DreigestirnErstmals in 100 Jahren kommen in Steinenbrück Kinder an die Macht

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Thessa Stratmann, Miran Gündüz und Ben Himperich tragen ihre Kostüme als Prinzessin, Bauer und Prinz.

Das Sülztal-Dreigestirn geht noch in die Kita: Prinzessin Thessa Stratmann, Bauer Miran Gündüz und Prinz Ben Himperich.

100 Jahre hat es gedauert, bis die KG Lustige Brüder aus Overath-Steinenbrück erstmalig die Kinder an die Spitze der Macht lässt. Das Kinder-Dreigestirn aus der Kita „Der Regenbogen“ wird das erwachsene Sülztal-Dreigestirn in der kommenden Jubiläumssession ersetzen.

„Wir stehen auf dem Wagen und werfen Kamelle.“ Prinz Ben scheint etwas verwundert über die Frage, was denn ein Dreigestirn mache. Dass es deswegen sogar einen Pressetermin gibt, findet der Fünfjährige auch eher überflüssig. Da die Sache aber von Bedeutung zu sein scheint, legt er gewichtig nach: „Und ich werfe sogar Kugelschreiber.“

Die meisten Mitglieder der kleinen KG waren bereits in Amt und Würden

100 Jahre hat es gewährt, bis die KG Lustige Brüder aus Overath-Steinenbrück erstmalig die Kinder an die Spitze der Macht lässt. Das Kinder-Dreigestirn aus der Kita „Der Regenbogen“ wird das erwachsene Sülztal-Dreigestirn in der kommenden Jubiläumssession ersetzen. Ein Novum, nicht nur in Overath.

Ein wenig ist es auch der Tatsache geschuldet, dass die gut 50 Mitglieder des Vereins entweder aus dem Prinzenalter raus sind oder im Laufe der Jahre bereits in Amt und Würden gewesen sind. In der Leitung hat sich der älteste Karnevalsverein Overaths zuletzt verjüngt. Der erste Vorsitzende Marco Pomplun (34) ist bereits mehr als sein halbes Leben in der KG und plädiert für „frischen Wind“. Präsident und Geschäftsführer Rolf Lambertz (38) hatte sogleich die frische Idee, das seit einigen Jahren aufgestellte Kinder-Dreigestirn zu „befördern“.

Sponsoren gesucht

  • Um die Kosten für Kostüme und Wurfmaterial zu decken, sucht die Kita „Der Regenbogen“ noch nach Sponsoren. Neben den Eltern zahlen bereits spezielle Aktionen wie „Cake to go“ und eine Sankt Martins-Tombola in die Karnevalskasse ein. Sponsorinnen und Sponsoren können sich per Mail an die Kita wenden.

Kita-Leiterin Dörte Außem honoriert die Kugelschreiber-Ankündigung ihres Prinzen mit ehrfurchtsvoller Mimik, und Ben Himperich reagiert mit der Galanterie des Adels: „Wenn du einen brauchst, kann ich dir einen zuschmeißen.“ Mit einem Seitenblick auf seinen Bauern, gibt er dem sechsjährigen Miran Gündüz zu verstehen, dass sie bestimmt gleich spielen können.

Die dritte im Bunde, Prinzessin Thessa Stratmann, weilt währenddessen bei der Anprobe. Was Prinzessinnen halt so tun. Auch die Kita Regenbogen hat Jubiläum: Sie wird 50. Und sie hat mit Corona eine extrem herausfordernde und kraftraubende Zeit hinter sich. Die Anfrage der KG Lustige Brüder trat daher eine Woge freudiger Energie los.

Das Kinder-Dreigestirn ist ein Großprojekt

Aus dem Nichts entstand ein Großprojekt, an dem alle Kinder, Eltern und das komplette Team beteiligt sind. „Wenn das keiner mehr macht, dieses Brauchtum zu pflegen“, sagt Dörte Außem, „dann wird es sterben.“ Schon viele Jahre wird jenes Brauchtum in der Kita aktiv vermittelt: Unbeschwert, verkleidet, tanzend, lachend und singend. „Wer bei uns war, weiß wie’s geht“, so Außem.

Dörte Außem, Leiterin der Kita Der Regenbogen, Marco Pomplun (l.) und Rolf Lambertz, erster Vorsitzender und Präsident der KG Lustige Brüder

Kita-Leiterin Dörte Außem mit Marco Pomplun (links) und Rolf Lambertz von der KG Lustige Brüder

Die KG Lustige Brüder wurde 1923 von Bergleuten gegründet. Eine Steilvorlage für das Kita-Team. Der Wagen erhält einen Förderturm, die Fußgruppe geht als Steiger und in bergmännischer Ausgehkleidung. Wie diese aussieht, hatte Siegfried Raimann, Bergbau-Experte und Ehrenmitglied der KG, bei einem Besuch in der Kita vorgeführt – begleitet von kindgerechten Geschichten zu Eisen und Schlägeln, Stollen und Schächten. „Das will ich auch mal machen“, schwärmt Bauer Miran immer noch vom Erzabbau.

