Erfstädter Kämmerer im Interview„Ein Notfall-Haushalt wäre wohl kaum zu verhindern“

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Verwaltung

Das Gebäude der Verwaltung in Erftstadt

  • Gastronomie, Betriebe und Privatpersonen – Viele sind von der Corona-Krise betroffen.
  • Im Interview erklärt Erfstadts Kämmerer Dirk Knips, warum die Krise auch die Kommunen hart trifft.
  • Er fordert ein Notfallprogramm von Bund und Land und erklärt, in welchen Szenarien es zu einem Notfallhaushaltsplan für Erftstadt kommen kann.

Erftstadt – Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens machen nicht nur Privatleuten und Unternehmen zu schaffen, sondern auch den Städten. Ulla Jürgensonn sprach mit dem Erftstädter Kämmerer Dirk Knips.

Zeigt die Corona-Krise bereits Auswirkungen auf die Finanzen der Stadt?

Knips: Erst im Dezember haben wir voller Hoffnung einen genehmigungsfähigen Haushalt verabschiedet und ahnten dabei nicht, was nur drei Monate später auf uns zurollen wird. Wir waren aufgrund der zahlreichen haushalterischen Maßnahmen auf einem guten Weg, den Haushaltsausgleich 2022 zu erreichen.

Auch wenn noch nicht absehbar ist, wie sich die Corona-Krise im Detail auswirken wird, dürfte die „schwarze Null“ allerdings nun auch bei uns kippen. In welchem Maße das die Bürger treffen wird, ist noch unklar. Vieles wird davon abhängen, wie lange das Virus das Land noch „lahmlegen“ wird.

Was glauben Sie, wann wird man absehen können, wie stark der Einbruch bei den Gewerbesteuern sein wird?

Da die „großen Erträge“ quartalsweise abgerechnet werden, rechne ich bereits für die Monate April bis Juni mit schmerzhaften Einschnitten. Im Rahmen unserer Möglichkeiten (zinslose Stundungen, Aussetzung von Vollziehungen) helfen wir den Gewerbebetrieben bereits jetzt, wo wir können.

Was, neben der Gewerbesteuer, sind die größten Finanzrisiken für die Kommunen?

Bereits jetzt ist erkennbar, dass große Teile unserer Gewerbesteuer wegbrechen werden. Beim Anteil an der Einkommenssteuer werden die Einnahmen wohl geringer ausfallen, wenn Arbeitnehmer nur noch in Kurzarbeit beschäftigt werden oder Jobs gar ganz wegfallen.

Kämmerer Dirk Knips

Kämmerer Dirk Knips

Auch der vom Bund und Land beschlossene und sicherlich notwendige Schutzschirm für die Wirtschaft und für den Kampf gegen das Virus wird die Verschuldung ansteigen lassen. Ich kann mir vorstellen, dass dies Auswirkungen auf unseren Anteil an den Schlüsselzuweisungen, auf den wir dringend angewiesen sind, haben wird. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass beim Kreis ebenfalls eine finanzielle Verschlechterung eintreten wird und diese durch die kreisangehörigen Kommunen über die Kreisumlage finanziert werden muss. Hier stehen wir als Kommune am Ende der „Nahrungskette“.

Wie könnten Bund und Land den Kommunen helfen?

Um den finanziellen Totalausfall aller Städte und Gemeinden zu verhindern, müssen Bund und Land über ein Notprogramm für alle kommunalen Einrichtungen nachdenken. Diese könnten unbürokratisch über den Anteil der Umsatzsteuer und/oder den Anteil der Einkommenssteuer ausgezahlt werden. So könnte ein kompliziertes Antragsverfahren entfallen.

Langfristig wird das Land jedoch nicht umhinkommen, den Verbundsatz (das ist der Anteil der Kommunen am Einkommen- Körperschafts- und Umsatzsteueraufkommen) wieder von derzeit 23 Prozent auf 28,5 Prozent anzuheben, um damit einer dauerhaften Unterfinanzierung, die schon vor der Krise bestand, entgegenzuwirken.

Die Bundesregierung verspricht Unternehmen und Selbstständigen Unterstützung. Gibt es Signale, dass auch den Kommunen unter die Arme gegriffen wird?

Aus dem politischen Raum kommen erste Anzeichen. Schließlich sind es die Kommunen, die mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsrisikos betraut sind. Besonders die kommunalen Spitzenverbände, darunter auch der Städte- und Gemeindebund NRW, senden hierzu klare Signale an die Landesregierung.

Erftstadt hat an vielen Stellschrauben gedreht, um den Haushalt zu sanieren. Gibt es überhaupt noch Möglichkeiten, weiter zu sparen?

Wir haben bereits viele Dinge ausgereizt. Dennoch werden noch viele sinnvolle Projekte umgesetzt. So hat die Politik ein Organisationsgutachten beauftragt, um festzustellen, wo in der Verwaltung Personalbedarf besteht und wo Aufgaben wirtschaftlicher und effizienter erledigt werden können.

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Auch die Gründung einer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft wird geprüft, um damit die Stadt von zusätzlichen Aufgaben entlasten zu können. Die Ergebnisse beider Maßnahmen stehen jedoch noch aus.

Befürchten Sie, dass die Stadt in den Nothaushalt gerät?

Der aktuelle Haushalt (Stand 30. März) ist ja noch nicht vom Kreis genehmigt. Er wäre nach aktueller Rechtslage genehmigungsfähig. Sollten unsere Befürchtungen jedoch eintreffen, wäre ein Szenario wie bei der Stadt Köln, eine haushaltswirtschaftliche Sperre, wohl kaum zu verhindern.

Dann dürften nur noch unabdingbare und vertragliche Verpflichtungen erfüllt werden. Da dies gesamtwirtschaftlich die Situation noch weiter verschlechtern würde, erhoffe ich mir ein klares Signal von Bund und Land, wie Städte und Gemeinden mit dieser Situation umgehen sollen.

Sind damit Projekte wie die Sanierung des Lechenicher Schulzentrums oder der Masterplan Lechenich in Gefahr?

Die Sanierung des Schulzentrums wird durch den Eigenbetrieb Immobilien durchgeführt. Er unterliegt nicht den strengen Beschränkungen des Nothaushaltsrechts. Der Eigenbetrieb erhält bereits Mieten für die Unterhaltung und Sanierung des Schulzentrums. Es wird daher wichtig sein, dass auch Fördermittel herangezogen werden. Durch den Masterplan wird zumindest der Zugang zu Fördertöpfen ermöglicht. Beides jetzt nicht zu realisieren, hielte ich für einen Fehler.

Denn die Vergangenheit hat uns eines gelehrt: Den größten Kostenanstieg hat uns die Zeit verursacht. Seit 2015 sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes die Kosten für Nichtwohngebäude um rund 15 Prozent gestiegen. Auch in den nächsten Jahren gehe ich von weiteren Kostensteigerungen in der Baubranche aus.

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