Margret und Wolfgang Rieve haben der Stummelflut in Bedburg den Kampf angesagt. Tausende Kippen in wenigen Monaten gesammelt.
KippensammlerBedburger kämpfen gegen achtlos weggeworfene Zigarettenstummel

Tausende Kippen im Glas: Margret und Wolfgang Rieve aus Kaster haben den Zigarettenstummeln im Bedburger Stadtgebiet den Kampf angesagt.
Copyright: Dennis Vlaminck
Dr. Wolfgang Rieve hat penibel Buch geführt. Für den 12. Juni sind für die Brunnenstraße in Königshoven 186 Kippen eingetragen. An drei Tagen im Juli waren es 1535 Zigarettenstummel auf dem Kirmesplatz. Oder am 25. August 196 Kippen vor der Tennishalle in Kaster. Alles in allem hat der 91-Jährige von Juni bis September, zum großen Teil gemeinsam mit seinem früheren Kollegen Wolfgang Pitz, 6795 Kippen im Bedburger Stadtgebiet aufgesammelt.
„Das ist eine unglaubliche Zahl“, sagt Rieve, der früher als niedergelassener Arzt in Kaster gearbeitet hat. Zumal wenn man bedenkt, dass es sich bei den Stummeln nicht um irgendeinen verrottenden Abfall handelt, sondern um mit Giftstoffen belasteten Müll. „Das ist pures Gift“, sagt Rieve. Eine einzige Kippe könne etliche Liter Wasser verschmutzen. Die Expertenangaben schwanken, manche gehen von 40 Litern, manche von gar 1000 Litern Grundwasser aus, das von nur einem achtlos weggeworfenen Zigarettenstummel verseucht werden kann.
Bedburg: 7009 Kippen für ein halbes Jahr im Kataster verzeichnet
Rieves Kampf gegen die Kippen nahm seinen Anfang mit zwei Operationen. „Danach musste ich viel gehen, um beweglich zu bleiben“, sagt der Mediziner. Bei den Spaziergängen mit Pitz fiel den beiden auf, wie viele Zigarettenstummel überall herumlagen. Sie begannen kurz vor Weihnachten 2024, die Kippen zu zählen, und legten ein Kataster an. Bis Ende Mai verzeichneten sie 7009 Kippen im Stadtgebiet. Ab dann jedoch lasen sie die Filter auch auf.
Alles zum Thema Deutsche Bahn
- Konjunktur Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?
- Schwerer Unfall Person am Bahnübergang in Hennef von Zug getötet – Bahnstrecke wieder frei
- Kippensammler Bedburger kämpfen gegen achtlos weggeworfene Zigarettenstummel
- Reiseverkehr an den Festtagen Mehr Bahntickets zu Weihnachten verkauft als im Vorjahr
- Kuriositäten Ein Jahr auch zum Schmunzeln: Die Kuriositäten 2025
- Tierischer Jahresrückblick Affenbaby und Jubiläumselefant - NRWs Tiere des Jahres 2025
- Großprojekt Bei der Planung für die Rheinallee in Königswinter sind kleine Anpassungen noch möglich
In ihrer Dokumentation ist nur die Spitze des Eisbergs verzeichnet. Wirklich zählbar ist das Ausmaß nicht. Das zeigt allein ein Besuch des Bedburger Bahnhofs. „Im Gleisbett liegen flächendeckend Tausende Kippen“, sagt Rieve, der von seiner Frau Margret unterstützt wird. Dort könne er jedoch nicht aufsammeln.
Auch andere Schwerpunkte gebe es reichlich. Vor Bäckereien etwa, wo draußen an Tischen ein Kaffee getrunken würde. Oder grundsätzlich vor Geschäften. „Die Leute gehen einkaufen und werfen vor dem Betreten des Ladens noch schnell die Kippe einfach weg“, berichtet Rieve. Unterwegs ist er mit einer Greifzange und einer Pinzette. Die aufgelesenen Kippen landen in großen Glasbehältern, die bereits bis zum Rand gefüllt sind. Auch Kronkorken sammelt der 91-Jährige noch mit ein.
Rieve will es aber nicht beim bloßen Sammeln und Dokumentieren belassen. Sein Ziel: Raucher und auch Behörden zu sensibilisieren, denn die Kippen stellten eine große Belastung für die Umwelt dar. „Es gibt Hunderte Mülleimer mit Kippenbehältern im Stadtgebiet“, sagt Rieve. „Die Raucher sind noch nicht mal in der Lage, die Kippen dahinein zu werfen.“ Die Stummel lägen oft einfach rundherum.
Empfindliche Strafen für das Wegwerfen von Kippen, das dann aber auch von Ordnungsämtern verfolgt werden müsste, wären hilfreich, ist Rieve überzeugt. Die Schweiz etwa gehe konsequent gegen die Stummelflut vor. „Wer dort beim Wegwerfen einer Kippe erwischt wird, muss so viel zahlen, dass er es nie mehr macht“, sagt Rieve. „Warum schaffen wir das nicht?“ Bis zu 300 Schweizer Franken, also rund 320 Euro, muss bezahlen, wer auch nur kleinste Mengen Abfall wegwirft.
