„Müssen immer einen kühlen Kopf bewahren“Rhein-Erfts Polizeidirektor im Interview über das Jahr 2023

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Roland Küpper spricht auf einer Konferenz in ein Mikrofon.

Polizeidirektor Roland Küpper.

Roland Küpper, Chef der Polizei im Rhein-Erft-Kreis, setzt auf die konsequente Verfolgung von Einbrechern. 

Seit 2015 ist der Leitende Polizeidirektor Roland Küpper Abteilungsleiter der Polizei im Rhein-Erft-Kreis. Im Interview spricht er mit Udo Beißel über das Problem der steigenden Zahl an Wohnungseinbrüchen, den Umzug der Polizei nach Bergheim und über seinen bevorstehenden Ruhestand.

Herr Küpper, was war das polizeilich außergewöhnlichste Ereignis im Rhein-Erft-Kreis im vergangenen Jahr?

Roland Küpper: Das Jahr 2023 war für mich geprägt durch mehrere, ganz unterschiedliche Ereignisse, die mir gut in Erinnerung geblieben sind. Rückblickend ist mir der Verkehrsunfall in Pulheim am 18. September besonders in Erinnerung geblieben. Hier hat ein zehnjähriger Schüler sein Leben im Straßenverkehr verloren. Das erinnerte mich sofort an den tödlichen Verkehrsunfall am 7. Dezember 2021 in Hürth, als ein 15-Jähriger verstarb. Beide hatten ihr ganzes Leben noch vor sich.

Was ging Ihnen an jenem Tag durch den Kopf?

Unsere Aufgabe im Polizeidienst ist es, immer einen kühlen Kopf zu bewahren, egal wie hart der Einsatz ist. Als Abteilungsleiter der Polizei Rhein-Erft-Kreis bin ich nicht auf der Straße im Einsatz und agiere aus der Distanz. Als mir am 18. September von diesem schrecklichen Unfall berichtet wurde, hatte ich einen Gedanken: Nicht schon wieder. Damit meinte ich nicht nur, dass hier ein Kind auf schreckliche Weise aus dem Leben gerissen worden war.

Ich hatte auch die Angehörigen vor meinem geistigen Auge, für die sich in der Sekunde des Unfalls das gesamte Leben veränderte. Meine Gedanken sind aber auch regelmäßig bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Wir sind alle Profis, aber solche Einsatzsituationen – insbesondere, wenn es um Kinder geht – sind schier unerträglich, selbst für die erfahrensten Beamtinnen und Beamten.

Die Zahl der Einbrüche ist 2023 wieder gestiegen. Im ersten Halbjahr waren es etwa 150 mehr als im Vorjahreszeitraum, ein Anstieg von etwa 40 Prozent. Hat sich der Trend in der zweiten Jahreshälfte fortgesetzt? Und was tut die Polizei dagegen?

Der Wohnungseinbruch ist ein besonderer Deliktbereich. Auf der einen Seite kommt es immer wieder zu teilweise hohen Vermögensschäden. Viel wichtiger ist aber aus meiner Sicht, was mit dem Sicherheitsempfinden der Geschädigten passiert. Wenn man nach Hause kommt und feststellt, dass völlig Unbekannte mit Gewalt in den intimsten Lebensbereich eingedrungen sind, ist das ein Schock.

Um solche Delikte zu bekämpfen, reicht nicht der Blick auf die Zahlen. Wir müssen das Übel aus mehreren Richtungen bekämpfen. Der eine Bereich ist die Beratung durch unsere Fachleute der Kriminalprävention. Dazu kommt die Präsenz meiner Kolleginnen und Kollegen in Uniform und auch in ziviler Kleidung.

Der dritte Aspekt ist die Überführung und Festnahme von Tätern. Wir setzen zum Beispiel Ermittlungskommissionen ein, um die Einbrecher zu identifizieren. Häufig ist ein Täter für eine Vielzahl von Einbrüchen verantwortlich. Aber auch die Menschen im Rhein-Erft-Kreis können mithelfen und im Verdachtsfall sofort die 110 anrufen.

Bundesweit kommt es immer häufiger zu Respektlosigkeit und Gewalt gegenüber Polizisten. Ist das im Rhein-Erft-Kreis auch ein Thema?

