Andere ZeitenDie Geschichte der Overather Winterschule, die nie eine war

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Baufahrzeuge stehen vor einem alten Gebäude.

Für die Kinder von den Bauernhöfen der Umgebung wurde das Gebäude an der Siegburger Straße errichtet – genutzt wurde es nie.

Winterschulen sollten Kindern von Bauern, die als Arbeitskräfte gebraucht wurden, eine grundlegende Schulbildung ermöglichen. 

Schule, Freizeitaktivitäten, daddeln am Handy oder der Spielkonsole – so sieht heute für die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen der Tagesablauf aus. Im 19. Jahrhundert war für den Nachwuchs insbesondere in bäuerlichen Betrieben nicht an ein derart entspanntes Leben zu denken: Die Kinder und Jugendlichen jener Zeit waren auf den elterlichen Höfen wichtige Arbeitskräfte.

Reiner Janßen beschreibt in seinem Beitrag für die Achera 15 des Bergischen Geschichtsvereins Overath, wie der landwirtschaftliche Verein in Rheinpreußen einen Ausweg aus dem Dilemma suchte und fand: Damit die Mädchen und Jungen jener Zeit als Arbeitskräfte in den elterlichen Landwirtschaften zur Verfügung standen und dennoch eine schulische Ausbildung erhielten, ersann der Verein die „landwirtschaftlichen Winterschulen“, die von November bis März eines Jahres eine theoretische Ausbildung der Mädchen und Jungen ermöglichten, als Fachschule für Landwirtschaft und ländliche Hauswirtschaft.

Es dauerte lange, bis Pläne konkret wurden

Die erste Winterschule im Bergischen Land wurde 1875 in Gummersbach eröffnet, seit 1880 war der Bau einer „landwirtschaftlichen Winterschule“ immer wieder Thema im Overather Gemeinderat.

Doch es verging viel Zeit, bis die Pläne für die Schule konkreter wurden, in der Zwischenzeit gab es in der Volksschule eine landwirtschaftliche Fortbildung für Mädchen und Jungen, wie Janßen recherchiert hat, einmal in der Woche und für ein paar Stunden auch sonntags.

Overath als Standort einer Winterschule war aufgrund der günstigen Bahnverbindung mit der Aggertalbahn attraktiv für die Bewohner der Bauernhöfe links und rechts des Aggertals und Wahscheids. Bereits 1882 fasste der Overather Gemeinderat den Beschluss zum Bau einer landwirtschaftlichen Winterschule für die Overather Bauernkinder.

Schüler aus Overath müssen doch nach Much

Es sollte noch bis 1926 dauern, bis die landwirtschaftliche Winterschule in der Siegburger Straße bezugsfertig war, die Gebrüder Linder erhielten den Zuschlag für den Bau des neuen Schulgebäudes.

Doch am selben Tag, an dem die Schule in Overath fertig war, kam von der Landwirtschaftskammer in Bonn die Absage zugunsten einer Schule in Much. Die Kinder und Jugendlichen von den Bauernhöfen in und um Overath mussten nun nach Much, um sich theoretische Kenntnisse anzueignen.

Janßen schreibt: „Die Frage des Schulstandortes entwickelte sich zum Politkrimi. Es zeigt sich im Nachhinein, dass sich schon damals ohne ‚Klüngel‘ wenig machen ließ.“ Das fix und fertige Schulhaus in Overath wurde zunächst für Wohnzwecke umgebaut, in den 1930er Jahren hatten „Hitlerjugend“ und „Bund deutscher Mädel“ hier Gruppenräume, nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Polizeistation in das Schulgebäude ein.

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