Das Schicksal meinte es mit Wilfried Schliesske oft nicht gut. Mithilfe der SkM Wohnungsnotfallhilfe schaffte er die Rückkehr in seine Wohnung.
NotfallhilfeDer bittere Weg eines Frecheners vom Filialleiter in die Obdachlosen-Unterkunft

Der 64-jährige Frechener Wilfried Schliesske rutschte durch widrige Umstände in die Obdachlosigkeit und konnte mit Unterstützung der Wohnungsnotfallhilfe des SkM zurück in seine Wohnung.
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Das Drehbuch eines Hollywood-Melodramaskönnte kaum dramatischer sein als die Lebensgeschichte des Frecheners Wilfried Schliesske. Höhen und Tiefen gibt es viele in der Vita des 64-Jährigen - es geht um Liebe, körperliche Leiden, beruflichen Wandel, Not-Operationen und um das Unglück der Einsamkeit. Ein Gefühl, das den ehemaligen Aldi-Filialleiter Deutschlands als Obdachlosen in die Notunterkunft am Mühlenbach führte. Aber: Es gibt auch ein kleines Happy End.
Die verheißungsvollen E-Mails kamen meistens nachts, immer dann, wenn sich Wilfried Schliesske besonders einsam fühlte. Er konnte nicht schlafen und grübelte über sein Leben. Die Frau aus Amerika, die sich online meldete, versprach genau das, wonach er sich sehnte. Sie redete von gegenseitigen Besuchen, von Liebe und einer Hochzeit. Der Frechener schöpfte Hoffnung auf ein besseres Leben, vertraute und erteilte ihr eine Kontovollmacht - rund 20.000 Euro Ersparnisse wurden aus den USA abgebucht und alle Träume platzten.
„Ich bin ja nicht dumm, es hätte mir viel früher auffallen müssen, das kommt nur durch die Einsamkeit, ich bin zu sehr alleine gewesen“, ärgert sich Schlieeske heute über den Betrug. Seine erwachsene Tochter sei zwar für ihn da, habe aber auch ihre eigene Familie.
Frechen: Nach 35 Jahren konnte Werner Schliesske nicht mehr als Kraftfahrer arbeiten
Das Schicksal hatte es schon öfters nicht gut mit dem Frechener gemeint. Zwar sei er bereits mit 21 Jahren nach einer Lehre als Einzelhandelskaufmann Filialleiter bei Aldi gewesen, habe sich dann aber mit einem Computer- und Softwarehandel selbstständig gemacht. Dies funktionierte nicht wie geplant, er half bei einer kleinen Spedition bei Umzügen und absolvierte eine Umschulung als Berufskraftfahrer. Schliesske fuhr über zwanzig Jahre lang internationale Touren, mit der Konsequenz, dass er Zuhause keine sozialen Kontakte oder Freunde und auch keine Zeit für Hobbys mehr hatte.
Auch nach schweren gesundheitlichen Problemen, wie die Amputation seines rechten Beines, gab er nicht auf, sondern ließ sich mit Prothese seine Fahrerlaubnis umschreiben und fuhr Seecontainer von Frechen nach Hamburg und zurück. Weitere Entzündungen, die 37 Operationen und einen einjährigen Krankenhausaufenthalt nötig machten, Herz-OPs, zwei Wiederbelebungen und die Erblindung auf einem Auge, machten die Weiterarbeit nach 35 Jahren als Fahrer unmöglich.
Abwärtsspirale führte zur Zwangsräumung
Das fehlende Geld durch die Heiratsschwindlerin und die bittere Enttäuschung setzte eine Abwärtsspirale in Gang: „Ich habe die Vogel-Strauß-Taktik angewandt“, berichtet der Frechener. Er öffnete die Post nicht mehr, geriet in Zahlungsschwierigkeiten und Mietschulden. Es kam zur Zwangsräumung der Wohnung, der 64-Jährige wurde in der städtischen Notunterkunft Wohnen am Mühlenbach untergebracht. „Das war eine Katastrophe, ich lebte mit einem Palästinenser in einem Container, eine Verständigung war nicht möglich, ich möchte so etwas nie mehr erleben“, erinnert sich Schliesske.
In vielen Fällen würden wir gerne früher unterrichtet, das Problem ist in der Mittelschicht angekommen.
Durch einen Zufall kam er in Kontakt mit der Wohnungsnotfallhilfe des SkM. „Wir haben mit dem Vermieter telefoniert, ihm ging der Fall auch sehr nahe, er war sehr gesprächsbereit“, berichtet deren Leiter Dominik Schmitz. Mithilfe einer Stiftung konnten die Mietschulden getilgt und ein neuer Mietvertrag ausgehandelt werden. Nach zwei Monaten in der Unterkunft konnte der Frechener wieder zurück in seine Wohnung ziehen. „Die erste Nacht wieder Zuhause war so toll, das andere möchte ich nie mehr erleben“, erinnert sich Schliesske dankbar.

Dominik Schmitz ist Abteilungsleiter der SKM-Wohnungsnotfallhilfe im Rhein-Erft-Kreis.