Es ist für mich unerträglich, wenn meine Kolleginnen und Kollegen im Einsatz beleidigt, angegriffen oder sogar verletzt werden. Das gilt auch für Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Mitarbeiter der Ordnungsämter. Ich bin fassungslos, wenn mir Vorgänge vorgelegt werden, in denen ich über Beleidigungen, Körperverletzungen und Bedrohungen lesen muss. Stellen Sie sich doch einfach mal vor, von einem anderen Menschen bespuckt zu werden. Das ist ein Ausdruck der Menschenverachtung.

Ich begegne diesen Angriffen, indem ich meine Beamtinnen und Beamten im Hinblick auf die Strafverfolgung unterstütze. Zudem liegt mir die Aus- und Fortbildung sehr am Herzen. Neben unserer Ausrüstung sind auch die Vorbereitung und das Training solcher Einsatzsituationen äußerst wichtig.

Gibt es im Rhein-Erft-Kreis Bezirke, wo die Beamten sagen „Da möchte ich nachts aber lieber nicht hin“?

Regelmäßig prüfen wir, ob sich Brennpunkte entwickeln oder abzeichnen. Diese Prüfung muss aber rein objektiv durchgeführt werden, weil es eine Bewertung ist, die einer juristischen Prüfung standhalten muss. Aktuell haben wir im gesamten Rhein-Erft-Kreis keine Örtlichkeit definiert, die die juristischen Kriterien eines Brennpunkts erfüllt.

Die andere Dimension ist die emotionale Sichtweise der Bürgerinnen und Bürger. Auch das dürfen wir nicht aus dem Fokus verlieren. Die Menschen bemerken, dass es auf den Straßen rauer zugeht und bekommen – für mich vollkommen verständlich – Angst. Diesen Entwicklungen begegnen wir mit unseren Präsenzkonzepten, Streifenfahrten und unserer Information der Bürgerinnen und Bürger.

Es gibt Gruppen in der Gesellschaft, die Menschen mit Migrationshintergrund unter Generalverdacht stellen. Inwiefern ist das auch innerhalb der Polizei ein Thema?

In den letzten Monaten hat es in unterschiedlichen Bundesländern Vorwürfe gegen einzelne Polizisten gegeben. Ich finde es ungeheuerlich, dass das Denken und Handeln Einzelner in solchen Fällen die ganze Polizei in ein schlechtes Licht rückt. Unser größter Rückhalt im Polizeivollzugsdienst ist doch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Kompetenz, Zuverlässigkeit und unser rechtmäßiges Handeln.

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Vorbehalte gegen einzelne Gruppen oder Glaubensrichtungen haben bei der Polizei keinen Platz. Wir sind 24/7 für alle Bürgerinnen und Bürger im Einsatz. Bei der Polizei Rhein-Erft-Kreis hat es keinerlei Vorwürfe bezüglich solcher Vorgänge gegeben. Wir sind im ganzen Land NRW aber wachsam, und ich setze auf alle Kolleginnen und Kollegen, schon den geringsten Verdacht zu melden.

Welche Kriminalitätsbereiche haben sich verändert und bereiten Ihnen große Sorgen?

Neben dem Thema Wohnungseinbrüche liegt mir die nachhaltige Bekämpfung der Rohheitsdelikte sehr am Herzen. Das sind Situationen, in die jede Bürgerin und jeder Bürger auf der Straße geraten kann. Beispielsweise gehören Straßenraub, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit dazu.

Polizei Rhein-Erft zieht nach Bergheim um – alle Fachbereiche unter einem Dach

Wir müssen als Polizei auch bei diesen Delikten immer dranbleiben und mit vereinten Kräften alles dafür tun, diese Täter zu stoppen, zu identifizieren und der Justiz zu übergeben. Aber auch die Geschädigten haben wir im Blick. Unsere Fachleute für den polizeilichen Opferschutz stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Die Zentralisierung mehrerer Standorte und der damit verbundene Umzug in das neue Gebäude in Bergheim war ein Großprojekt. Fühlen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sich wohl dort?

Unser zentraler Neubau in Bergheim ist planmäßig fertiggestellt worden. So ein modernes und nach dem neuesten technischen Stand ausgestattetes Gebäude zur Verfügung zu haben ist großartig. Das Land NRW hat hier ein Vorzeigeobjekt geschaffen, das für unsere Arbeit einen großen Nutzen haben wird, davon bin ich überzeugt.

