Aus Protest gegen die Pläne der Bundesregierung hatte ein Bündnis „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ zu landesweiten Streiks aufgerufen.
Infos statt StreikSo denken Jugendliche in Hürth über die neuen Wehrdienst-Pläne

Der Mündungslauf eines Sturmgewehres vom Typ G36 von Heckler & Koch ist bei einem Appell der Bundeswehr zu sehen (Symbolfoto).
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Während im Bundestag in Berlin für die Einführung eines neuen Wehrdienstes gestimmt wurde, wurde zur gleichen Zeit am Hürther Albert-Schweitzer-Gymnasium darüber informiert und kontrovers diskutiert. Das Gesetz sieht die Wiedereinführung der verpflichtenden Musterung ab dem Geburtsjahr 2008 vor. Die Entscheidung für den Wehrdienst soll freiwillig bleiben. Im Falle fehlender Rekruten kann aber nach weiterem Gesetzesbeschluss später eine Pflicht greifen. In diesem Schritt würde die strittige Frage geklärt werden, wen eine Zwangseinberufung träfe und wie sie fair gestaltet würde.
Hürth: Zwischen Glücksrad und Liegestütze
Aus Protest gegen diese Pläne der Bundesregierung hatte ein Bündnis „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ am Freitag zu landesweiten Streiks aufgerufen. Die Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalen (LSV NRW) unterstützte die Aktion.
Dazu sei auch in der Schülerschaft die Streikfrage aufgekommen, denn unter ihnen und auch in den Familien werde über den neuen Wehrdienst geredet, berichtete Lucy Dreyhaupt (17), die stellvertretende Schülersprecherin des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Hürth.
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Lucy Dreyhaupt (17) „Meiner Meinung nach bringt es nichts, Menschen zum Dienst an der Waffe zu zwingen, die dies weder wollen, noch überzeugt vertreten können. Eine freie Entscheidung ist die Grundlage für ein verantwortungsvolles Handeln.“
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„Deshalb haben wir uns dann in der Schülervertretung (SV) und mit weiteren Leuten zusammengesetzt und überlegt, wie wir dieses Thema am besten und vielleicht ohne Streikkonsequenzen aufgreifen könnten“, äußerte sie. Das führte schließlich zu der Entscheidung, am Freitag Informations- und Mitmachaktionen in zwei Pausen auf die Beine zu stellen, „um den jungen Leuten eine Stimme zu geben“, so Lucy Dreyhaupt.
„Klar macht eine Demo vielleicht auch noch mal einen Unterschied zu einem Infostand, aber uns war es wichtig, dass wir über die gegenwärtige Lage informieren, damit mehr Leute wissen, was hinter dem Wehrdienst-Gesetz steckt“, ergänzte die Schülersprecherin des ASG, Charlotte Schiffer (16).

Charlotte Schiffer (16) „Jeder Mensch sollte die freie Entscheidung haben, ob er zur Bundeswehr gehen möchte oder nicht, und zwar ohne Druck oder Zwang. Es würde viel mehr Sinn machen, ein soziales Jahr für alle jungen Leute, also für Mädchen und Jungen, einzuführen.“
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Zur ersten Pause standen SV-Vertreter mit Bildertafeln und einem Glücksrad bereit. Auf einem Infoblatt wurden die Wehrdienst-Pläne erläutert und aus Sicht von Schülern Kritikpunkte dargelegt. Dazu gehörten die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, das Risiko einer späteren Dienstpflicht trotz „Freiwilligkeit“, der Eingriff in die Freiheit junger Menschen, ein verfassungsrechtlich umstrittenes Losverfahren. Wer am Glücksrad drehte und der Zeiger auf dem Punkt „Wehrpflicht“ landete, sollte zehn Liegestütze absolvieren, was einige männliche Jugendliche locker schafften und auch für ein bisschen Spaß sorgte.
Immer wieder diskutierte Nils Howald (16), der zu den Ideengebern des Infostandes gehörte, mit seinen meist männlichen Mitschülern über Pro und Contra. Maurice Würdig begrüßte die Info-Aktion.„ Ich finde den Austausch erst mal gut, die Leute sollen darüber reden, das ist auch demokratiefördernd“, so der 18-Jährige. „Ich würde aber zur Bundeswehr gehen, damit habe ich kein Problem“, erklärte er.

Nils Howald (16): „Den Fragebogen zur Musterung finde ich an sich gut“, das bringe Aufmerksamkeit auch für eine Karriere bei der Bundeswehr. „Die Entscheidung sollte aber freiwillig bleiben. Ein Konzept der Lose finde ich unmenschlich“, so der Schüler.
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Sich mustern lassen zu müssen, fand auch Janne Simon nicht problematisch. „Wir leben hier sehr privilegiert“, sagte er, da könne man auch über eine Wehrpflicht nachdenken. „Ich möchte lieber für den Ernstfall vorbereitet sein, als dann spontan eingezogen zu werden“, erklärte der 17-Jährige. Ein gleichaltriger Schüler sah in der Musterung einen Zwang und „im Wehrdienst ein verschwendetes Jahr“.
Für ein soziales Jahr für alle gegenüber einer Wehrpflicht sprach sich Philipp Schiffer (17) aus. So viele Bereiche, ob in der Pflege oder im Katastrophenschutz bräuchten personelle Verstärkung.