Doch der Prinz bremst ihn etwas und lässt seine Zuhörerschar wissen, er selbst wolle das erst mit 18 machen. Oder vielleicht auch schon mit 17. Das Kinderdreigestirn gibt es im Regenbogen schon ein paar Jahre. Die Auswahl war dieses Mal besonders schwierig. „Die Kinder sollten vor einer größeren Gruppe sprechen können“, sagt Außem, „lieber also etwas extrovertierter sein.“

Jede Kita-Gruppe ist im Trifolium vertreten

Dann gibt es Regeln. Aus jeder der drei Gruppen ein Kind: Ein Bär, eine Maus, ein Grashüpfer. Prinz, Bauer und Jungfrau. Die Bären waren turnusgemäß dran mit dem Prinzen. Ein Dreigestirn hat traditionell Verpflichtungen: Proklamation, Sitzungen, Schlüsselübergabe an Weiberfastnacht, Rosenmontagzug. Auch wenn es einen pädagogisch geschulten „Prinzenführer“ aus dem Kollegenkreis gibt: Die Eltern müssen bereit sein, das alles zu unterstützen.

Prinzenmutter Saskia Himperich bezeichnet sich selbst als „Karnevalistin durch und durch“. Die ganze Familie sei total aus dem Häuschen. Bereits in den Wehen ließ sie sich noch schnell ins Klösterchen in der Severinstraße fahren, damit Ben als „kölsche Jung“ zur Welt kommt. Dörte Außem kam in Köln-Kalk zur Welt. Ihr Vater Sachse, ihre Mutter Dortmunderin, ihr Kindheitstraum: Funkemariechen.

Die Eltern schenkten ihr ein Kostüm, und sie trug es mit Stolz. In einer Gruppe getanzt hat sie nie. Jetzt hautnah dabei sein zu können, lässt den Traum viele Jahre später – wenn auch anders – in Erfüllung gehen. „Ich werde nur heulen“, prophezeit sie.

Der Bauer schwärmt für seinen tollen Hut

Prinz und Bauer sind von derartiger Melancholie weit entfernt. Sie fachsimpeln über ihre Kostüme. „Ich finde das Zepter am schönsten, weil da sind Edelsteine dran“, sagt Ben. Mirans Lieblingsstück ist „der tolle Hut“.

Und an der abwesenden Prinzessin Thessa findet er vor allem die langen Zöpfe schön. Außerdem hat er Hunger. Langsam könnte man zum Ende kommen. Der Prinz nimmt es in die Hand. „Ich mach' mich jetzt mal aus dem Staub“, sagt er unvermittelt und rauscht mit dem Bauern zusammen ab. Die Frauen überlegen, ob Ähnliches auch auf der Bühne passieren könnte und befinden es als unerheblich. „Wenn sie keinen Bock haben, haben sie keinen Bock“, bekundet Saskia Himperich schulterzuckend.

Und Dörte Außem sagt: „Sie sollen einfach nur Spaß haben, und nicht wie dressierte Affen dastehen und unsere Erwartungen erfüllen.“ Und so geht es um das Brauchtum, aber auch um das, was die Kita tagtäglich tut, und was sich charmant mit dem Bergbau zum Karnevalsmotto gefügt hat: „Wir fördern Kinder!“


Bergleute gründeten 1923 die „Lustigen Brüder“

Am 17. Februar 1923 gründeten Steinenbrücker Bergleute der Grube Lüderich die heutige Karnevalsgesellschaft „Lustige Brüder“. Es waren schwierige Zeiten und die hohe Inflation führte zu Entlassungen in der Bergbaugesellschaft Altenrath. Jedoch verloren die „verlassenen Brüder“, wie sie sich anfangs nannten, niemals ihren bergischen Humor.

In Punkt 1 der heute noch gültigen Vereinssatzung heißt es: „Zweck der Gesellschaft ist, Frohsinn und Gemütlichkeit zu fördern, gemeinschaftliche Zusammenkünfte zur Erholung der Mitglieder in frohem Kreise anzustreben, um Arbeit und Sorge des Alltags zu vergessen.“ Im Jahre 1928 wurde der erste Prinz in Steinenbrück proklamiert, 1963 das erste Dreigestirn.

1964 fanden die ersten Tanzpaare zusammen, aus denen die heutigen „Steinenbrücker Schiffermädchen“ entstanden. Mit wenigen Ausnahmen organisiert die heutige „KG Lustige Brüder Steinenbrück 1923 e.V“ an Rosenmontag den Karnevalszug in Steinenbrück und Untereschbach. Anstehende Termine: Festkommerz 100 Jahre KG Lustige Brüder am 21. Januar mit anschließender Karnevalsparty; Kinderkarneval am 12. Februar; Rosenmontagszug mit anschließendem Prinzenball am 20. Februar. Alle Veranstaltungen finden in der Glück Auf Halle in Untereschbach statt. Eintrittskarten können per Mail vorbestellt werden.  

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