Raser nicht gefundenRhein-Erfterin soll Fahrtenbuch führen – stattdessen klagt sie dagegen

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Eine Kfz-Halterin aus dem Rhein-Erft-Kreis solle ein Jahr lang ein Fahrtenbuch führen und klagt dagegen vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.

Eine Kfz-Halterin aus dem Rhein-Erft-Kreis solle ein Jahr lang ein Fahrtenbuch führen und klagt dagegen vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.

Mit dem Auto der Frau wurde zu schnell gefahren, sie saß aber nicht selbst am Steuer. Sie hat auch nicht gesagt, wer es war. 

Es war der 25. Dezember 2021, frühmorgens um 2.15 Uhr, als der Pkw mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 Kilometern in einem Ort des Rhein-Erft-Kreises geblitzt wurde. Bis heute konnte nicht geklärt werden, wer am Steuer des Autos saß. Weshalb sich demnächst sogar das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster mit dem Fall beschäftigen muss.

Denn die Halterin des Wagens, die definitiv nicht gefahren ist, wurde auf Vorschlag der örtlichen Bußgeldbehörde im Juni 2022 dazu verpflichtet, „für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen“. Nachdem die Verfügung des Rhein-Erft-Kreises vom Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde, zieht die Pkw-Eigentümerin jetzt vor das OVG-Münster.

Gefahren ist wohl der Sohn

Im Bußgeldverfahren des Kreises hatte die Frau keine Angaben zum Fahrer gemacht und mehrfach auf ihr Recht auf Zeugnisverweigerung verwiesen. Obwohl es wohl nahe gelegen hatte, wer am Steuer saß, konnten Polizei und Bußgeldbehörde den Schuldigen nicht ermitteln. Sogar die Nachbarn seien ergebnislos befragt worden, teilte die Behörde vor dem VG-Köln mit. Auf dem Foto der Blitz-Anlage jedenfalls war ein junger Mann zu sehen, der vermutlich der Sohn der Halterin ist.

Dass darauf keiner gekommen ist, könne ihr doch nicht zum Nachteil gereichen, argumentiert die Frau jetzt. Und unterstellt, nachdem ihr Sohn nach dem Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr belangt werden kann, dass die Fahnder den Fahrer durchaus hätte finden können. Es habe sich doch „förmlich aufgedrängt“, dass es sich auf dem Foto um eines ihrer Kinder handele, hatte sie vor dem Verwaltungsgericht Köln gesagt. Die Behörde habe „auf der Hand liegende, angemessene und zumutbare Ermittlungsmaßnahmen“ nicht ergriffen, die „mit absoluter Sicherheit zur Feststellung des Fahrzeugführers geführt hätten“.

Schon „die Einholung einer Auskunft beim Melderegister“ hätte vermutlich zum Erfolg geführt, da der betreffende Sohn noch in ihrem Haushalt lebe. Außerdem sei das Führen des Fahrtenbuches über einen so langen Zeitraum nicht verhältnismäßig. Niemand sei gefährdet gewesen in der Weihnachtsnacht auf der menschenleeren Straße, zudem sei dies der erste Verstoß ihres Sohnes im Straßenverkehr gewesen.

Trotz scharfem Blitzerfoto haben Behörden den Raser nicht gefunden

Der Kreis beruft sich weiterhin darauf, dass die Ermittlung des Fahrzeugführers „sehr wohl unmöglich gewesen“ sei. Es habe „keinerlei Anhaltspunkte gegeben, die über die ergriffenen Maßnahmen hinausgehende Ermittlungen erforderlich gemacht hätten“, sagte ein Vertreter der Behörde vor dem VG Köln.

Laut Paragraph 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) können Behörden das Führen eines Fahrtenbuches anordnen, wenn nach einem Verstoß der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Diese Praxis ist auch bereits mehrfach von den höchsten Gerichten in Deutschland so bestätigt worden. Um ein Fahrtenbuch anordnen zu können, muss es sich indes „um einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß beziehungsweise einen Verstoß von einigem Gewicht“ handeln. In der Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn es sich um Vergehen handelt, für die ein Strafpunkt im Flensburger Fahreignungsregister fällig wird.

„Auf der Hand liegende Ermittlungsmaßnahmen nicht eingeleitet“

Wenn die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuches einmal angeordnet wurde, entbindet auch der Verkauf oder Wechsel des Wagens nicht von der Pflicht. Das hat das Verwaltungsgericht Leipzig im Falle eines Fahrzeughalters entschieden, der die Auflage umgehen wollte, indem er seinen alten Pkw abgemeldet und ein neues Auto angemeldet hatte (Az.: 1 K 231/10). Die Richter aber betonten, dass die Pflicht zum Fahrtenbuch auch für Ersatz- und Nachfolgefahrzeuge gilt. Der Kläger hatte zuvor eingewendet, eine solche Regelung widerspreche dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung.

Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, wo der „Rhein-Erft-Fall“ nach bisheriger Planung am 31. Mai verhandelt wird, spielt dies sicherlich keine Rolle. Zusätzliche Brisanz jedoch kommt in die Verhandlung, weil das Verwaltungsgericht Köln dem OVG in einem Punkt widersprochen hatte: Das Münsteraner Gericht hatte in einem Eilverfahren zum vorläufigen Rechtsschutz der Kfz-Halterin aus Rhein-Erft die Vermutung geäußert, dass die Frau vielleicht Recht haben könnte und die Ermittlungen eben nicht unmöglich waren. Dafür spreche das überdurchschnittlich scharfe Tatfoto, das der Blitzer bei der Geschwindigkeitsübertretung an Weihnachten 2021 gemacht hatte. Ein Abgleich mit Personalausweisfotos hätte für die Behörden deshalb naheliegend sein können.

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