihr einjähriger Sohn Arseny sei sehr unruhig gewesen und habe nicht gut geschlafen. Und ihre neunjährige Tochter Katharina hatte Angst, vor dem lauten Knallen. „Ich habe ihr gesagt, dass auf der Baustelle in der Nähe bestimmt nur etwas runtergefallen ist“, erzählt Sergej Geperle. Hinterher habe sie ihm vorgeworfen, dass er sie angelogen hat. „Aber ich konnte ihr doch nicht erzählen, dass ein Krieg ausgebrochen ist“, erklärt er.

Trotzdem seien sie dann von ihrem Ferienhaus in ein Hotel in Tel Aviv umgezogen. „Das Haus war so alt, dass es keinen Schutzraum im Keller hatte“, sagt Irene Geperle. Auch wenn zu der Zeit noch hauptsächlich im Süden Israels gekämpft wurde, sei es ihnen sicherer vorgekommen, in einer Unterkunft mit Bunker zu wohnen.

Die Familie sitzt in einem Restaurant mit Meerblick.

Die ersten sechs Tage ihres Israel Urlaubs hat Familie Geperle genossen.

Blutzuckerspiegel dauerhaft zu hoch

Katharina Geperle ist Diabetikerin und sie sollte so viel Ruhe wie möglich bekommen. Durch den ganzen Stress sei ihr Blutzuckerspiegel dauerhaft zu hoch gewesen. „Wir haben gespritzt und gespritzt, aber der Wert ist einfach nicht runtergegangen“, schildert ihr Vater. Dazu kam, dass der Insulinvorrat noch für zwei Wochen gereicht habe und sie nicht wussten, wie lange es dauert, bis sie Israel verlassen können.

Denn die Organisation der Rückreise sei katastrophal gewesen: „Wir haben uns aufs Auswärtige Amt verlassen, das war ein großer Fehler“, sagt der Odenthaler. Nach dem Überfall der Hamas hätten sie sich sofort informiert, wie sie Israel am besten verlassen könnten.

„Wir haben uns auf die sogenannte Elefant-Liste schreiben lassen“, schildert er. Die Familie sollte per Mail informiert werden, sobald es Evakuierungsflüge der Regierung gebe. Als Alternative sei ihnen angeboten worden, dass sie selbst nach Flügen schauen oder mit dem Auto über die Jordanische Grenze das Land verlassen. „Mit den Kindern war das viel zu gefährlich“, sagt Irene Geperle.

Odenthaler kümmern sich schließlich alleine um Ausreise aus Israel

Da vom Auswärtigen Amt keine Informationen kamen, haben die Geperles schließlich selbst versucht, Flüge zu buchen. Sergej Geperle habe Tag und Nacht nach Flügen gesucht, Buchungsformulare ausgefüllt und sei immer wieder gescheitert. „Sobald es darum ging, die Buchung abzuschließen, kam die Meldung, dass der Flug nicht mehr verfügbar ist“, schildert er. Zwischenzeitlich sah es so aus, als hätte die Familie keine Chance, zeitnah das Land zu verlassen. An einen Flug zu kommen, schien beinahe unmöglich.

Das Zimmer im Hotel waren nur für ein paar Tage reserviert, die Buchung konnte nicht verlängern werden, weil die Zimmer schon für die Evakuierten vorgesehen waren. „In einem Land, in dem Krieg herrscht, ohne Unterkunft. Ich weiß nicht, was wir gemacht hätten“, blickt Irene Geperle zurück.

Odenthaler ärgern sich, dass sie sich auf das Auswärtige Amt verlassen haben

Durch Bekannte, die sie im Hotel kennengelernt haben, hätten sie von einem Reisebüro mitbekommen, das noch Flüge organisieren konnte. Dort buchten sie Flüge nach Istanbul, um erst einmal wegzukommen. Vom Auswärtigen Amt hätten sie auch nach Tagen noch keine zuverlässigen Informationen bekommen. „Wir hätten uns von Anfang an selbst um die Ausreise kümmern sollen. Ich hätte sofort einen Flug gebucht und wir wären weg gewesen. Aber wir haben gedacht, das Auswärtige Amt weiß schon, was es tut“, ärgert sich der Versicherungsvertreter.

Familie Geperle sitzt auf der Couch in ihrem Haus.

Familie Geperle ist wieder zurück in Odenthal und versucht das Erlebte zu verarbeiten.

So hätten sie viel Zeit und Geld verloren. „Die Rückreise hat uns 5000 Euro gekostet“, sagt er. Hätten sie nicht einige Tage gewartet, hätte es noch mehr Flüge zu günstigeren Preisen gegeben. Geperle habe eine gute Verbindung zu seiner Bank, sodass er sein Kreditkartenlimit hochsetzten konnte.

„Es sollte keine Frage des Geldes sein, sicher aus einem Kriegsgebiet nach Hause zu kommen“

Da die Familie auf so viele Wege versucht hatte, eine Rückreise zu buchen, wussten sie nicht, wie viele Kosten noch auf sie zukommen. „Es sollte keine Frage des Geldes sein, sicher aus einem Kriegsgebiet nach Hause zu kommen“, findet Irene Geperle. Nicht jeder könnte sich es leisten, solche Beträge aufzubringen.

Außerdem habe das Auswärtige Amt eine Hotline eingerichtet, die in Israel feststeckten. „Es hat drei Euro pro Minute gekostet, aus Israel dort anzurufen. Mein Guthaben war sofort aufgebraucht“, schildert Sergej Geperle.

Sie haben ihre Familie in Deutschland damit beauftragt, bei der Hotline anzurufen, auch wenn sie die Nummer nicht an Dritte hätten weitergeben dürfen. „Das wären aber Unsummen an Telefonkosten geworden. Das kann doch nicht sein“, findet er. Es habe eine Menge Zeit gefressen, darauf zu warten, jemanden ans Telefon zu bekommen. Und wenn sie jemanden erreicht hätten, hätte die Person ihnen nicht weiterhelfen können.

Odenthaler kritisieren Auswärtiges Amt

„Es kann nicht sein, dass man in so einer Situation von der Regierung alleine gelassen wird“, findet Irene Geperle. Sie haben nicht erwartet, kostenlos ausgeflogen zu werden. „Alles, was wir gebraucht hätten, waren zuverlässige Informationen. Aber die haben wir nicht bekommen“, erklärt sie.

Die beiden hätten den Eindruck gehabt, dass die Behörden ihr Vorgehen nicht richtig durchdacht haben. „Auch die Aussage, dass 100.000 Menschen ausgeflogen werden müssen, ist Quatsch. Auf der Liste standen 4.000 Leute. Das ist auch viel, aber überschaubarer“, sagt sie. Die Geperles finden, dass es für die Verantwortlichen Konsequenzen geben muss. „Wer seinen Job nicht richtig macht, muss dafür gerade stehen“, sagt Irene Geperle.

Der Ärger und Schock sitzen tief. „Ich fange gerade erst an, zu realisieren, dass wir wirklich in einem Kriegsgebiet waren“, sagt Sergej Geperle. „Für mich ist es, als wäre ich nie dort gewesen. Ich habe das noch nicht verarbeitet“, sagt seine Frau. Aber auch der gute Eindruck und die schönen Erinnerungen bleiben: „Die ersten sechs Tage waren toll.“

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