Historische Bilder aus OverathPfarrer und Boxtrainer – Die Geschichte eines Kirchorts

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Heiligenhaus Priester Boxer

Seelsorger  und Boxer: Pfarrer Michael Schmitz trainierte auch die Boxer des Heiligenhauser Sportvereins. 

Overath – Michael Schmitz stand mit beiden Beinen im Leben: Als Pfarrer ließ er beim Neubau der Kirche im Untergeschoss neben Versammlungsräumen für die Jugend auch eine Kegelbahn installieren, begeisterte Menschen nicht nur für den Glauben, sondern auch für das vielfältige Gemeindeleben. Und in seiner „Freizeit“ trainierte er obendrein eine eigene Boxabteilung im örtlichen Heiligenhauser Sportverein. Damit ist der 2017 verstorbene Seelsorger mindestens so vielseitig wie der Ort, in dem er wirkte.

Tiefe Einblicke nicht nur in die facettenreiche Geschichte des Overather Höhenorts Heiligenhaus, sondern auch in den außergewöhnlichen Zusammenhalt seiner Bewohner bietet jetzt ein neues Heimatbuch, mit dem Dr. Hartwig Soicke und Josef Haupts eine Lücke in den Ortschroniken der Overather Kirchdörfer schließen.

Heiligenhauser Karnevalsfreunde und Konsumgenossenschaft

Auf fast 290, reich bebilderten und dezent mit zahlreichen Fußnoten-Belegen versehenen Seiten schlagen sie einen großen Bogen von den naturräumlichen Gegebenheiten und Spuren steinzeitlicher Menschen bis zur heutigen Ortsstruktur. Vom mittelalterlichen Polizeiweg über den Höhenrücken zwischen Sülz und Agger ist ebenso die Rede wie von der Zeit des Nationalsozialismus, dem Bau der Autobahn 4 in der Nachbarschaft und der bis heute nie verwirklichten Ortsumgehung für Overath über den Heiligenhauser Berg.

Heiligenhaus Motorräder

Auch das gab’s: Motorradrallye des MSC Heiligenhaus 1956 auf der Alten Kölner Straße durch den Ort. 

Der Land- und Forstwirtschaft vor mehr als 100 Jahren ist ebenso Raum gewidmet wie dem 1978 aufgegebenen Bergbau am Lüderich oder Originalen wie dem „Hexekerlche.“ Brauchtumsmotoren wie die Heiligenhauser Karnevalsfreunde sind ebenso vertreten wie Initiativen von der Historischen Konsumgenossenschaft „Glück Auf“ über die Katholische Frauengemeinschaft bis zur Internationalen Nachbarschaft Overath-Heiligenhaus.

Drei Kirchbauten, 3000 Einwohnerinnen und Einwohner

Neben der chronologischen Darstellung zeigen Querschnittthemen von Kirche über Schule und Infrastruktur bis hin zum Vereinswesen und Brauchtum mehr als die rasante Entwicklung eines Ortes, der noch vor gut hundert Jahren nur aus einige Häusern an der Kreuzung der historischen Brüderstraße (und späteren B 55) von Köln ins Siegerland und dem Polizeiweg zwischen Siegburg und Wipperfürth bestand.

Heiligenhaus Sängerchor

Ein musikalisches Aushängeschild des Orts: der MGV „Sängerchor“ Heiligenhaus. 

Nicht nur drei Kirchbauten, die nacheinander entstanden und allesamt bis heute in ganz unterschiedlicher Weise genutzt werden, sind einzigartig in der Region. Auch der Gemeinschaftssinn der Menschen in dem erst im 20. Jahrhundert zum Ort mit rund 3000 Einwohnern gewachsenen Kirchdorf ist außergewöhnlich. 

Sport, Chöre, Karneval, Feuerwehr und Laientheater

Sichtbar wird das nicht nur darin, dass einer der Kirchbauten heute als gesellschaftlicher Ortsmittelpunkt von einem engagierten Verein getragen wird und der Kreisverkehr auf der historischen Kreuzung vor einigen Jahren in einer beispielhaften Gemeinschaftsaktion gestaltet wurde, sondern auch in einem breit gefächerten gesellschaftlichen, kulturellen, sportlichen, sozialen und kirchlichen Leben im Höhenort.

Heiligenhaus Scheinwerfer

Flak-Scheinwerfer in Großdorbusch. 

Ob Sport, Chorgesang, Karneval, Feuerwehr samt Laientheater, Schule oder Kindergärten – der Ort lebt von den Menschen, die ihn prägen und prägten und nicht selten Aufsehen weit über die Ortsgrenzen hinaus ernteten. So wie der langjährige Landrat Dr. Rolf Hahn, nach dem heute die Sportanlage benannt ist, der MGV „Sängerchor“ Heiligenhaus, der zwölfmal den Meisterchortitel errang, oder eben der langjährige Pfarrer Michael Schmitz.

Neues Standardwerk für Lokal- und Regionalgeschichte

Mit dem neuen Heimatbuch kann der Leser gedanklich durch den Ort vergangener Jahrzehnte schlendern, sieht noch einmal Gaststätten wie das längst abgerissene Gasthaus Tix, das einst an der zentralen Kreuzung im Ort stand, oder Lebensmittelläden wie den von Elisabeth und Wolfgang Gewalt, der erst in den 1960er Jahren entstand, als Heiligenhaus durch zahlreiche Neubauten rasch wuchs. In ihrer Darstellung machen die Autoren nicht an der Dorfgrenze Halt. Im Gegenteil. 

Heiligenhaus Kreisverkehr

Gestaltung des Kreisverkehrrondells. 

Bei Themen wie der frühzeitlichen Entwicklung des Raums, aber auch des Zweiten Weltkriegs oder der Entstehung der Evangelischen Kirchengemeinde im Aggertal greifen sie oft in die Region hinaus, ordnen ein und steuern ein profundes neues Standardwerk für die Lokal- und Regionalgeschichte bei.

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Stets mit dem Fokus darauf, wie Geschichte eine Region und ihre Menschen geprägt hat und weiter prägen wird. „Regionalgeschichte steht nicht nur für Geschehenes, sondern ist gleichfalls das Fundament, auf dem wir stehen und unsere Zukunft gestalten“, so Hartwig Soicke.

Heiligenhaus Supermarkt

Alles an einer Theke: Elisabeth Gewalt bedient um 1965 eine Kundin im Laden an der  Neuenhauser Straße 4. 

Heiligenhaus – Aus der Vergangenheit in die Gegenwart, von Dr. Hartwig Soicke und Josef Haupts, herausgegeben vom Bürger- und Trägerverein Pfarrsaal Heiligenhaus e.V., 286 Seiten, 312 Abbildungen, Verlag Bücken & Sulzer, Overath 2020, ISBN 978-3-947438-28-0. Erhältlich zum Preis von 20 Euro unter anderem in der Katholischen Öffentlichen Bücherei Heiligenhaus, in der örtlichen Postagentur sowie in der Buchhandlung Bücken.

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