Vortrag in BedburgProfessor erklärt, warum KI eine große Chance für den Schulunterricht ist

Lesezeit 5 Minuten
Professor Andreas Dengel spricht im Bedburger Silverberg-Gymnasium über Künstliche Intelligenz

Professor Andreas Dengel spricht im Bedburger Silverberg-Gymnasium über Künstliche Intelligenz

Professor Andreas Dengel spricht am Montag im Bedburger Silverberg-Gymnasium über Künstliche Intelligenz. Wir haben vorab mit ihm über KI gesprochen.

 „KI — K.O. für die gute alte Bildung?“, so lautet der Titel des Vortrags von Professor Dr. Andreas Dengel am Montag, 29. Januar, 19 Uhr, in der Aula des Bedburger Silverberg-Gymnasiums. Der Eintritt zu der von Pflegschaft, Förderverein und Schule organisierten Veranstaltung ist frei. Ralph Jansen sprach im Vorfeld mit dem Experten der Frankfurter Goethe-Universität über Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkung aufs Lernen.

Bei einer Abiturfeier riet ein Schüler seinen Lehrern, den Unterricht nicht mit immer mehr pädagogisch wertvollen Materialien vollzustopfen. Der gute alte Frontalunterricht habe ihm sogar das Quälfach Latein zum Genuss gemacht. Brauchen wir denn jetzt auch noch KI im Klassenzimmer?

Andreas Dengel: Was der Schüler sagte, stimmt absolut. Er spricht damit eines der größten Probleme an, nämlich, dass man nicht immer und immer mehr Materialien braucht, um etwas rüberzubringen. Wir müssen die eingesetzten Medien verbinden mit den Persönlichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer. Die Methoden und Werkzeuge müssen zu dem jeweiligen Charakter der Lehrkraft passen. Reine Medienvielfalt bringt nichts.

Es geht also um eine gute Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernenden?

Ja, genauso ist es. Die im Unterricht verwendeten Mittel müssen zur Lehrperson, den Unterrichtsinhalten und natürlich zu den Schülerinnen und Schülern passen. Wenn da eine Seite nicht medienoffen ist, dann bringen auch die innovativsten neuen Medien nichts.

Lehramtsstudierende sind überrascht, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne bei Jugendlichen dank Tiktok-Filmchen heute nur noch ist. Kann die KI da helfen?

Ja, ich unterrichte ja auch nebenbei noch, und auch ich befürchte, dass es mit der Aufmerksamkeitsspanne durchaus etwas bergab geht. Allein dass wir mit Tablets arbeiten, kann in diesem Fall tatsächlich helfen, einfach durch die Begeisterung der Kinder für diese Geräte. Aber wir müssen dennoch auch lernen, Lerninhalte in kürzeren Zeitspannen motivierend rüberzubringen.

Virtuelle Simulationen können helfen, zu verstehen.
Andreas Dengel

Im Internet wird vieles visualisiert, was frühere Generationen sich noch mithilfe eigener Fantasie vor ihr geistiges Auge rufen mussten. Ist das nicht gefährlich?

Es ist problematisch, wenn wir ein festes Bild von Cäsar oder den Dinosauriern geliefert bekommen, denn wir denken dann: Das war genau so. Aber wir wissen nicht, wie Dinosaurier ausgesehen haben. Umgekehrt kann zum Beispiel eine virtuelle Simulation auch helfen, sich etwa ein Magnetfeld vorzustellen, indem dieses sichtbar gemacht wird. Da kann man dann auch in kurzer Zeit sauber visualisieren, wie verschiedene Magnete wirken. Das prägt sich ein und hilft mir zu verstehen.

Das hat unser Physiklehrer früher am Overheadprojektor mit Eisenspänen und Magneten auch gezeigt. War das schlechter?

Nein, nein, überhaupt nicht. Aber oft sind simulierte Erfahrungen kostengünstiger, sicherer und vor allem zeiteffizienter. Es ist halt zum Beispiel unmöglich, den Italienischunterricht für 45 Minuten nach Rom zu verlagern. Mit KI und einer Virtual-Reality geht das.

Das macht es in der Tat billiger!

Ein anderes Beispiel sind Chemieexperimente. Virtuell können wir mit Uran und Kernspaltung experimentieren. Ich zerlege gerne einen Computer, um zu sehen, wie er funktioniert. Mit 30 Lernenden wird das schwierig und zeitaufwendig. Aber mit KI kann ich mich selbst schrumpfen und in einen Computer hineingehen. Oder ich kann mich auf die Größe einer Zelle schrumpfen und schauen, was in meinem Körper vorgeht.

Gibt es denn noch andere sinnvolle Anwendungen von KI im Unterricht?

Ich denke, dass wir Künstliche Intelligenz sowohl als Werkzeug sehen können als auch als Inhalt des Unterrichts. Als Werkzeug können wir es zum Beispiel als Argumentationsgegenspieler im Deutschunterricht sehen oder personalisierte Geschichten generieren, um die Begeisterung am Lesen zu fördern! Aber auch als Inhalt des Unterrichts ist KI interessant: Wie funktioniert das Ganze überhaupt aus Informatik-Sicht? Warum sind diese Systeme ethisch und gesellschaftlich problematisch? Und wie nutzen wir sie richtig in unserem Alltag? Spannende Fragen, die wir im Unterricht aufgreifen können.

Aber es wird befürchtet, dass die Hausaufgaben und sogar Klassenarbeiten künftig von Chat GPT erledigt werden. Sehen Sie das als Gefahr?

Ich vergleiche Generative Sprachmodelle wie ChatGPT gerne mit Taschenrechnern. Auch hier muss ich vorher lernen, wie die einzelnen mathematischen Operationen, vom einfachen Addieren und Multiplizieren bis zum Wurzelziehen und dem Sinus und Cosinus funktionieren, bevor ich den Taschenrechner sinnvoll einsetzen kann. Und auch bei der Einführung des Taschenrechners gab es natürlich kritische Stimmen. Heutzutage denkt niemand mehr, dass wir verdummen, wenn wir nicht mehr alles per Hand rechnen. Jetzt gibt es die künstliche Intelligenz — und wieder gibt es Bedenken.

Also ist es nicht schändlich, wenn ein Schüler Chat GPT benutzt, um seine Hausaufgaben schneller zu machen?

Wer KI nutzt, muss in der Lage sein, seine Fragen sehr präzise zu formulieren. Wenn ich das kann, kann ich auch die Lösung einer Aufgabe finden, sonst nicht. Das merken die Lehrkräfte. Im Grunde ist die KI eine Art Programmierung in Alltagssprache, eine ganz eigene und neue Kompetenz, die in sehr naher Zukunft sehr wichtig werden wird. Die Algorithmen zur Problemlösungskompetenz hat der Computer, aber wir müssen ihn richtig programmieren, damit er uns auch wirklich zu der gewünschten Lösung bringt und nicht „etwas anderes versteht“. Das muss genau formuliert werden — und das müssen sowohl die Lehrpersonen als auch die Jugendlichen jetzt erlernen.

KStA abonnieren