Mitnahmedöschen für die Kippen, weitere Abfalleimer vor Geschäften – es gebe viele Wege, für ausreichend Entsorgungsmöglichkeiten zu sorgen, glaubt Rieve. Und: Aufklärung sei wichtig, auch originelle Ideen könnten helfen, der Kippenflut Einhalt zu gebieten. Bedburgs Nachbarstadt Grevenbroich etwa will mit „Abstimm-Mülleimern“ dazu anregen, die Kippen zu entsorgen.
Und in Schweden läuft nahe Stockholm ein Pilotprojekt, bei dem wilde Krähen Zigarettenstummel von Straßen aufsammeln sollen – für jede Kippe, die eine Krähe in eine eigens dafür entwickelte Station wirft, erhält der Vogel eine Futterbelohnung. Die Vögel sollen sich freiwillig beteiligen. Man setzt auf die hohe Intelligenz und die Werkzeuggebrauchsfähigkeiten der Rabenvögel.

Zahlreiche auf den Boden geworfene Zigarettenstummel liegen auf dem Pflaster.
Copyright: dpa
„Wir vergiften uns doch selbst mit diesen Dingern“, sagt Rieves Frau Margret. Die Filter enthielten etwa Nikotin, Blei, Arsen oder Cadmium, giftige Stoffe, die in die Umwelt gelangten. Dabei gebe es sehr sinnvolle Wege der Entsorgung. So führe eine Firma in Köln große Mengen an Zigarettenstummeln der Wiederverwertung zu, indem aus den Filtern nach einem aufwendigen Verfahren zum Beispiel Parkbänke gefertigt würden.
Verwarngeld in Höhe von 25 Euro für die achtlos entsorgte Kippe
Die Stadt Bedburg verweist auf rund 200 öffentliche Mülleimer mit Aschenbecher im Stadtgebiet, „damit die Zigarettenstummel bei uns in Bedburg nicht achtlos auf den Boden geworfen werden“, sagt Nico Schmitz von der Pressestelle. „Diese Mülleimer sind gezielt an öffentlichen Plätzen und häufig frequentierten Bereichen aufgestellt, um das richtige Entsorgen der Zigarettenstummel für die Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern.“
Zudem habe es bereits eine öffentlichkeitswirksame Kampagne gegeben, mit der die Stadt dafür geworben habe, unter anderem Zigarettenstummel, Hundekotbeutel und anderen Müll unterwegs in die dafür vorgesehenen öffentlichen Abfallbehälter zu entsorgen.
Wer dennoch achtlos Zigarettenstummel entsorgt, kann in Bedburg mit einem Verwarnungsgeld in Höhe von 25 Euro belegt werden. „Auch wenn die Ahndung des Verstoßes das richtige Timing und die passende Beobachtung erfordert, wurden in der Vergangenheit bereits entsprechende Verstöße durch unser Ordnungsamt geahndet“, sagt Schmitz.
In Deutschland werden pro Jahr etwa 64 Milliarden Zigaretten geraucht, so auf der Website des Bundesdrogenbeauftragten zu lesen. Von diesen gerauchten Zigaretten – geht man vom weltweiten Durchschnitt aus – laut Schätzungen zwei Drittel unsachgemäß entsorgt werden. Das wären also etwa 42 Milliarden Zigarettenstummel, die schlimmstenfalls in der freien Natur landen.
„Auch wenn Zigarettenstummel vielleicht wie Watte oder etwas Natürliches aussehen: Tatsächlich ist das Plastik, Mikroplastik. Das bekommen wir nie wieder aus der Umwelt heraus“, ordnet Janine Korduan ein. Sie ist Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Zusätzlich seien die kleinen Plastikteilchen ein Magnet für Schadstoffe. Besonders beim Rauchen verbleibe ein ganzer Cocktail an Giftstoffen im Filter. Darunter das Nervengift Nicotin, Arsen, Blausäure und auch Schwermetalle wie Blei oder Kupfer.
Schadstoffe gelangen durch das Regenwasser bis ins Grundwasser und können so das Trinkwasser schädigen
„Sobald es regnet, gelangen die Schadstoffe durch das Regenwasser bis ins Grundwasser und können so das Trinkwasser schädigen“, sagt die Expertin. So ist etwa Nicotin besonders gut wasserlöslich. 30 Minuten Regen genügen, um bereits die Hälfte des Nervengifts aus einem Zigarettenfilter auszuwaschen.
Die Schadstoffe sind dabei nicht nur für den Menschen krebserregend, sondern vergiften auch Fische und Vögel, mahnt Korduan: „Ein Zigarettenstummel in einem Liter Wasser kann innerhalb von vier Tagen die Hälfte aller darin enthaltenen Fische töten.“

