Ärztin bietet HilfeAuch zwei Jahre nach der Flut sind Erftstädter traumatisiert

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Eine Frau sitzt neben einem Bücherregal.

Traumatherapeutin Dr. Dorothee Lansch hilft Flutbetroffenen, die Folgen der Katastrophe zu verarbeiten

Auch zwei Jahre nach der Hochwasserkatastrophe haben viele den Schrecken nicht verarbeitet. Die Frechener Ärztin Dorothee Lansch hilft ihnen.

Dr. Dorothee Lansch kennt sich aus mit den Reaktionen der menschlichen Seele. Wer auch nach zwei Jahren die Schrecken des Hochwassers nicht verarbeitet habe, sagt sie, „ist weder schwach noch verrückt“. Die Ärztin für Psychotherapeutische Medizin führte eine Praxis in Frechen und ist seit dem Sommer vergangenen Jahres im Ruhestand.

So hatte sie mehr Zeit und konnte seit März 2022 bei den Johannitern in Erftstadt Beratung und Traumatherapie für Flutopfer anbieten. Bei allen habe sie ein posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) diagnostiziert. Eine Diagnose, die bereits bei US-Veteranen nach dem Vietnam-Krieg gestellt wurde.

PTBS nach der Flut – Heilung ist möglich

PTBS kann sich unbehandelt langfristig unter anderem als Sucht, Depressionen oder der Neigung zur Gewalt äußern — „das sind Verarbeitungsversuche der Seele“, sagt Dorothee Lansch. So drastisch müssten die Folgen nicht sein: Belastende Erinnerungen, Schlafstörungen oder Übererregung seien ebenfalls Symptome eines nicht ausreichend behandelten PTBS.

Schwere Traumata heilten, statistisch gesehen, zu einem Drittel von allein, aber die übrigen zwei Drittel behielten unbehandelt mehr oder weniger gravierende Symptome. Deshalb rät die Ärztin Betroffenen dringend, Hilfe zu suchen. Aber auch das falle manchen Menschen schwerer als anderen.

„Wer in seinem Leben nie Hilfe bekommen hat, kann nicht glauben, dass sie ihm jetzt gewährt wird“, sagt Lansch. Und wer immer alles allein geregelt habe, tue sich ebenfalls schwer damit, Unterstützung anzunehmen. „Es ist normal, ein Trauma nicht allein zu bewältigen“, macht Lansch Mut, sich auf Hilfe einzulassen.

Zum posttraumatischen Belastungssyndrom gehöre, dass die meisten Betroffenen zunächst nicht über das Erlebte reden könnten. Das Hirn sei überlastet und könne das Erfahrene nicht als Vergangenheit abspeichern. Das Trauma bleibe aktiv und könne durch Auslösereize jederzeit wieder fühlbar werden. Der Mensch versuche, alles zu vermeiden, was die Angst aufflackern lassen könnte.

In Gesprächen versucht Lansch, Wege aus der Vermeidung aufzuzeigen. Zum Beispiel über Zukunftsprojektionen: Was geschieht, wenn es wieder stark regnet? Da könne es helfen, die Wetter-App zu überprüfen oder hinauszugehen und nachzuschauen, wie hoch der Fluss tatsächlich steigt. Es sei ein großer Schritt, Angst in Wachsamkeit umzuwandeln.

Traumatherapie: Gespräche in der Gruppe

Lansch arbeitet mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), einer Traumatherapie-Methode, bei der bestimmte Augenbewegungen die Selbstheilungskräfte des Gehirns anregen sollen, sodass die traumatische Situation verarbeitet werden kann. „Man muss nicht dran glauben, dass es hilft. Man muss es nur machen“, sagt Lansch pragmatisch. Nach der Flut hätten Psychotherapeutinnen ein Netzwerk gegründet, rund 300 hätten sich bereiterklärt, Menschen sofort zu behandeln.

Mittlerweile sei es wieder aufgelöst, anscheinend sei der Bedarf nicht mehr so groß. Sie selbst arbeitet derzeit bei den Johannitern mit einer kleinen Gruppe Betroffener. Die Aufklärung, dass es Hilfe gibt für Menschen, die mit den Folgen der Katastrophe nicht klarkommen, ist ihrer Ansicht nach nicht überall angekommen.

„Ich befürchte, dass viele meinen, da könne man nichts machen“, sagt die Ärztin, die selbst bei manchen Kollegen zu wenig Wissen über Traumatherapie vermutet. Eine Botschaft ist Lansch wichtig: Wer sich vom Wiederaufbau überfordert fühle, habe keinerlei Grund, sich zu schämen. „Das ist völlig normal für unnormale Umstände.“ Und: Es gibt Hilfe.

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