Wegen Bauplänen will die Stadt mögliche Kriegsgräber, darunter auch russische und ukrainische, untersuchen lassen. Kritiker warnen davor.
KriegsgräberViele Sorgen um die Totenruhe auf dem Friedhof in Frechen-Königsdorf

Wie viele Opfer des Nationalsozialismus in den letzten Kriegsjahren hier zwischen oder vor den Bäumen begraben wurden, ist unbekannt.
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Der Plan der Stadt, eine rund 0,5 Hektar große Ackerfläche am Marienhofer Weg mit ein- bis zweigeschossigen Reihenhäusern zu bebauen, um öffentlich geförderten Wohnungsbau voranzutreiben, sorgt bei Anwohnern und Historikern weiter für Aufregung. Die Fläche gehört der Stadt und war als Friedhofserweiterung vorgesehen, die nicht mehr benötigt wird.
Etliche, bis zu hundert Jahre alte Bäume müssten gefällt werden.
Die unmittelbare Nähe des Gebiets zum Friedhof hat die Gegner der Pläne alarmiert. Sie fürchten nicht nur die Eingriffe in die Natur – etliche, bis zu 100 Jahre alte Bäume müssten gefällt werden – sondern sorgen sich auch um die Kriegsgräber auf dem Friedhof . Um das Baufeld zu erschließen, müsste eine schmale Straße auf 35 Meter Länge auf sechs Meter Breite erweitert werden – zulasten des Friedhofsgeländes. Die Kriegsgräber, darunter auch sowjetische und ukrainische, könnten beschädigt werden, so die Befürchtungen. Es sei nicht genau klar, wo die Gräber überall liegen, der Bestattungsbereich des Gräberfelds ist nicht genau bekannt.
Die Verwaltung will nach einem mehrheitlichen Beschluss des Planungsausschusses nun eine archäologische Untersuchung zur Auffindung von möglichen Überresten von Kriegsgefangenen in Auftrag geben. „Im Hinblick auf eine möglichen Erschließungsstraße entlang des Friedhofs ist es von elementarer Bedeutung zu wissen, welcher Bereich betroffen ist“, so die Stadt.

Die Anwohner vom Marienhofer Weg in Köngsdorf sorgen sich um ihr Viertel, wenn die Stadt Neubaupläne in unmittelbarer Nachbarschaft umsetzt. Die schmale Straße soll auf sechs Meter Breite erweitert werden.
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Die Untersuchung solle klären, ob die Erschließungsvariante als einzige sinnvolle Option weiterverfolgt werden könne. Nach einer unverbindlichen Aussage einer Fachfirma könnten sich die Kosten für ein Suchfeld von circa 600 Quadratmeter auf rund 10.000 Euro belaufen. Dafür werden zwei bis drei Tage (inklusive Grabungsteam, Technik und Dokumentation ) angesetzt. Die Größe des Suchfelds ergebe sich aus der zusätzlichen Fläche, die für die Erschließung der Straße benötigt werde.
Am westlichen Ende des Friedhofes wurden, bisher von niemandem als anscheinend dem Planungsamt angezweifelt, eine unbekannte Anzahl von sowjetischen Toten seit den ersten Transporten ab 1941 nach Königsdorf bis zum Kriegsende verscharrt
Der Königsdorfer Lokalhistoriker Professor Dr. Paul Stelkens, der seit Jahrzehnten die Kriegsgräber und ihre Geschichte wissenschaftlich untersucht, stellt allerdings das Vorhaben in Zweifel: „Die Beauftragung von Archäologen scheint mir nach dem heutige Sachstand auf einer rechtlich irrelevanten Fragestellung zu beruhen.“
Er argumentiert: „Am westlichen Ende des Friedhofes wurden, bisher von niemandem als anscheinend dem Planungsamt angezweifelt, eine unbekannte Anzahl von sowjetischen Toten seit den ersten Transporten ab 1941 nach Königsdorf bis zum Kriegsende verscharrt.“
Frechen: Appell an den rechtlichen Schutz des Gräberfelds
Nach Aussagen der von ihm befragten Zeitzeugen sei es ein Friedhofsbereich, der nach der nationalsozialistischen Praxis unabhängig von dem Vergraben einzelner Toten allgemein als Beerdigungsort für Sowjetsoldaten und Zwangsarbeitern vorgesehen gewesen sei. Stelkens appelliert unter anderem an den rechtlichen Schutz des Gräberfelds: „Welcher Bereich ist geschützt? Wo gegraben wurde, wo konkret eine Leiche oder Leichenteile verscharrt wurden, wo sich heute noch Körperreste oder Knöpfe, Schuhe oder Marken befinden? Können geschützte Gräberfelder entwidmet werden?“
Alt-Bürgermeister Hans-Wille Meier habe zugesagt, dass das Gräberfeld in Ehren gehalten wird
Zudem habe der Alt-Bürgermeister Hans-Willi Meier fest zugesagt, dass dieses Gräberfeld in Ehren gehalten werden soll. „Meines Wissens sind von der Verwaltung weder die rechtlichen Vorfragen geklärt worden, noch ist bisher im Kölner Stadtarchiv nachgeforscht worden, ob es dort Hinweise auf die Zahl und Lage der Bestattungen in diesem Gräberfeld gibt“, so Stelkens.
Ein Abholzen der Bäume und Ausfräsen der Wurzeln würde die Totenruhe stören, und es bestünde die Gefahr, dass Gebeine, gegebenenfalls persönliche Habseligkeiten der Toten, zu Tage treten
Auch Wolfgang Held, Beauftragter des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge in NRW, ist in Sorge. Nach einer Ortsbegehung im Frühjahr konstatierte er: „Seitens des Volksbundes gibt es keine Zustimmung für ein Abholzen gesunder Bäume sowie die Verkleinerung des Friedhofsgeländes zu Lasten der Kriegsgräberstätte. Ein Abholzen der Bäume und Ausfräsen der Wurzeln würde die Totenruhe stören, und es bestünde die Gefahr, dass Gebeine, gegebenenfalls persönliche Habseligkeiten der Toten, zu Tage treten. In diesem Fall würde zwangsläufig ein Baustopp erfolgen“, so Held.
Auch Marcel Hebestreit von der Bürgerinitiative Marienhofer Weg reagiert erstaunt: „Für mich wirkt es auch pietätlos, erst die Totenruhe zu stören, nur um sie anschließend angeblich zu schützen.“