Alle Fachbereiche sind jetzt unter einem Dach. Das macht Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse viel einfacher. Unsere Kolleginnen und Kollegen, die die Notrufe der Menschen annehmen, haben einen technisch und räumlich hochwertigen Arbeitsplatz erhalten.

Für größere Einsätze haben wir jetzt Führungsräume, die keine Wünsche offenlassen.
Roland Küpper, Polizeidirektor Rhein-Erft

Das ist wichtig, denn auf der Leitstelle beginnt die Arbeit der Polizei. Für größere Einsätze haben wir jetzt Führungsräume, die keine Wünsche offenlassen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das neue Gebäude jetzt kennengelernt und auch die Vorteile erkannt. Die Stimmung ist sehr positiv. Auch mehrere Polizeiwachen werden modernisiert. In Erftstadt verzögern sich die Bauarbeiten, ist zu hören. Parallel wird eine neue Wache in Brühl gebaut. Auch in Erftstadt und Brühl erwarten uns topmodern ausgestattete, hochwertige Dienststellen.

Ich freue mich sehr für die Kolleginnen und Kollegen, die künftig in diesen neuen Liegenschaften ihren Dienst versehen werden. Beide Gebäude sind bereits von den Bauträgern an uns übergeben worden. Aktuell sind Polizeitechniker damit beschäftigt, die Gebäude mit den für uns wichtigen Anlagen und Einrichtungen auszustatten. Der Einzug wird schon recht bald erfolgen können. Ich gehe davon aus, dass es spätestens im Februar 2024 soweit sein wird.

In Frechen sucht die Polizei einen neuen Standort? Wie weit sind die Planungen?

Solche großen öffentlichen Investitionen unterliegen dem europaweiten Vergabeverfahren. In diesem Prozess befinden wir uns gerade. Im Grunde ist es so, dass einzelne Bewerber ein Grundstück und das Gebäude anbieten, das nach den strengen Vorgaben des Landes beschaffen sein muss. Hier spielen beispielsweise die Lage, die Verkehrsanbindung und die Ausstattung des Gebäudes eine große Rolle. Nach aktuellem Stand wird das Vergabeverfahren voraussichtlich im zweiten Quartal 2024 abgeschlossen sein.

Am 31. August des kommenden Jahr werden Sie aus dem Polizeidienst ausscheiden. Was wollen Sie in den Monaten bis dahin noch verändern?

Ich bin jetzt mehr als 40 Jahre Polizist und das noch immer aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen. Ich schaue sehr dankbar auf meine Dienstzeit zurück. Ich durfte in verschiedenen Funktionen, an unterschiedlichen Orten und auf diversen Führungsebenen arbeiten.

Zwei Dinge waren für mich immer spürbar. Das war auf der einen Seite der Zusammenhalt der Kolleginnen und Kollegen, der wesentlich ist, wenn wir gemeinsam im Einsatz sind. Vertrauen ist da wirklich wichtig, insbesondere, wenn es mal gefährlich wird.

Roland Küpper in Gedanken schon bei der Planung für die Fußball-EM 2024 in Deutschland

Auf der anderen Seite ist es der Blick auf die Kernaufgaben der Polizei. Das ist es, was Polizei ausmacht. Diese Haltung werde ich auch mit in die Pension nehmen. Bis dahin tue ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen alles dafür, dass alle absehbaren Einsatzlagen bestmöglich geplant und vorbereitet sind.

Ich denke da insbesondere an die Fußballeuropameisterschaft, die nächstes Jahr hier in Deutschland stattfindet. Genauso wichtig ist mir, dass aktuelle Einsätze optimal abgearbeitet werden können. Dazu braucht es alle Gewerke der Polizei, von der Verwaltung bis zur Technik über die Fortbildung bis zum Flottenmanagement.

Mit Stolz blicke ich auf das zurück, was wir seit 2015 gemeinsam als Polizei Rhein-Erft-Kreis geschafft haben. Mein Ziel war es, diese Polizeibehörde zu modernisieren, um die Arbeitsabläufe auf allen Ebenen zu vereinfachen. Diesen Weg möchte ich weitergehen, damit ich meinen Verantwortungsbereich erfolgreich an meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger übergeben kann.

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