Umzug ins Freilichtmuseum KommernDas ist aus der Brühler Milchbar geworden

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Viele Farbschichten und Materialien fanden sich unter der zuletzt geklebten Tapete und Bodenfliesen.

Viele Farbschichten und Materialien fanden sich unter der zuletzt geklebten Tapete und Bodenfliesen.

  • Im vergangenen Sommer ist die Milchbar von Brühl ins Freilichtmuseum Kommern umgezogen.
  • Wir haben nachgefragt, was aus dem Gebäude geworden ist und was die Besucher in Zukunft erwartet.
  • Eine Sache wurde erst nach dem Umzug in der Milchbar entdeckt.

Kommern/Brühl – Was ist eigentlich aus der Brühler Milchbar geworden? Wir erinnern uns: In einer warmen Nacht im August des vergangenen Jahres hat das sorgfältig präparierte Gebäude auf einem Tieflader den Weg über die enge Carl-Schurz-Straße in das Freilichtmuseum Kommern des Landschaftsverbandes Rheinland genommen.

Dort führt jetzt eine leicht abschüssige Straße, die Lindenallee, vorbei an Wellblechhütten, die die amerikanischen Truppen kurz nach dem Krieg zur Behausung wohnungsloser Kriegsopfer zurückgelassen hatten. Am Ende der Straße präsentiert sich der vertraute Anblick der Bierkneipe von Mike Smith als ein echtes Déjà-vu. Es ist ein eigentümliches Wiedersehen mit dem eingeschossigen Gebäude und seiner charakteristischen Bogenform, in dem einstmals die Kühltheke der Marke Caracciola im Mittelpunkt des Geschehens stand.

Brühler Milchbar: „Blauer Mond“ ging über die Theke

Von dort aus wurden kühle Milchmixgetränke kredenzt, die je nach Rezeptur auch mit Speiseeis oder Likören verfeinert wurden. Zubereitungen wie „Weißer Traum“ oder „Blauer Mond“ gingen neben Flaschenbier über die Theke. In einem integrierten Kiosk wurden Zigaretten, Schokolade, Bier, Bonbons oder „Chewing Gum“ angeboten.

Als eines der Gebäude im Ensemble „Marktplatz Rheinland“ soll es die Entwicklung von Dorfstrukturen im Rheinland von der Nachkriegszeit bis heute widerspiegeln. Als Eckhaus steht es hier neben einer hochgewachsenen Linde und einem gelben Telefonhäuschen von der Post, und zwar längst schon auf einem Betonfundament. Ein Fundament ist auch schon für den Bereich des Billardzimmers gegossen. Vor dem Umzug wurde es abgerissen, im Museum soll das Billardzimmer komplett neu entstehen, nach den sorgfältig dokumentierten Vorgaben des Originals.

Die alte Kühltheke blieb bis zum Schluss in der Gaststätte von Wirt Mike Smith, allerdings wurde sie von blau-weiß umlackiert in rot und beige.

Die alte Kühltheke blieb bis zum Schluss in der Gaststätte von Wirt Mike Smith, allerdings wurde sie von blau-weiß umlackiert in rot und beige.

Am 12. August 1955 hatte Familie Josef und Gertrud Eich zur großen Eröffnungsfeier in die Milchbar eingeladen. Das ehrgeizige Ziel der Museumsmannschaft sei es, das Gebäude in einem guten Jahr, nämlich zum 66. Geburtstag, vorzeigbar zu machen, sagte Carsten Vorwig. „Was ist an alter Struktur vorhanden und wie gehen wir damit um?“, sei die zentrale Fragestellung der vergangenen Monate bis heute gewesen. Zur Erforschung hätten die Historiker einige Schichten Farbe freigelegt, von Beige bis Rot, an der Holzvertäfelung im Thekenbereich und an der Theke selbst einen blauen Farbanstrich, zusammen mit weißen Rauten wohl die Originalfarbe der Kühltheke. Auch den Boden unter dem Kunststofffliesenbelag habe man erkundet.

Noch ist nicht gewiss, wo die Reise hingeht

Sehr spannend sei die Entdeckung des Wandgemäldes über dem Thekenbereich, das auf den alten Schwarz-Weiß-Fotos gut zu sehen gewesen sei. Vermutlich in den 1965er-Jahren sei es hinter einer halbrund angelegten Wandverkleidung einer dünnen, leicht formbaren Pressspanplatte verschwunden. Der gefälligen Unterwasserwelt, ganz im Stil der damals vorherrschenden Nierentisch-Ornamentik, sei man zu dem Zeitpunkt wohl überdrüssig geworden, sagte Vorwig. Aber man habe das Wandgemälde des Brühler Malermeisters Vogel bei allem Modernisierungswillen, dennoch mit viel Respekt behandelt und es nicht etwa durch Übermalung zerstört. Auch im Deckenbereich habe man unter der Abhängung eine recht fragile Strukturmalerei entdeckt, die wie die Imitation eines Stabparketts wirke.

Das Eckgebäude war weithin bekannt.

Das Eckgebäude war weithin bekannt.

Wie viel man davon noch erhalten könne, wisse er nicht, zumal noch nicht ganz gewiss sei, wohin die Reise gehen soll. Aber zwei Zeitabschnitte möchte man im Gebäude den späteren Besuchern des Hauses zeigen. Wenigstens drei Epochen seien allerdings bekannt und dokumentiert, sag Vorwig. Einmal sei es die Milchbar aus dem Jahr 1955, die den damaligen Zeitgeist im Wiederaufbaudeutschland und der US-dominierten Kneipenkultur widerspiegele.

Dann gebe es noch die Rockerkneipe der 1970er-Jahre und natürlich den letzten, wohl am besten dokumentierten Zustand, bis 2019. Hierzu sei eben alles bestens bekannt und vorhanden, angefangen von der Wandfarbe über die Plattencover und die Bilddrucke des letzten Besitzers Mike Smith.

Familie Eich hatte noch einiges mit der Milchbar vor

Und noch eines habe der Umzug zutage gefördert, den das Gebäude übrigens in gutem Zustand überstanden habe. Ein paar wenige Risse seien im Mauerwerk entstanden. Und in der Wand zur ehemaligen Parkplatzseite hin zeichneten sie genau die Form eines Kreisbogens. Es sei der Ausschnitt einer zum damaligen Zeitgeist passenden Tür, die die Familie Eich mit Blick auf eine Erweiterung der Milchbar schon eingerichtet habe, nämlich die Tür zu einem geplanten Saalanbau.

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Allerdings sei das Vorhaben an einer Baugenehmigung gescheitert. Eine größer angelegte Örtlichkeit mit Alkoholausschank als die vergleichsweise kleine Einraum-Gastronomie der Milchbar sei wohl nicht im Sinne der Brühler Stadtväter gewesen, so Vorwig.

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