Innerhalb weniger Monate haben in Frechen und nun in Brühl zwei Plattenläden eröffnet. Die Macher bedienen unterschiedliche Zielgruppen.
Renaissance in Rhein-ErftNirgendwo knirscht und knarzt es so schön wie auf Vinyl

Die einst tot gesagte Langspielplatte erfreut sich zunehmender Beliebtheit.
Copyright: Oliver Tripp
An ihren Paketen im braunen Versandkarton, flach, quadratisch, von etwa 30 Zentimeter Kantenlänge: Daran hätten sie sich vor acht Jahren auf der Post in Brühl-Vochem als Schallplattenfreunde erkannt, schildern Tobias Bayer und Armin Schwerd. Schnell sind sie ins Gespräch gekommen, Bayer als früherer DJ und Verkäufer in Schallplattenläden, und Schwerd, der als Buchhändler im eigenen Antiquariat schon Gebrauchte angeboten hatte, beide leidenschaftliche Sammler.
Gemeinsam haben sie einen Online-Handel mit Schallplatten unter dem Namen Vinyl-Brühl hochgezogen. Zu sporadischen Real-Verkäufen von Platten ab drei Euro für Scheiben, die bis zu 30-fach vorhanden seien, hatten sie in ihr Vochemer Lager im Stotzheimer Weg eingeladen.
Für uns ist die Schallplatte weit mehr als nur ein Tonträger
Einen ganz realen Schallplattenladen haben Tobias Bayer und Armin Schwerd jetzt am Janshof 2, gleich in Nachbarschaft zum neuen Rathaus in Brühl eröffnet. Da kann man sich in den typischen Kisten durch das Sortiment blättern, Mobiliar wie es zur Hochzeit des Schallplattenhandels üblich war. Rund 16.000 gebrauchte Schallplatten und CDs bieten sie hier an, ab fünf Euro aufwärts.
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Sie legen eigenen Angaben zufolge Wert auf den Verkauf von gebrauchten Schallplatten im unteren Preissegment. Musikalische Werke berühmter Interpreten, die seinerzeit zu Hunderttausenden über den Ladentisch gegangen sind. Damit wollten sie vor allem junge Leute ansprechen, die sich Platten kaufen wollten, ohne ihr Portemonnaie über Gebühr zu strapazieren oder jene, die nach dem Verkauf ihrer Sammlung beim Erscheinen der CD in den 1980er und 1990er, heute erneut mit dem Sammeln beginnen.

Armin Schwerd und Tobias Bayer eröffneten nach erfolgreichem Online-Handel jetzt einen ganz realen Plattenladen in Brühl.
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Ungeachtet der Preiskategorie seien alle ihre Platten mit einigem Hörgenuss abspielbar. Dafür würden sie gerade stehen, die Kunden sollten ja wiederkommen, sind sich Tobias Bayer und Armin Schwerd einig. Einen ausgefallenen Service für verschmutzte Rillen bieten sie auch an, nämlich die Wäsche im Ultraschall-Plattenwäscher.
Neben den großen Stars der Rock- und Popgeschichte biete sich das Stöbern durch Musik aller erdenklicher Genres an, was eben so reinkomme beim Aufkauf, schildern die Händler. Sie suchten große Tonarchive in Rente gegangener Rundfunkmoderatoren auf, von DJs, Schallplattensammlern, die sich verkleinern wollten, oder die kleinen Posten von Privatleuten, die noch Schallplatten in den Regalen hätten, aber keinen Plattenspieler mehr betreiben wollten.
Etwas in den Händen zu halten, fühlt sich auch für Musiker schön an
In einer Ladenecke wartet ihr letzter Einkauf in Transportkisten auf eine erste Sichtung, rund 1000 Tonträger. Sie alle müssten in Augenschein genommen werden, hinsichtlich einer optischen Einschätzung der Qualität der alten Scheiben und ihres Wertes. Das eine oder andere Schätzchen, seltene Erstpressungen oder limitierte Auflagen fänden sich immer wieder in den Ankäufen, erläuterte Tobias Bayer, teils ungespielt. Unter ihnen auch die klanglich auf Perfektion getrimmten Platten des „Mobile Fidelity Sound Lab“ auch als „Mofi“ bekannt.
Viele der teureren würden sie im Online-Handel anbieten für Kunden weltweit. In Regalen im Bürobereich des neuen Ladens findet sich ihr Online-Sortiment. Von einem Trend möchte Schwerd gar nicht reden: „Vinyl-Sammler hat es immer schon gegeben.“ Neuerscheinungen und Neupressungen alter Musik findet man hingegen bei Vinyl-Brühl nicht, mit den Riesen JPC und Amazon habe man nicht konkurrieren wollen, heißt es da.
Anders im Frechener Plattenladen „Violet Records“ von Julian von Heyl. Im erst diesen Sommer gegründeten Plattenladen am Marktplatz verkauft Julian von Heyl vor allem Neuerscheinungen, frisch aus der Plattenpresse aus dem Genre „Classic Rock“. Das Geschäft sei gut angelaufen, sagt er. In loser Reihenfolge sollen Events folgen, passend zum kulturellen Anspruch der Schallplatten aus dem Genre „Classic Rock“, ihrem Kerngeschäft.
„Für uns ist die Schallplatte weit mehr als nur ein Tonträger“, sagt der Musiker Hannes Knechtges, der mit der Band Landgold für Autoren-Rock aus dem Rhein-Erft-Kreis steht. Die Vinylplatte halte Erinnerungen an die besonderen Momente der Konzerte für Fans viel greifbarer fest als eine Datei oder ein Stream. Die große Haptik, das Artwork im LP-Format und der bewusste Moment des Auflegens schaffe einfach ein anderes Erlebnis als CD oder Stream.
Etwas in den Händen zu halten, fühle sich auch für ihn als Musiker nach einer Produktions- und Studiophase schön an. Ihre letzten Veröffentlichungen hätten sie auch immer auf Vinyl produziert, trotz höherer Kosten. Und die Schallplatte lohne sich, denn Vinyl sei bei den Fans das beliebteste physische Format und verkaufe sich als Sammlerstück und Erinnerungsstück besser als die CD, sagt Hannes Knechtges.

Im Frühsommer 2025 hat Julian von Heyl seinen Laden „Violet Records“ in Frechen eröffnet.
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Von der mittlerweile schon viele Jahre anhaltenden Hinwendung zur Schallplatte, die immer noch anhalte, zeigt sich Elmar Gillet überrascht. Als Hifi-Händler mit der Firma Musiktrade habe er beim Aufkommen der CD die Unzufriedenheit von Hörern erlebt, die das gewisse Etwas beim silbernen Tonträger vermissten. Viele seien bei der Schallplatte und hochwertigen Schallplattenspielern geblieben. Der Vinyl-Markt sei auch wegen gestiegener Preise kontinuierlich lukrativer geworden, stellt Gillet fest. Viele Musikproduzenten verzichteten heute ganz auf die CD, mischten Musik für das Streaming ab und für die Schallplatte.
Auch die Geräteverkäufer hätten reagiert, in Kölner Hifi-Studios treffe man wieder auf eine größere Vielfalt von Schallplattenspielern. Er selbst restauriere und warte zunehmend alte Plattenspieler. Am Ende überlebe die vor langem tot gesagte Schallplatte noch die CD, glaubt Elmar Gillet.

