ForschungsteamHürther entwickeln Gerät, das Müdigkeit erkennt

Lesezeit 3 Minuten
Seine Pupillenreflexe lässt SPD-Politiker Klaus Lennartz von Systemingenieur Thomas Hosten an dem Prototypen testen.

Seine Pupillenreflexe lässt SPD-Politiker Klaus Lennartz von Systemingenieur Thomas Hosten an dem Prototypen testen.

Hürth-Knapsack – Vieles lässt sich von den Augen ablesen – und Johannes Junggeburth ist sicher, dass sich damit gute Geschäfte machen lassen. Der 62-jährige Ingenieur führt ein 14-köpfiges Forschungsteam aus Physikern, Biologen, Computerspezialisten und Psychologen an, das unter dem Dach des Satelliten-Dienstleisters Stellar Data Broadcast Service auf dem Knapsacker Hügel an einem Gerät arbeitet, mit dem sich Müdigkeit messen lässt, aber auch Drogen- und Alkoholkonsum.

Literarisch ist das Auge das Fenster zur Seele, wissenschaftlich gesehen ermöglicht es Einblicke ins Gehirn und den Zustand des Nervensystems. Die Technik des Projekts „i-ris“, an dem die Gruppe seit Herbst 2018 arbeitet, macht sich den Pupillenreflex auf Lichtreize zunutze, der – ebenso wie der Kniescheibenreflex – nicht willentlich beeinflussbar ist und damit objektive Daten liefern soll.

1000 Bilder pro Sekunde

Unter Alkoholeinfluss reagiert das Auge anders auf Licht als nüchtern, und auch der Grad der Müdigkeit soll sich daran ablesen lassen, wie schnell und wie stark sich die Pupille bei Lichteinfall zusammenzieht und wann sie sich wieder weitet.

Dass sich der Pupillenreflex vermessen und auswerten lässt, davon ist Junggeburth, der sich als Projektingenieur mit Hochgeschwindigkeitsgeräten beschäftigt hat, schon seit Jahrzehnten überzeugt. Allerdings habe es an entsprechend schnellen Kameras gefehlt, um den Reflex, der teils in Sekundenbruchteilen abläuft, aufzuzeichnen.

Herzstück des Prototyps, in den bislang eine Million Euro an Forschungsgeldern geflossen sind, ist eine 25 000 Euro teure Hochleistungskamera, die 1000 Bilder pro Sekunde vom Auge aufnehmen kann. Der Proband blickt in eine Art Brille, die Augen werden dabei unterschiedlich farbigen Lichtblitzen ausgesetzt, der Pupillenreflex aufgezeichnet und am Computer ausgewertet. Weniger als fünf Sekunden dauert eine solche Messung. Um die Ergebnisse interpretieren zu können, arbeitet die Gruppe unter anderem mit Wissenschaftlern der RWTH und der Uniklinik Aachen zusammen. „Dafür braucht man Studien“, sagt Junggeburth, „wir machen die Basisarbeit.“

Handy-App für Privatnutzer

Für den Projektleiter liegen die praktischen Anwendungen der Technik auf der Hand. Vor allem in sicherheitsrelevanten Bereichen könne sie eingesetzt werden, zum Beispiel von Speditionen, die die Fahrtauglichkeit ihrer Fahrer überprüfen wollen oder von Luftfahrtunternehmen, die ausschließen wollen, dass ihre Piloten für den Langstreckenflug zu müde sind.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch die Polizei kann das Gerät für Drogentests einsetzen. Darüber hinaus arbeitet das Team an einer Handy-App für Privatnutzer. Auch im Gesundheitsbereich soll die Technik nutzbar sein, etwa, um Demenzerkrankungen frühzeitig zu erkennen.

Den Hürther SPD-Politiker Klaus Lennartz haben neben der Technik vor allem die Vermarktungschancen überzeugt. Ihm gehe es darum, „Forschung und Produktion zu vereinen“, sagt Lennartz, der den Projektleiter mit dem Hürther Unternehmen Stellar zusammengebracht hat.

Zunächst bis Mitte 2020 will die Gruppe weiterforschen. 2,8 Millionen Euro beträgt das Budget für das auf zwei Jahre angelegte Projekt, das allein von der EU mit zwei Millionen Euro gefördert und vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird. Laut Projektbeschreibung geht Stellar davon aus, dass durch die Technologie bis 2023 gut 100 neue Arbeitsplätze geschaffen und 30 Millionen Euro Umsatz erzielt werden können.

KStA abonnieren