Bei Unfall beide Beine verlorenBedburgerin teilt ihr Schicksal mit Tausenden Fans

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Angie Berbuer (1)

Vor nicht mal einem Jahr verlor Angie Berbuer beide Beine. Heute kann die 21-Jährige schon wieder laufen, wohnt wieder allein und hat sich selbstständig gemacht.

  • Im November 2019 verlor Angie Berbuer bei einem schweren Unfall auf der A 61 bei Koblenz beide Beine.
  • Die heute 21-jährige Bedburgerin hat sich dadurch allerdings nicht ihren Lebensmut nehmen lassen.
  • Wir haben sie besucht.
  • Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Text aus unserem Archiv, der unsere Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 07.10.2020 veröffentlicht.

Bedburg – Ihre neuen Beine fühlten sich an wie Stelzen, beschreibt Angie Berbuer. „Als würde man auf Knien gehen und Stelzen dranmachen“, sagt die 21-Jährige. Sie steht am Herd und kocht frischen Ingwertee. Eine Kaffeemaschine hat sie nicht, deshalb gibt es am Morgen Tee bei unserem Besuch in ihrer neuen Wohnung in Bedburg. Seit März lebt sie dort. Drei Zimmer hat die Wohnung und einen Balkon mit Aussicht ins Grüne. Sie ist ebenerdig und hat besonders breite Türrahmen. Perfekt für Berbuer, die dank der neuen Prothesen zwar schon wieder laufen kann, trotzdem aber zu Hause noch oft im Rollstuhl sitzt. „Da bin ich einfach schneller“, sagt die junge Frau pragmatisch. Es war ein schwerer Unfall im November des vergangenen Jahres, der sie beide Beine gekostet hat.

Gassigehen mit ihrem neuen Hund Charly, shoppen mit der Freundin – sowas erledigt Berbuer bereits mit ihren Prothesen. Die Höhe und die Angst zu fallen seien nach Monaten im Rollstuhl am schwersten zu bewältigen gewesen, als sie Mitte März die Prothesen bekommen habe. „Das Wichtigste beim Laufen ist das Fallen. Wenn du keine Angst mehr vorm Fallen hast, geht’s.“

Der Unfall

Am 5. November 2019 ist Angie Berbuer mit einem Freund in dessen neuem Auto auf der A 61 bei Koblenz unterwegs. Das Auto stößt bei Tempo 110 mit einem Lastwagen zusammen. Die beiden stellen es sicher auf dem Standstreifen ab und warten auf die Polizei.

Berbuer will die Unfallstelle sichern und öffnet den Kofferraum. Ein Krankentransportwagen kracht ungebremst mit Tempo 120 in das stehende Auto und trennt der 21-Jährigen ein Bein vollständig ab, das andere beinahe vollständig. (smh)

Angie Berbuer kommt gut mit den Prothesen zurecht. Als der Tee fertig ist, füllt sie zwei Tassen, packt sie am Henkel und steuert mit sicherem Gang den Küchentisch an. „Kellnern kann ich auch wieder“, sagt die 21-Jährige und lächelt stolz. Normalerweise könne man auf den Prothesen erst nach zwei, drei Jahren so sicher laufen wie sie. Sie habe sich viele Videos angeschaut, um das Laufen mit den Hilfsmitteln zu lernen, und dank ihrer Leidenschaft für den Sport schon die nötige Muskulatur mitgebracht.

Das Training im Fitnessstudio könne sie sich jetzt sparen. „Da habe ich keine Kraft mehr zu“, sagt Berbuer. Sieben Kilo etwa wiege eine Prothese: „Das fühlt sich an, als hätte ich ordentlich an Gewicht zugenommen. Deshalb ist mit den Prothesen auch alles viel anstrengender“, erläutert sie. Nach einiger Zeit müsse sie sich kurz hinsetzen. Ihre Kraft einteilen. So wie jetzt.

Ungebremst krachte das Fahrzeug gegen die Bedburgerin, die eine Unfallstelle sichern wollte.

Ungebremst krachte das Fahrzeug gegen die Bedburgerin, die eine Unfallstelle sichern wollte.

Die neue Wohnung, die Prothesen und Hund Charly haben Angie Berbuer nach ihrem Unfall ihre Selbstständigkeit zurückgegeben. Nach dem Schicksalsschlag war sie zunächst wieder bei ihrer Mutter eingezogen. „Der Hund bringt mich dazu, wieder vor die Tür zu gehen. Er zwingt mich zu mehr Struktur im Alltag“, sagt Angie Berbuer über ihren Zwergspitz, der seit zwei Monaten bei ihr lebt. Doch Charly ist nicht der einzige, der die junge Frau zum Lächeln bringt: Stolz erzählt sie auch von ihrem neuen Freund, der fast jeden Tag bei ihr sei und sie so nehme wie sie sei. Die beiden kennen sich von früher.

Angie Berbuer und ihr Hund Charly.

Angie Berbuer und ihr Hund Charly.

Knapp 100.000 Menschen folgen Berbuer mittlerweile bei Instagram und begleiten sie durch ihren Alltag. Seit dem Unfall berichtet sie im Internet über ihre Fortschritte, Höhen und Tiefen. „Das ist für mich wie eine Therapie. Ich bekomme so viel Feedback und Anerkennung. Die Leute schreiben mir, dass ich ihnen Mut mache oder sie es durch mich geschafft haben abzunehmen, weil ich dort gezeigt habe, wie ich Sport mache.“ Der Unfall habe ihr Reichweite beschert, mittlerweile gehe es ihren Fans aber um sie als Person, ist Berbuer sicher.

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Durch die vielen Menschen, die sich ihre Fotos und Videos im Internet anschauen, ist die 21-Jährige für Firmen attraktiv geworden. Sie macht bei Instagram unter anderem Werbung für Sportsachen und ein Öl aus Hanfpflanzen, das sie selbst als Schmerzmittel nutzt. Von dem Lohn kann sie jetzt leben. Da sie wegen der Phantomschmerzen so schlecht schlafe, könne sie noch keinen Job machen, bei dem sie Verpflichtungen habe. „Bei Instagram kann ich selbst bestimmen, wann ich aktiv bin“, sagt die junge Frau. (Den Instagram-Kanal von Angie Berbuer kann man hier finden.) „Und ich habe noch viel zu erzählen.“

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