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„Wenn wir früher von seinem Fall erfahren hätten, hätte es gar nicht zur Räumung kommen müssen“, analysiert Schmitz. Mit einem breit gefächerten Angebot stehen sein Team und er in Not Geratenen beiseite und versuchen, die Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. Manchmal scheitere dies an der Kommunikation zwischen allen Beteiligten und dem Berufen auf das Datenschutzgesetz. „In vielen Fällen würden wir gerne früher unterrichtet“, so Schmitz, der von steigenden Fallzahlen berichtet: „Das Problem ist in der Mittelschicht angekommen.“
Auch die Stadt Frechen teilt mit, dass die Zahl der Obdachlosen gestiegen sei: „Es gibt eine Tendenz, dass die Klientel vielfältiger wird, also nicht nur Menschen mit langjähriger Obdachlosigkeit, sondern auch zunehmend Menschen, die durch kurzfristige Krisen, wie etwa Räumungsklagen, ihre Wohnung verlieren.“
In Deutschland gab es 2024 rund 35.000 Zwangsräumungen
Aus Zahlen des Bundesjustizministeriums und der Justizministerien der Länder geht ebenfalls hervor, dass die Zahl der Zwangsräumungen im vergangenen Jahr gestiegen ist: Bundesweit gab es 2024 mindestens 35.000 Zwangsräumungen, das ist ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Nordrhein-Westfalen fanden 2024 rund 10.100 Zwangsräumungen statt. Auch die Zahl wohnungsloser Menschen legte zu: Zum Stichtag 31. Januar 2025 gab es in Deutschland 474.700 Menschen, die wegen Wohnungslosigkeit von Kommunen und Einrichtungen untergebracht wurden – das ist ein Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ich ganz glücklich, wie es gerade läuft, so etwas möchte ich nie mehr erleben. Ich arbeite daran, meine Miete habe ich schon langfristig überwiesen.
Wilfried Schliesske appelliert an Betroffene, sich schon vor Räumungsklagen Hilfe zu holen: „Ich hätte mich schon vorher gemeldet, wenn ich das Angebot gekannt hätte. Alleine hätte ich das alles nicht geregelt bekommen, ich bin sehr dankbar.“ Zurzeit arbeitet er noch mit einer Betreuerin zusammen, die ihn regelmäßig besucht und bei der Renovierung, bei Einkäufen und dem Schriftverkehr unterstützt.
Mit Hoffnung blickt der 64-Jährige nun in die Zukunft: „Ich bin ganz glücklich, wie es gerade läuft, so etwas möchte ich nie mehr erleben. Ich arbeite daran, meine Miete habe ich schon langfristig überwiesen.“ Nur etwas fehlt ihm noch: „Ich habe immer gearbeitet, ich suche einen Nebenjob, egal in welchem Bereich.“
Die SkM-Wohnungsnotfallhilfe im Rhein-Erft-Kreis
Die Wohnungsnotfallhilfe des SkM für den Rhein-Erft-Kreis hat sich neben der originären Versorgung und Beratung wohnungsloser Menschen auch zu einem erfolgreichen Instrument zur Sicherung von Mietverhältnissen und zur Stabilisierung von Haushalten in Not entwickelt.
Im Berichtsjahr 2024 traten 2662 Personen mit der Notfallhilfe, 02234/379470, in Kontakt, es gab 1260 anonyme Telefonanfragen und 1402 Beratungs- und Betreuungskontakte. Für die Unterstützung von Menschen in besonderen sozialen Situationen hat der SkM für den Rhein-Erft-Kreis ein umfangreiches Hilfesystem mit mehreren Bausteinen aufgestellt:
Das Projekt„ Zuhause! im Rhein-Erft-Kreis“ unterstützt präventiv Haushalte mit Miet- und Energieschulden oder einer anhängigen Räumungsklage.
Das „Amublant Betreute Wohnen“ (BeWo) stabilisiert durch nachsorgende Unterstützung in der eigenen Wohnung.
Drei Fachberatungsstellen (FBS) halten Akuthilfen mit niedrigschwelligem Zugang bereit.
Die Beratungsstellen in den Notunterkünften Brühl und Bergheim (BS) bieten Unterstützung nach einer Zuweisung in eine städtische Notunterkunft.
Das Projekt Stark! wendet sich aufsuchend an wohnungslose Menschen in städtischen Notunterkünften und Personen, die ganz ohne Obdach auf der Straße leben sowie neu zugewanderete EU-Bürgerinnen und -Bürger und bietet individuelle Unterstützung an. (aj)
Die Wohnungs-Situation in Frechen
Die Wohnungsmarktstudie, die das Prestel Institut für die Neuaufstellung des städtischen Flächennutzungsplans erarbeitet hatte, zeigt auf: Die Mietpreise im Stadtgebiet sind von 1990 bis 2023 um 45 Prozent gestiegen. Ende 2023 fehlten 900 Wohnungen, bis 2040 sind rund 3.500 öffentlich geförderte Wohnungen notwendig.
4.100 Haushalte im Stadtgebiet sind armutsgefährdet, 6.500 haben einen potenziellen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Demgegenüber steht ein Bestand von derzeit nur 1.278 vorhandenen öffentlich geförderten Mietwohnungen, deren Zahl weiter zurück geht. Die Studie weist nach, dass es in Frechen an kleinen, bezahlbaren, barrierefreien Wohnungen und an Wohnungen sowie Häusern für Familien fehlt. (aj)